Reihe: Deep Space Nine, Band 8.02 Eine Besprechung / Rezension von turon47 |
Story: Obwohl die Bedrohung der Station durch die Jem'Hadar fürs erste gebannt zu sein scheint, ist in den Augen der Stationskommandantin Kira Nerys noch längst keine Ruhe eingekehrt.
Der gefangenen genommene Dominion -Kämpfer Kitana'klan lässt noch Fragen ob seiner Loyalität offen, der Tod ihrer ehemaligen Freundin ist noch immer nicht vollständig aufgeklärt, das ketzerische Buch mit den düsteren Prophezeiungen könnte den Glauben ihres Volkes auf die Probe stellen und zu allem Überfluss hat sich eine vereinte Flotte aus Klingonischem Imperium , Föderation und Romulanischen Sternenimperium angekündigt, die eine Strafexpedition in den Gammaquadranten unternehmen will.
Auch die USS Enterprise NCC-1701-E ist auf dem Weg zur Station am Wurmloch – ohne allerdings auch nur eine Ahnung von den Ereignissen zu haben, die sich innerhalb der letzten Tage dort zugetragen haben. Viel mehr möchte man Reparaturen durchführen und dem bajoranischen Volk den frisch entdeckten Drehkörper der Erinnerung übergeben. Mit an Bord ist Elias Vaughn , der nach seiner Drehkörpererfahrung ein völlig neuer Mensch ist und schon längst eine schwerwiegende Entscheidung getroffen hat, die gleichermaßen seine Zukunft und die DS9s tangiert.
Kurz nach dem Eintreffen der Enterprise und der Präsentation des verloren geglaubten Relikts verfliegt die gute Laune Kiras aber auch rasch. Yevir Linjarin , der Kai in spe, ist erbost darüber, dass Kira das ketzerische Werk eigenmächtig der bajoranischen Öffentlichkeit zugänglich gemacht hat, Kasidy Yates ist aus gleichem Grund sauer auf sie und der gefangene Jem'Hadar ist ausgebüchst und läuft auf der Station Amok.
Das Chaos bricht aus. Dr. Bashir droht an seinem Blutverlust zu sterben, mehrere Besatzungsmitglieder fallen und selbst dem erfahrenen Fährtenleser Vaughn gelingt es nicht, den fanatischen Killer zu stoppen, der den Fusionsreaktor der Station überlastet hat. Die Evakuierung wird eingeleitet, doch allen beteiligten ist klar, dass es unmöglich sein wird, alle zu retten. Zu allem Überfluss droht eine Opferzahl von zehntausend, also genau exakt jener Menge, die das ketzerische Buch prophezeite. Kira und Vaughn müssen Kitana'klan stoppen, doch der Colonel wird niedergestreckt und auch Vaugn muss eingestehen, dass er gegen den überlegenen Ketracel-White -Junkie in einem direkten Zweikampf keinerlei Chance hätte. Als sich auch noch ein zweiter Jem'Hadar offenbart, scheint das Schicksal der Station endgültig besiegelt...
Lobenswerte Aspekte : Der Roman ist bekanntermaßen der Startpunkt für die achte Staffel Deep Space Nine in Buchform. Wie bereits in der Besprechung zu zu „ Offenbarung, Buch 1 “ angemerkt, muss das Werk nun die Lücken füllen, die der radikale Schnitt in „ Das, was Du zurückläßt “ hinterlassen hat.
Dazu gehört ganz zwangsläufig auch, die alten Charaktere durch neue zu ersetzen. Das funktioniert hier ausgesprochen gut, denn mit dem Andorianer Shar, dessen Mutti in der Sternenflottenspitze mitmischt, Elias Vaughn, der als ehemaliger Geheimdienstoffizier sicherlich genug dunkle Geheimnisse zu bieten hat und dem Jem'Hadar Taran'atar, der zwar clean ist, aber eher unfreiwillig die Crew ergänzt, ist es Perry gelungen, eine facettenreiche Ergänzung zur altbekannten Crew zu bieten.
Mal ganz abgesehen davon, dass die neuen und alten Charaktere unterschiedslos großartig geschildert werden, ist es die Vielzahl von aufziehenden Konflikten, die eine subtile Spannung schafft, die Lesertreue fördern:
Wie geht die Crew mit dem Muttersöhnchen Shar um? Wie kommt der kriegstraumatisierte Nog mit dem Jem'Hadar Taran'atar klar? Werden Ro und Kira aufhören, sich gegenseitig anzuzicken? Wird Quark es schaffen, Ro flachzuleg... äh, rumzukriegen?
