Serie: Der Planwagen des Thespis, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Christian Rossi, Jg. 1954, gehört zu den gestandenen Autoren und Künstlern der frankobelgischen Comic-Szene. Obwohl er seine ersten Arbeiten schon im Jahr 1973 veröffentlichte, dauerte es weitere acht Jahre, bis der Schüler Jijès mit „Le chariot de Thespis“ seine erste eigene Alben-Serie auf den Markt brachte, zu einem Zeitpunkt also, an dem mit „Jerry Spring“, „Blueberry“ oder „Comanche“ das Western-Genre im Comic schon definiert war.
Wir schreiben das Jahr 1864; der Amerikanische Sezessionskrieg hat seinen Höhepunkt überschritten und die Konföderation steht mit dem Rücken zur Wand. Eines Tages tauchen auf einem Südstaatenanwesen Captain McSavage und seine Männer auf, um den sechzehnjährigen Sohn der Familie für die Konföderierten zu rekrutieren. Doch der Junge - Drustan - denkt gar nicht daran, als Kanonenfutter in einen aussichtslosen Kampf zu ziehen und widersetzt sich dem Ansinnen des Soldaten und den patriotischen Tönen seines Vaters. Die Lage eskaliert, als der Haussklave, Methusalem, den Captain gezwungenermaßen tötet und nun zusammen mit dem jungen Master fliehen muss. Kurz nachdem die beiden den Mississippi überquert haben, geraten sie an einen Trupp Yankees, die Drustan für einen Sklavenhändler halten und trotz der Einrede Methusalem internieren, während der Schwarze selbst entscheidet, der Armee der Union beizutreten.
Im Lager lernt Drustan den älteren, undurchsichtigen, weltmännischen Schauspieler, Scharlatan und Lebenskünstler Hermes kennen, welcher mit Wortwitz scheinbar ohne Angst und selbstbewusst den Wärtern Paroli bietet. Er überredet den Jungen, der noch immer nicht recht begreifen kann, wie er in diese Situation gekommen ist, mit ihm zusammen zu fliehen. Kurz darauf befinden sich die beiden im alten Planwagen des Mannes auf dem Weg durch die Reihen der Yankees. Zunächst läuft dank des Improvisationstalents Hermes' und seines Kleidungsfundus auch alles relativ glatt, bis sie in ein Städtchen kommen, dessen Bevölkerung nur noch aus Frauen und mehr oder weniger Versehrten besteht, da alle kampffähigen Männer entweder gefallen sind oder sich noch im Krieg befinden. Die kleine Stadt soll laut Aussage eines ebenfalls gerade angekommenen Fremden das Ziel der plündernden Bande Muerte Kids sein, eines skrupellosen, brutalen Banditen. Bevor sich Hermes und Drustan aus dem Staub machen können, werden sie von dem fremden Mann nachdrücklich aufgefordert, bei der Verteidigung der Stadt den Frauen hilfreich zur Seite zu stehen. Bei ihrer Ehre gepackt, müssen die beiden Flüchtlinge nun beweisen, dass sie mehr als nur Sprücheklopfer sind.
Der Sezessionskrieg und der abolitionistische Hintergrund im Allgemeinen sind spätestens seit Charliers/Girauds „Blueberry“ (dt. bei Ehapa) oder François Bourgeons „Les Passagers du vent“ (dt. bei Splitter), welche auch international auf ein breites positives Echo stießen, für das deutsche Comic-Publikum keine unbekannte Größe mehr, so dass Christian Rossis Story auf den ersten Blick und gerade auch eingedenk der Tatsache, dass Drustan und Mike Donovan eine ähnliche „Sozialisation“ haben, nicht sonderlich originell daherkommt.
Doch dieser Eindruck täuscht, denn mit Hermes hat Rossi eine Figur geschaffen, die mit den typischen Comic-Westernhelden - Blueberry, Jerry Spring, Red Dust u.v.a.m. - wenig gemein hat, ist er doch nicht der straighte, einfache Held, sondern vielmehr ein gebildetes, charmantes Schlitzohr, ein Trickster, der Konflikte eher mit Worten löst oder durch Flucht vermeidet, anstatt sie mit Fäusten und Revolver auszutragen. Die Story selbst folgt dieser Figurenzeichnung insofern, als der grundsätzlich ernste, kriegerische Hintergrund zuweilen mit satirischem Augenzwinkern und leicht bösem Humor kommentiert wird, Rossi also dem durch Brutalität geprägten Hintergrund die Härte nimmt, statt diese - wie bspw. im Italo-Western üblich - auf die Spitze zu treiben.
Künstlerisch überzeugt das Album vor allem durch einen leichten, vergleichsweise feinen Duktus, dem zwar das Ungestüme, das Dynamische eines Hermanns oder Girauds fehlt, der aber dennoch nicht zuletzt auf Grund der genretypisch zurückhaltenden Koloration - wenige, erdige Töne, keine bunten Eye-Catcher - eine fesselnde Western-Stimmung generiert.
Fazit: Der ungewöhnliche Hauptprotagonist sowie das stimmige Artwork machen diesen ersten Band der Reihe zu einer Empfehlung für jeden Western-Freund.