Titel: The Secret World (1.Betatest-Wochenende Mai 2012) Eine Besprechung / Rezension von Gloria H. Manderfeld
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Es ist Nacht, und Du schläfst entspannt im eigenen Bett, träumst sogar. Im Traum verhangen, kannst Du die golden leuchtende Biene nicht sehen, die sich durch Deine Wohnung bewegt, kannst ihr Summen nicht hören, als sie über Dir kreist.
Und erst, als sie durch Deinen im Schlaf halb geöffneten Mund in Dein Inneres schlüpft, nimmst Du wahr, dass sich etwas ändert – goldenes Licht breitet sich in Dir aus, und eine Erkenntnis, dass nichts mehr so ist, wie es war.
Deine Augen öffnen sich dem Undenkbaren, erblicken die vor wenigen Tagen noch so normal wirkende Welt und sehen die Schrecken dahinter – und Du realisierst die Tatsache, dass Du plötzlich Kräfte Dein eigen nennst, die Du nicht kontrollieren kannst.
Das kostet Deine Einrichtung und einige Tage der Übung – bis plötzlich eine Frau vor Deiner Tür steht, die Dir von einem auf der Welt tobenden Kampf erzählt, und auch davon, dass sie von einem geheimen Orden stammt, den Templern, und dass diese Dir ein Angebot machen, das Du im Grunde nicht ablehnen kannst.
Mit einem Infobrief in der Hand reist Du nach London, um mehr zu erfahren – über Dein Schicksal, diese seltsamen Kräfte und der bevorstehenden, ultimativen Auseinandersetzung auf der Welt, die nicht mehr so ist, wie Du sie seit Deiner Geburt kennst...
Beleuchtung, Baustil und Hintergrundsounds lassen angenehm beklemmende Stimmung aufkommen
So beginnt die Geschichte des Spielercharakters auf der Seite des Templer-Ordens, den man zum ersten Beta-Testwochenende von 'The Secret World' ausprobieren durfte. Die Hintergrundgeschichte des neuen Funcom-MMOs ist schnell umrissen:
Drei untereinander seit Jahrhunderten verfeindete Geheimgesellschaften (die Illuminaten mit zentralem Wirken in den USA, die Templer in Europa und die Drachen im asiatischen Raum) kämpfen in der Gegenwart gegen allerlei mystisches Gezücht, das aus noch unbekannten Gründen versucht, die Menschheit auszurotten.
Von der Zombieplage über Wesenheiten aus altägyptischen Sagen bis hin zu Verschwörungstheorien ist alles mit dabei, das sich nicht erklären lässt, aber doch immer wieder die Phantasie der Menschen beflügelt. 'The Secret World' spielt mit dem Gedanken 'was wäre, wenn all die Geschichten wahr wären' – und zieht den Spieler in ein riesiges Puzzle aus Informationen, die man nur dann vollständig zusammensetzen kann, wenn man Charaktere aus allen Fraktionen gespielt hat.
Blick über die Schulter: Hier steht der Charakter an einem wichtigen Ort der Stadt Kingsmouth und hat noch viel zu tun.
Das Spielfenster ist klassisch aufgebaut – gerade Spieler, die andere MMOs kennen, dürften sich hier schnell zurecht finden. Menu-Übersicht oben links, Minimap oben rechts, darunter die Anzeige der aktuellen Quest, das Chatfenster unten links und die Fähigkeitenübersicht unten mittig ist der Standardaufbau, allerdings lassen sich fast alle Elemente auch nach persönlicher Vorliebe verschieben.
Hat man eine Quest angenommen, wird sowohl auf der Map wie auch im Spiel selbst angezeigt, wohin man gehen muss. Zielmarker im Spielscreen zeigen die aktuelle Entfernung des Charakters zum Zielort und die Richtung des Zielorts an. Gerade bei Quests mit mehreren Zielorten (beispielsweise auf der Suche nach vermissten Personen, die in der Stadt verstreut aufzufinden sind) hilft diese Mechanik dabei, die Übersicht zu behalten.
Nur nicht den Überblick verlieren: Auf dieser Karte darf der Spieler selbst Eintragungen vornehmen
Auch die Bereichskarte bietet sinnvollen Überblick: Neben den Haupt-Questgebern sind auch die Wiederbelebungspunkte und die Questmarker der aktiven Quest aufzufinden, daneben darf man als Spieler auch eigene Wegmarken eintragen. Das wird vor allem dann sehr praktisch, wenn man sich einen interessanten Ort für einen späteren Zeitpunkt für einen eingehenderen Besuch markieren möchte. Auf dem vorliegenden Bild sind verschiedene Orte extra eingetragen (Postwagen, Reinigungskraft, etc.), an denen sich in der Welt auffindbare Quests befinden – auch eine Besonderheit des Spiels.