Da gibt es auf jeden Fall eine Menge aufzuarbeiten. Und apropos Mengen: die Fülle an Querverweisen auf verschiedene Folgen ist tatsächlich so beeindruckend, wie Christian Humberg es im erfrischenden Interview am Ende des Buches anmerkt. Und sein Beispiel mit Kukalaka (vgl. S. 100) ist noch eines der offensichtlicheren, denn daneben lässt sich noch eine Fülle von anderen Bezügen auf DS9-Folgen wie „ Hirngespinst “ (vgl. S. 8), „ Profit und Verlust “ (vgl. S. 62) oder „ Entscheidungen “ (vgl. S. 96) - um nur einige zu nennen. Viel subtiler ist etwa die Bezeichnung „Bill“, die Elias Vaughn für Admiral Ross benutzt, denn sie ist als besonders einfühlsamer Bezug auf eine entsprechende, eher spöttisch gemeinte Bemerkung Odos in „ Das Gesicht im Sand “ zu verstehen (vgl. S. 172). Doch da auch TNG-Charaktere ihren verdienten Platz im Buch finden, sind auch noch Referenzen auf entsprechende Episoden wie „ Das Standgericht “ (vgl. S. 153), „ Traumanalyse “ (vgl. S. 125) oder „ Kontakte “ (vgl. S. 21) aus dieser Serie zu finden. Dass schließlich sogar, gut versteckt, die 47 auftaucht (vgl. S. 150), ist das Sahnehäubchen auf dem Star-Trek-Kuchen.
Doch zurück zur Geschichte. Die vermag zwar nicht unbedingt das rasante Tempo des vorangegangenen Teiles zu halten, doch dafür kann sie mit einigen überraschenden Wendungen aufwarten. Die vermeintlich ungerechtfertigte Antipathie Nogs gegen den Jem'Hadar (vgl. S. 24ff.), Kiras Entscheidung gegen ein Stillschweigen um das Buch Ohalus (vgl. S. 108ff.) oder die Entdeckung einer Grabkammer mit 9.999 Leichen (vgl. S. 201ff.) - sie alle können dem Leser Erstaunen abringen und auch wenn man gegen Ende schnell den Eindruck gewinnen könnte, dass die Geschichte unnötigerweise in ein eklig schnulziges Happy-End abdriftet (vgl. Quark, Denkwürdige Zitate), verabschiedet es sich statt dessen mit zwei finalen Krachern: Jake Sisko verliert im Wurmloch die Kontrolle über sein Shuttle (vgl. S. 225f.) und Kira wird zum Paria der bajoranischen Gesellschaft (vgl. S. 220f.).
Besonders letztere Entwicklung gibt Anlass zur Hoffnung. Während der vierte Titan Band „Schwert des Damokles“ unter bajoranischer Beteiligung noch eindrucksvoll aufzeigte, wie man sich dem Thema Religion eher nicht nähern sollte, wirkt dieses Buch im Vergleich dazu tatsächlich wie eine Offenbarung.
Kiras Wandel von einer treuen Anhängerin des bajoranischen Glaubensapparates zu einer Person, die Spiritualität mit der eigenen innewohnenden Ethik koppelt (vgl. Kira, Denkwürdige Zitate) ist eine gelungene Gratwanderung, die stets nachvollziehbar bleibt. Sie wandelt dabei auf den Spuren großer hiesiger Vordenker wie Kopernikus , Galileo Galilei und Luther und dieses Thema mit dem religiösen Grundcharakter der Serie zu verbinden, ist eine wahre Weiterentwicklung, die einer gewissen historischen Dialektik nicht entbehrt und dieses auch auf unserer Welt noch immer hochaktuelle Thema klug in den Rahmen der Serie setzt.
Kritikwürdige Aspekte : Wie bereits erwähnt gelingt es dem Roman nicht, die rasante Geschwindigkeit seines Vorgängers beizubehalten und auch die Enterprise wirkt nicht sonderlich gut in die Geschichte eingefügt. Abgesehen von Picard haben die restlichen Charaktere einen so geringen Spielraum, dass ihr Fehlen kaum ins Gewicht gefallen wäre.
Außerdem scheut der Roman noch immer davor, den Großen Nagus Rom zu thematisieren, dessen Regentschaft für die Ferengi folgenschwere gesellschaftliche Umwälzungen zur Folge haben müsste. Doch das Ferengibild des Buches bleibt, wohl auch dem Sturkopf Quark geschuldet, von den Auswirkungen dieser Entwicklung verschont. Schade eigentlich, denn gerade dieser Aspekt war noch eines der interessantesten Zukunftsbilder, die das Serienfinale DS9s entwarf.
