Titel: Osiris Ritual Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Die Nächte in London sind immer gefährlich, auch im Jahr 1902. Ganz besonders seit ein Frauenmörder sein Unwesen in und um London treibt. Inzwischen sind ihm einige junge Frauen zum Opfer gefallen. Bisslang gab es keine Anhaltspunkte, doch dann wird den Ermittlern einiges klar. Einige der Frauen verschwanden nach einer Magierschau des Illusionisten Alfonso. Schnell gerät der Illusionist Alfonso unter Verdacht. Veronica Hobbes macht es sich zur Aufgabe den Illusionisten zu überführen. Weil sie jedoch etwas unsicher ist, würde sie gern die Hilfe ihres Chefs Sir Maurice Newbury in Anspruch nehmen. Doch Sir Maurice Newbury ist selbst mit zwei anderen kriminellen Vorfällen beschäftigt. Daher kann er Miss Hobbes nur in Ansätzen helfen. Veronica Hobbes muss eben sehen, wie sie mit dem Problem fertig wird.
Während sich Miss Hobbes ihrem Problem widmet, muss sich Sir Newbury um anderes kümmern. Von ihrer Majestät, der Königin selbst, erhielt er den Auftrag, William Ashford am Bahnhof abzuholen. Dieser Auftrag erscheint etwas ungewöhnlich, noch seltsamer wird er, als Sir Newbury erfährt, dass Ashford bereits vor ein paar Jahren offiziell als verstorben bezeichnet wurde. Und nach seinem Tod wurde William Ashford nach Russland abkommandiert. Welche Bewandtnis hat es nun mit dem Mann, der nicht in seinem Abteil sitzt, welches zudem eigenartig nach Verwesung riecht.
Noch während er sich über diese Zustände Gedanken macht, bittet ihn sein alter Freund beim Scotland Yard, Inspector Sir Charles Bainbridge um Hilfe. Ein bekannter Archäologe, der Forscher und Philanthrop Lord Henry Winthrop, wurde auf grausame Weise ermordet. Da er in einer öffentlichen Zurschaustellung den Sarg einer altägyptischen Mumie öffnete, wird hier schnell eine Verbindung hergestellt. Man spricht von einem Fluch der Mumie. Und auch sonst wird in den unheimlichen Fall einiges mystisches vermutet. Sir Newbury wurde zu der spektakulären Veranstaltung eingeladen und wohnte so der Sargöffnung bei. Sir Bainbridge ist der Meinung, Sir Newbury hätte etwas bemerken und mit seinen Beobachtungen zur Lösung des Mordes beitragen können. Doch das wirklich gemeine an der Sargöffnung war, dass der in ihm liegende Mensch bei lebendigem Leibe mumifiziert wurde. Weil das Gesicht der Mumie trotz seines hohen Alters immer noch sehr gut erkennbar ist und von Leid, Schmerz und Entsetzen gezeichnet ist, erhält er von der Presse den Namen „die kreischende Mumie“. Sir Newbury macht sich auf den Weg und beginnt mit seinen Ermittlungen. Dabei wird seine Laudanumsucht langsam aber sicher zu einem Problem. Auch die Beziehung zu seiner Asistentin Hobbes kühlt sich etwas ab. Vielleicht liegt es auch an dem Neuen. Der Neue im Umfeld Newburys ist der Reporter George Purefoy. Dieser geht dem Inspector tatkräftig zur Hand und unterstützt ihn, wo immer es geht. Sir Newbury wäre auch bereit, ihn als Agent der Krone auszubilden. Hobbes wie auch Newbury sind sich ihrer Beziehung und dem daraus resultierenden Verhältnis nicht mehr sicher und so kommt es natürlich auch zu Missverständnissen.
Der Autor George Mann versteht es, geschickt mit den Erwartungen des Lesers zu spielen und dessen Erwartungen zu schüren. Ganz spektakulär wird der Sarg geöffnet. Wenig später wird Lord Winthrop, auf grausame Weise ermordet. „Der Fluch der Mumie“ ist es aber nicht, was hier als spannendes Buch vorgestellt wird. Im Gegenteil. Dem Mord liegt etwas ganz ordinäres zugrunde. Auch die Beschreibung der kreischenden Mumie erinnert etwas an Edward Munchs „Der Schrei“, ohne damit wirklich zu tun zu haben.
Das Buch ist wie sein Vorgänger Affinity Bridge aufgebaut. Was zuerst unheimlich und mysteriös daher kommt, entpuppt sich bald wieder als ein „normaler“ Kriminalfall mit menschlichen Motiven. Lediglich die Ermittler und ein Teil der Beteiligten wirken etwas geheimnisvoll. Im direkten Vergleich mit Affinity Bridge gefällt mir der Band fast besser. Dies fast bezieht sich auf ein paar kleine Fehler, die sich mir nicht logisch erschliessen. Etwa zu dem Zeitpunkt, als Sir Newbury den Auftrag erhält William Ashford vom Zug abzuholen und er dessen Abteil, leer vorfindet. Statt sich beim Schaffner zu erkundigen, zieht er unverrichteter Dinge ab.
Die Atmosphäre ist dichter, der Flair der Jahrhundertwende greifbarer und die Handlungsträger wirken nicht mehr so steif und unnahbar. Eine sehr schöne, ähnlich dichte und zum Teil unheimliche Atmosphäre wie in Affinity Bridge mit Stahl, Glas, und Dampf hält den Leser schnell gefangen. Das Zeitalter der Dampfmaschinen, etwas Elektrik, die zu sehr in den Hintergrund verschwindet und ordentlich viel Mechanik. Dichte Nebelschwaden, dunkle Nächte mit schwach glimmenden Strassenbeleuchtungen, feuchtes glattes Kopfsteinpflaster, unangenehmes Wetter, die Beschreibung liesse sich endlos weiterführen.