Wer die Umgebung erkundet, kann nicht nur Hintergrundinfo-Punkte finden, die dem Spieler mehr Informationen zum jeweiligen Setting geben, sondern auch über frei verfügbare Questpunkte stolpern. Sei es ein verlassener Postwagen, in dem noch zuzustellende Pakete herumliegen, sei es ein Buch mit Vodoo-Zaubern, die der Spieler ausprobieren kann, oder die Leiche einer Reinigungskraft, die auf ihrem Handy eine sehr interessante SMS erhalten hat – wer gerne entdeckt, kommt hier auf seine Kosten.
Wer sich die Finger schmutzig macht, kann Interessantes erleben - diese Quest endet mit einer nassen Überraschung!
Dabei können diese Quests recht kurios ablaufen – die Beispielquest zeigt Kartons mit verdorbenem Tintenfisch, die von der Laderampe eines Trucks gefallen sind. Irgendwer hat sich daran zu schaffen gemacht, und wenn man herausfinden will, wer das war, muss man an einigen Häusern vorbei der Spur an leer gefressenen Kartons folgen, um schließlich an der Küste einem quallenartigen, glitschigen Seemonster gegenüber zu stehen, das sich gar nicht freut, bei seinem Fresschen gestört zu werden.
Aber auch das Rätsellösen und investigative Erforschen kommt bei 'The Secret World' nicht zu kurz – wer nicht weiß, dass der Komponist der 'Vier Jahreszeiten' Vivaldi heißt, steht vor einem Problem, wenn er versucht, an die Patientenakten eines Psychaters zu kommen. Dabei bleiben die Rätsel fair – wer sich umschaut und etwas um die Ecke denkt, kommt früher oder später auf die Lösung.
Auch das oft strapazierte Questmodell 'töte 10 Monster der Sorte X' wird benutzt, wird aber durch abwechslungsreich gewählte Zusatzaufgaben bei Questreihen nicht überstrapaziert. Generell kam während der Spielzeit keine Langeweile auf, trotz der zum Teil sehr langen Laufwege blieb immer der Wunsch zurück, weiter in die Geheimnisse des Örtchens Kingsmouth vorzustoßen.
Zombies, einmal frisch gegrillt: Die Elementarmagie-Fähigkeit 'Blitz' im praktischen Einsatz
Das malerische Küstenstädtchen Kingsmouth, New England, hat wirklich ein Problem: Düsterer Nebel liegt auf dem Örtchen, und die Einwohner wurden zu rastlosen, fleischgierigen Untoten gemacht – doch nicht genug, die wenigen Überlebenden haben mit Ressourcenknappheit und dem Problem zu kämpfen, dass sie nicht wissen, warum dies alles passiert ist.
Die Aufgabe des Spielercharakters als Templer-Anfänger ist es also, dem Grund der Geschehnisse nachzuspüren, und dabei die Lage der Einwohner und dort festsitzenden Touristen erträglicher zu machen. Je mehr man erfährt, desto deutlicher manifestiert sich der Horror hinter allem – sind die ersten Gegner noch einfache Zombies, muss man schon bald gegen rastlose Meerwesen, ertrunkene Seeleute und unheimliche Wassermagier antreten. Wer hier ungeschützt durch die Welt rennt, erkennt bald seine Grenzen und muss die eigenen Fähigkeiten verbessern, um gegen die Monster eine Chance zu haben.
Die Qual der Wahl: Im Fähigkeitenrad muss der Spieler entscheiden, wohinein Punkte investiert werden sollen
Hier setzt 'The Secret World' ganz auf barrierefreies Verteilen der im Kampf erworbenen Anima-Punkte: Bei der Wahl zwischen Nahkampf-, Fernkampf- und Magiefähigkeiten darf man in jeweils drei Hauptbäumen und zwei Unterbäumen pro Hauptbaum Punkte verteilen – je mehr Punkte eine Fähigkeit kostet, desto effizienter lässt sie sich einsetzen.
Was man wählt, ist allein dem Spieler überlassen – die Spielmechanik lässt jedoch nur sieben aktive Fähigkeiten zu, die aus jedem Baum stammen können, ebenso benötigen diese Fähigkeiten eine angelegte Waffe, die zum Baum passt (wer im Nahkampf Klingenwaffen gewählt hat, muss also auch eine solche am Charakter angelegt haben).
Auch bei passiven Fähigkeiten darf man nach eigenem Gusto sieben aussuchen, welche meistens aktive Fähigkeiten verbessern oder den gewählten Baum selbst unterstützen. Im Spieletest hat sich beispielsweise gezeigt, dass ein Elementarmagier (der erste gewählte Baum) gegen Nahkampfgegner irgendwann keine Chance mehr hat.
Kein Problem, nach einigen in den Blutmagiebaum investierten Punkten kamen Selbstheilungsfähigkeiten dazu, welche die Standfestigkeit des Elementarmagiers deutlich erhöhten. Dies erfordert aber auch eine Spielweise, bei der man ein wenig ausprobieren muss, um die eigene Idealskillung zu finden – und den Mut, etwas Neues auszuprobieren.
