Reihe: Scream, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus |
Mit dieser Kurzgeschichtensammlung will Alisha Bionda einen Überblick geben den Horror, den nationale Autoren zu Papier bringen. Dabei ist es ihr wichtig, die gesamte Bandbreite, vom leichten Schauer bis zum harten Splatter abzudecken.
Das hat sie geschafft. Natürlich gibt es bei solch unterschiedlichen Geschichten für jeden besondere Highlights, die nicht nur im literarischen Können des Autors, sondern auch im persönlichen Geschmack des Lesers begründet sind.
Ich betone deshalb noch einmal, dass meine Rezension natürlich auf meinem individuellen Geschmack beruht, und dass andere Leser vielleicht zu einer vollkommen anderen Meinung gelangen!
Oliver Kern: Der Fremdbewohner
Der Protagonist ist sich sicher, dass er seine Wohnung mit jemanden aus einer anderen Daseinsebene teilt ... atmosphärisch, aber echt nicht mein Ding!
Thomas Plischke: DeathView
Er hat eine neue App. Wenn er jemanden mit seinem Handy fotografiert, kann er sich anschauen, wie diese Person im Tod aussehen wird. Natürlich sterben viel mehr Menschen eines gewaltsamen Todes, als man sich im allgemeinen denkt.
Eine kleine, aber nette Geschichte, die mir gut gefallen hat.
Harald A. Weissen: Nachtsendung
Der Moderator dieser Sendung hört sich an, wie ein Mensch unter Verfolgungswahn, der die falschen Medikamente genommen hat. Eine nette Verschwörungstheorie. Mit hat besonders die Idee von einer Snuff-Film-Convention gefallen...
Ronald Malfi: Painstation*
Ein unscheinbarer Büroangestellter ist verliebt in eine Kollegin. Natürlich schwärmt er nur heimlich für sie, beobachtet sie, macht ihr Komplimente oder tut ihr hin und wieder einen gefallen. Nun ist er an dem Punkt angelangt, wo er selbst merkt, dass seine Leidenschaft harmlos bleiben, oder ungesunde Ausmaße annehmen könnte. Er trifft die Entscheidung mehr oder weniger freiwillig ...
Diese Geschichte gab dem Buch den Titel. Ich finde tatsächlich, dass es sich hier um die beste Geschichte des Buches handelt. Auch wenn sie zum Ende hin ein wenig abdriftet ... oder vielleicht gerade deswegen.
Marc-Alastor E.-E.: Der Dorn im Auge
Ein Typ beschwert, dass seine Nachbarn zu den unmöglichsten Zeiten Lärm veranstalten. Er hört vor allen Dingen ein lautes Klopfen. Allerdings beteuern diese Nachbarn gegenüber der Polizei, dass der Lärm aus seiner Wohnung kommt!
Eine nette, kleine Geschichte.
Tanya Carpenter: Bruderblut
Eine Kutsche gerät in ein Unwetter, sodass seine Insassen bei einem einsam gelegenen Gebäude um Schutz ersuchen. So geraten der junge Mann und seine Braut in die Hände eines Vampirs. Was sich anfangs liest wie eine Szene aus einem Draculafilm mit Christopher Lee wird bald homoerotisch und pornografisch. Eine nette Abwechslung zu den allgegenwärtigen romantischen Blutsaugern, obgleich ich eine ähnliche Konstellation vor Jahren erheblich besser geschildert in einem Buch des berüchtigten Marquise de Sade gelesen habe.
Daniel G. Keohane: Amelia*
Ein Mädchen, das gefangen ist in ihrer Erinnerung an eine Freundin und ein schreckliches Unglück (eines Verbrechens?). War mir erheblich zu soft.
Florian Hilleberg: Beute
Ein Haus am Rande eines dunklen Waldes. Einsamkeit. Dunkelheit. Ein Wolf.
Diese Geschichte liest sich teilweise wie eine böse Version von Rotkäppchen 8und ich denke, die Vergleiche sind hier beabsichtigt). Hat mir sehr gut gefallen!
Brian Keene: Mr. Chickbaum*
Dass Brian Keene für diese Anthologie gewonnen werden konnte, ist schön. Seine Geschichte handelt von einem Vater, der seiner kleinen Tochter erklären muss, warum ihr Kater manchmal tote Tiere ins Haus bringt. Eben, weil es in seiner Natur liegt – allerdings sieht dies der unsichtbare Freund der Tochter etwas anders. Er sagt, der Kater sei böse, und es mache ihm Spaß, zu töten.
Überhaupt scheint eine Feindschaft zwischen dem Unsichtbaren und der Katze zu bestehen. Aber die Tochter meint, dass sich das Problem bald lösen wird, wenn ihr Freund ein Tor öffnen und seine Kumpels von der anderen Seite in diese Welt lassen kann...
Schade, aus dem Stoff hätte ein Roman werden können. Ein erschreckender Roman. Aber so wurde hier viel Potenzial verschenkt.
Karl-Georg Müller: „Ich schneide sie in Stücke!“
London zu einer Zeit, in der Gaslaternen die dunklen Gassen nur unzureichend erhellen. In einer Zeit, in der ein mordender Wahnsinniger Prostituierte über die Klinge springen läsest. Es handelt sich natürlich um Jack the Ripper ... und um einen adligen Glückspieler, der aus Zufall auf seine Spur geführt wird.
Ich weiß nicht, was ich von dieser Geschichte halten soll. An sich fasziniert mich das Thema Jack the Ripper sehr, aber der Gedanke ihn in einem Steampunk-Roman umhergehen zu sehen, gefällt mir gar nicht. Es klingt auch alles ziemlich konstruiert.
Aber ich bin sicher, es gibt eine Leserschaft für einen solchen Roman.
Das Buch wurde übrigens um Illustrationen von Mark Freier (den ich sehr schätze) herumgeschrieben. Tolle Bilder, und alles in allem eine Handvoll guter Geschichten. Ich glaube zwar nicht, dass einem Leser alle Geschichten gefallen werden, dazu sind sie einfach zu unterschiedlich, aber ein, zwei Highlights werden für jeden wohl dabei sein.
Ein bisschen Schade finde ich, dass die Anthologie um Übersetzungen erweitert wurde (auch wenn 2 von 3 mir ausgesprochen gut gefallen haben), denn es widerspricht doch ein wenig der Grundidee. Ich erinnere mich da an eine Reihe im Heyne Verlag (Die vier Bücher des Horrors nahmen sich jeweils einem Schwerpunkt / einer Epoche der Horrorliteratur an), das könnte ich mir auch gut für deutsche Geschichten vorstellen.
Auf jeden Fall sollte man die Reihe Scream im Auge behalten:
Harald A. Weissen: Begegnung mit Skinner
Alisha Bionda & Michael Krug (Hrsg.): Painstation
Karl-Georg Müller: Stählerne Seelen
Barbara Büchner: Die Weihnachtsbraut
Oliver Kern: Chocolat Rouge (März 2012)