Schließlich bleibt mir nur noch eines anzumerken. In Kopenhagen redet man gerade davon das Klima zu retten , und dieses Buch ist ein Musterbeispiel für verschwendete Naturrohstoffe. Nicht weniger als 13 Seiten in diesem Werk, die auch noch regulär als Seiten geführt werden, sind leer! Völlig unbeschrieben! Damit wird das Buch nicht nur auf 223 Seiten verkürzt, sondern auch noch zum Umweltsünder. Ich habe keine Vorstellung davon, wie hoch die Auflage ist, und natürlich ist der Druck in Tschechien viel günstiger (vgl. S. 3), doch ich möchte lieber nicht hochrechnen, wie vielen Bäumen dieser Luxus zum Verhängnis wurde. Gar nicht daran zu denken, wie groß die eventuell erhaltene Baumfläche gewesen wäre, wenn man beide Bänder in Deutschland zusammen herausgebracht hätte!
Übersetzung : Christian Humberg leistet solide Arbeit. Sein Interview mit Perry ist wirklich gut, auch wenn ich mir manchmal gewünscht hätte dass er mehr auf die Äußerungen der Autorin eingeht, war es eine gelungene Abwechslung.
Aber von einem „ Trekkie und insbesondere DS9-Fan “ (S. 232) hätte ich schon erwartet, dass er von 'taktisches Training für Fortgeschrittene ' und ' selbstdichtenden Schaftbolzen ' statt „ Fortgeschrittene Taktik “ (S. 215) und 'selbstversiegelnde Bolzen' (S. 59) spricht.
Ansonsten fehlt mir auf S. 142 ein Absatz, der den Auftritt Taran'atars von dem Vaughns trennt, auf S. 72 ein Ausrufezeichen, das den Satz Kiras beendet und das Verb „anrufen“ (vgl. z.B. S. 91) empfand ich doch etwas zu antiquiert für den Gebrauch von Kommunikatoren. Doch das sind Peanuts, so dass nur eines mich wirklich gestört hat:
„ Medikits “ (vgl. z.B. S. 92, S. 100. S. 114, S. 118, S. 125, S. 157 oder s. 223) sind hier scheinbar das, was bei Heyne ' Medokits ' waren. Diesen Begriff kann man sicherlich ohne Probleme genau so entlehnen,wie er im Englischen Original vorkommt: als ' Medkit '.
Anachronismen : In einer Fußnote seines Interviews mit Perry erläutert Humberg im Vorbeigehen quasi die Hauptfehlerquelle dieses Buches. Auf Seite 231 liest man nämlich:
„ die Romane erschienen in den USA, bevor die Serie STAR TREK – ENTERPRISE die andorianische Kultur genauer skizzierte. “
Im Text bezieht sich dies auf die vier Geschlechter der Spezies, doch im Buch lässt sich eine entsprechende Bemerkung gar nicht explizit finden. Statt dessen lehnt sich Perry mit der Behauptung aus dem Fenster, dass den humorlosen Blauhäuten sogar das Lachen unbekannt sei (vgl. S. 57). Doch noch halten sich die Widersprüche den Andorianern zurück und es bleibt wohl folgenden Romanen überlassen, hier in ein größeres Fettnäpfchen zu treten.
Fazit : Offenbarung ist ein solide geschriebenes Buch, das den Neueinstieg in die eigentlich bereits abgeschlossene Serie rechtfertigt. Die neuen Figuren, die neuen personalen und politischen Konflikte, der neue Umgangston mit der bajoranischen Religion und die offenen Handlungsbögen machen Lust auf mehr. Gut übersetzt und von Anachronismen weitgehend verschont glänzt der Roman außerdem mit subtil verpackten Referenzen, die ihn sanft in den größeren Kontext einbetten.
Zu den großen Mankos gehört das fehlende Tempo und es wäre nun wirklich gar kein Problem gewesen, beide Romane hierzulande in einem Band herauszugeben.
Denkwürdige Zitate :
„ Ich bin es leid, mich ständig fragen zu müssen, ob ich von Personen manipuliert werde, die nur vorgeben, im Namen der Propheten zu sprechen. Ich habe meine Beziehung zu ihnen und traue meinem Urteilsvermögen. Egal, was Du darüber denkst, gibt dir das nicht das Recht, zu entscheiden, was gut und was schlecht für mich oder für andere ist.
Du darfst über dich entscheiden, nichts weiter. “
Kira, S. 108f.
" Schmalziger Mumpitz! "
Quark, S. 206
Bewertung : Mehr als solide.