Titel: Der Nebelkönig Eine Rezension von Christel Scheja |
Susanne Gerdom gehört mittlerweile zu den deutschen Autorinnen, die zwar nicht zu Bestsellerehren gekommen sind, sich aber doch einen soliden Leserstamm erarbeitet haben und zudem immer wieder die Möglichkeit bekommen, ihre eigenen Ideen in Romane umzusetzen. Der 2010 erschienene Roman „Der Nebelkönig“ gehört zu den eigenwilligen Werken, die anders als die Masse sind, birgt die Geschichte doch mehr Geheimnisse als man nach den ersten paar Seiten vermuten könnte. Sallie gehört zu den Küchenmädchen eines großen Anwesens und hat die kleine, in sich geschlossene Welt, in die sie geboren wurde, noch nie verlassen. Dennoch traut sie sich immer wieder in die Bibliothek, um in ihrer geringen Freizeit zu lesen. Ihre liebste Geschichte ist die um den Nebelkönig, der vor vielen Jahren im Zeichen des Wolfes großes Unglück über die Welt brachte, indem er den letzten Drachen der Welt tötete. Damals konnten nur die Katzenkönigin und ihre drei Gefährten schlimmeres verhindern und das Unheil bannen. Das Mädchen lässt sich sonst nichts zu Schulden kommen, arbeitet hart und erfüllt ihre Aufgaben ordentlich, so dass ihr die Herrschaft dies als Lohn zu erlauben scheint. Auch die anderen Diener sehen darüber hinweg und behandeln sie freundlich. Nur der Kammerherr macht ihr aus unerklärlichen Gründen Angst. Die Routine wird durchbrochen, als sie einem geheimnisvollen, grau gekleideten Mann begegnet, der ihr in der Bibliothek ein Buch schenkt. Kurz darauf entdeckt sie, dass sie viele Dinge beeinflussen kann oder durchschaut und nun durch Türen gehen kann, die ihr vorher verschlossen waren. Und ehe sie sich versieht, steckt Sallie mitten in einem gefährlichen Abenteuer, dessen Schlüssel die Legende vom „Nebelkönig“ ist und scheint diejenige zu sein, die das Schicksal ihrer Welt beeinflussen wird. „Der Nebelkönig“ beginnt zunächst wie ein klassischer Jugendroman und erzählt die Geschichte eines einfachen Küchenmädchens, das fest in den Haushalt eingebunden zu sein scheint. Doch schon früh schleichen sich Details ein, die irritieren und Fragen aufwerfen. Das Verwirrspiel wird jedoch erst perfekt, wenn sich die Realität deutlicher zu verschieben beginnt. Erfahrene Leser erkennen schnell, dass zwei Fragen die Geschichte durchziehen: Was ist Wahrheit, was Lüge oder Fiktion? Welche Bedeutung haben die Schriften in der Bibliothek wirklich? Und wie muss ich sie lesen, um sie deuten zu können? Zusammen mit Sallie kommt auch der Leser dem Geheimnis erst mit der Zeit auf die Spur und muss gelegentlich aufpassen, um nichts zu verpassen. Das ist so spannend erzählt, dass man das Buch kaum aus der Hand legen möchte. Zwar gerät die Heldin nie wirklich in Gefahr, so dass man um sie fürchten muss, steht aber vor einer Menge Rätsel, auf die es zunächst keine Antwort gibt. Geschickt verknüpft die Autorin die einzelnen Details miteinander, führt die Fäden gekonnt zusammen und löst die Mysterien im richtigen Moment auf, so dass man in dieser Hinsicht rundum zufrieden sein kann. Dabei bleibt der Hintergrund leider ein wenig im Hintertreffen. Man fühlt sich stark an die Hierarchien und das Leben in einem Herrenhaus aus dem 19. Jahrhundert erinnert, auch wenn die Autorin nie konkret wird und in den Beschreibungen eher schwammig bleibt. Allerdings nimmt man ihr das auch nicht übel, da am Ende der Grund dafür ersichtlich sind. Die Figuren bleiben leider ebenfalls oberflächlich. Selbst Sallie ist auf wenige Eigenschaften und Charakterzüge reduziert, die meisten Nebenfiguren haben nur eine Aufgabe zu erfüllen. Vermutlich verzichtet die Autorin auch deswegen auf die für Fantasy-Jugendbücher obligatorische Romanze. Alles in allem ist „Der Nebelkönig“ eine spannend aufgebaute Fantasy-Geschichte, die vor allem durch die vielen Geheimnisse und die interessant aufgebaute Handlung punkten kann. Daher werden vor allem Leser zufrieden sein, die sich gerne mit magischen Rätseln befassen und gerne auch einmal in ein interessantes Verwirrspiel verwickeln lassen, ohne dabei mit allzu viel Action oder gar einer Romanze abgelenkt zu werden.