Sehr schlank - Charakterstats und Ausrüstung kommen ohne die gebräuchliche Paperdoll daher
Die Charakterausrüstungsübersicht ist recht überschaubar – zwei Waffenslots, sechs Körperausrüstungsslots und ein Kopfausrüstungsslot zeigen das aktuelle Set, neue im Inventar vorhandene Gegenstände werden automatisch vom Spiel mit den angelegten verglichen und dem Spieler angezeigt, ob sich Werte verbessern.
Das Inventar bietet zudem eine Besonderheit – anstatt mühevoll Beutel kaufen zu müssen, welche die Inventarslotmenge erweitern, kann man völlig frei zusätzliche Beutel erstellen. Wer schnellen Zugriff auf Gegenstände wie Heiltränke haben möchte, kann sich diese auch als Extrafenster dauerhaft anzeigen lassen kann.
Ein Besuch beim örtlichen Medium - hier kann man mehr über die Hintergründe des Grauens erfahren...
Natürlich lässt sich über ein Spiel, das sich noch im Betatest befindet, nicht abschließend urteilen – dies ist auch nicht Sinn und Zweck dieses Artikels. Für ein Wochenende lang konnte ein Eindruck gewonnen werden, der interessante Ansätze zeigt. Gerade die storylastigen und abwechslungsreichen Quests machen vieles besser als derzeit auf dem Markt befindliche MMOs, da der Langeweile- und Abnutzungsfaktor durch die sehr unterschiedlichen Aufgaben gering gehalten wird. Auch das innovative, klassenfreie Baumtalentsystem, das sich der Spielweise und den Vorlieben des Spielers jederzeit neu anpassen lässt, lädt zum Ausprobieren und Spielen sehr unterschiedlicher Charaktere ein.
Allerdings bietet das Setting im mythologischen und horrorlastigen Bereich auch das Problem einer gewissen Abnutzung – wenn man zehn Stunden lang Zombies geschlachtet hat, ist vom ursprünglichen Gruselfaktor nicht mehr viel übrig. Wie gestaltet sich das erst, wenn man einmal 120 oder mehr Spielstunden investiert hat? Wird der Horror dann mit immer mehr Blut weitergeführt, um noch einen deutlicheren Kick zu verschaffen?
Das örtliche Sherriff-Büro von Kingsmouth - und die letzte Bastion der Einwohner gegen die Zombies
Auch das eher schwammige Kampfsystem wirkt noch unausgereift, Effekte, die man geskillt hat, sieht man oft nicht in wirksamer Anwendung, und gerade zu Beginn muss man sich erst an Vielzahl der Skillmöglichkeiten gewöhnen. Da man auch die Schnelligkeit der Kamerabewegung noch nicht verändern kann, wird der Rundumblick zu einem gedämpft wirkenden Zustand, bei dem man sich gerade bei angreifenden Gegnermengen oftmals bessere Übersicht wünschen würde.
Das Aggromanagement der feindlichen Mobs war im Testgebiet Kingsmouth ebenfalls kaum vorhersehbar. deutlich unterlegene Gegner attakierten den Spielercharakter mit einer enervierenden Vehemenz, die das Durchqueren der Stadt eher nervtötend denn spannend gestalteten. Eine Schnellreisefunktion, die einem ermöglicht, von einer Ecke der Karte zum anderen zu gelangen, ohne den wirklich weiten Landweg nehmen zu müssen, wäre ebenfalls eine sinnvolle, frustreduzierende und damit wünschenswerte Mechanik für die Zukunft.
Dass derzeit noch nicht alle Quests eingedeutscht wurden, sorgt an einigen Stellen für Verwirrung, da die Monster in der Spielumgebung bereits deutsche Namen tragen. Auch die Vertonung der Hauptquests ist ansprechend gelungen und gehört inzwischen schon fast zum Branchenstandard neuerer MMOs. Es wäre allerdings auch schön gewesen, hätte die Vollvertonung bereits im Templer-Startgebiet in London funktioniert und nicht erst in Kingsmouth. Leider ist auch das Crafting bisher eher unübersichtlich und wenig intuitiv gestaltet – hier sind eine eindeutigere Hilfeseite oder aber eine Quest, bei der dem Spieler gezeigt wird, wo man Ressourcen erhält und wie man sie verarbeitet, dringend nötig.
Insgesamt zeigt 'The Secret World' wirklich gute und interessante Ansätze – doch diese hatten auch Vorgängertitel von Funcom wie 'Anarchy Online' und 'Age of Conan'. Baden gegangen sind jedoch beide Games dank mangelnder Entwicklersorgfalt und fehlendem Endgamecontent außer hirnlosem Dauertöten der immer gleichen Monstergegner. So bleibt nur zu hoffen, dass Funcom aus den Fehlern der Vergangenheit gelernt hat und es dieses Mal besser macht – fictionfantasy.de bleibt dran und berichtet auch von den weiteren Betatestwochenenden!