Serie: ~ Eine Besprechung / Rezension von Rainer Innreiter |
An dieser Stelle sei mir eine ernsthafte philosophische Frage erlaubt: Wozu schaut man sich eigentlich Filme an? Um die Zeit bis zum eigenen Exitus totzuschlagen? Weil man unbedingt mit ansehen möchte, wie man von den meisten Produzenten verarscht wird? Damit man hernach eine ordentliche Kritik vom Leder ziehen kann? Um die notleidende amerikanische Filmindustrie auf möglichst noble Art zu subventionieren?
Und wie ist das bei Remakes: Seid ihr der Meinung, Schwarz-Weiß-Filme seien grundsätzlich Mist und bedürfen farblich und technische aufgepeppter "Nachbesserung? Oder wollt ihr nur das erbärmliche Scheitern eines Regisseurs mitverfolgen? In diesen beiden Fällen seid ihr mit dem Remake von Kursivan Psycho bestens bedient - im wahrsten Sinne des Wortes bedient...
Der Inhalt dürfte jedem bekannt sein, aber man weiß ja nie: Die junge Marion (Anne Heche) arbeitet in einem Immobilienunternehmen. Als ihr von einem stinkreichen Kunden 400.000 Dollar anvertraut werden die sie bei der Bank deponieren soll, flüchtet sie mit dem Geld, in der Hoffnung, mit ihrem Freund Sam Loomis (Viggo Mortensen) damit ein neues Leben anfangen zu können.
Zu ihrem eigenen Pech übernachtet sie während der langen Fahrt zu ihrem Freund in "Bate's Motel", wo der Besitzer Norman Bates (Vince Vaughn) mit seiner Mutter wohnt. Der Rest ist Geschichte und Grund dafür, weshalb viele Frauen beim Duschen die Türe versperren...
Was soll ich noch groß herumreden: Das Original stammt von 1960, wurde von Alfred Hitchcock in Szene gesetzt und bot mit Anthony Perkins einen Norman Bates auf, dessen Performance bis heute unübertroffen ist. Kursivan Psycho war ein Meisterwerk, das damals enorm schockierend war und noch heute vortrefflich zu unterhalten weiß.
Die Neuverfilmung ist einfach überflüssig, einfallslos, abgeschmackt, dämlich, kurzum, scheiße! Sie funktioniert nicht mal ansatzweise und ist der wohl unnötigste Hollywood-Film der letzten Jahre.
Zwar wurden viele Szenen tatsächlich 1:1 nachgefilmt und sind vom Original nur durch den Farbeinsatz (und natürlich andere Schauspieler) zu unterscheiden, aber das ist schon das einzige positive an diesem Film - und zeigt, wie abgrundtief mies dieser Streifen ist, denn in allen anderen Belangen versagt er völlig, und zwar erbärmlichst.
Natürlich kann man sich über den Sinn von Remakes streiten, aber in einigen Fällen sind diese meiner Meinung nach sogar gelungener als das Original. Spontan fiele mir Body Snatchers ein, welcher 1979 das Remake eines 50er Jahre-Klassikers darstellte und mit einer eigenen Interpretation des Sujets glänzte.
Und Kursivan Psycho ? Ungläubig staunend verfolgt man mit, wie ein Film, der die USA Ende des 20. Jahrhunderts als Schauplatz hat, den Plot eines dreißig Jahre alten Filmes exakt wiederspiegelt! Und das ist in einigen Szenen einfach nur noch lächerlich. So besitzt niemand in diesem Film ein Handy und selbst ein Privatdetektiv muss eine Telefonzelle benützen, weil dies eben auch im Originalfilm der Fall war - aber erfordert nicht gerade ein solcher Beruf ein Handy? Oder auch nur ein Autotelefon? Selbst das Immobilienbüro scheint dem Standard vergangener Jahrzehnte verhaftet: Nirgends ein Computer! Hätte man auch das Remake in SW gefilmt, man könnte es für einen uralten Film halten.
Geändert wurde - wir wollen ja ein möglichst großes Publikum ansprechen und die Story auch dem Dümmsten verkaufen können! - abstruserweise der psychologische Background der Geschichte, also genau das, was Hitchcocks Film zum Spannungsmeilenstein machte. 1960 wurde Marion noch von heftigen Gewissensbissen gequält, nachdem sie mit dem Geld abgehauen ist - 1998 sorgt sich Marion nur noch darum, ob sie geschnappt wird.
Himmelschreiend auch, wie gezwungen bemüht ein sexueller Aspekt in die Story eingeflochten wurde: Damals wie später beobachtete der psychisch gestörte Norman die hübsche Marion durch ein Guckloch beim Ausziehen. 1960 plagen ihn darob Gewissensbisse, was darauf zurückzuführen ist, dass er weiß, mit seinen lüsternen Blicken seiner Mutter Schande bereitet zu haben.
Und 1998? Da genügt es natürlich nicht, sich mit ein paar netten anatomischen Einblicken zu begnügen, nein, da muss unser Norman natürlich ganz lässig sich einen runterholen, weil sonst könnte ja jemand auf die Idee kommen, dass es ihm nicht nur um den Lustgewinn an sich geht!
Und falls jetzt noch jemand daran zweifelt, dass Norman ein sexuell verklemmter Typ ist, bitteschön!, dem wird dies unübersehbar klar, wenn in seinem Zimmer Herrenzeitschriften aufgefunden werden. Sind wir tatsächlich so zahnlos geworden, dass man uns alles vorkauen muss?
Völlig daneben ist die Verkörperung des Norman Bates selber: Anthony Perkins wusste diesen so darzustellen, dass man anfangs nur Sympathie mit dem unsicheren, schüchternen, von seiner Mutter unterdrückten jungen Mann hegen kann. Und selbst später, als das Ausmaß seiner "psychischen Störungen" klar wird, erscheint er keineswegs als Monster. Für Perkins selbst war die Rolle Segen und Fluch zugleich, erlangte er zwar ewigen Ruhm damit, konnte andererseits jedoch nie wieder an diesen Erfolg anknüpfen, da ihm die Rolle wie eine zweite Haut anhaftete.
Vince Vaughn hingegen lässt von Anfang an keinen Zweifel daran, dass er erstens ein schlechter Schauspieler ist, der zweitens mit der Rolle heillos überfordert ist und drittens ganz offensichtlich den Originalfilm nicht gesehen hat. Seine "Darstellung" ist eine lustlos gespielte "Huhu, ich bin ein Psychopath und kann geistesabwesend dreinblicken"-Performance erbärmlichster Natur.
Ein Robert de Niro hätte die Rolle vielleicht halbwegs gut spielen können, aber selbst dieser Titan der Schauspielkunst hätte sich schwer getan, an Perkins auch nur im entferntesten heranzukommen. Vaughn hingegen dürfte von Anfang an bewusst gewesen sein, dass er nur verlieren konnte und ging auf Nummer Sicher, indem er gleich von Beginn an den Psycho raushängen ließ. Aber gut, vielleicht täusche ich mich und van Sant hat ihm das Rollenkostüm zugeschneidert und keine Chance auf Profilierung gelassen.
Wozu schwadroniere ich eigentlich so lange über einen Film, den ich ich zu den schlechtesten zähle, die ich jemals erdulden musste? Vielleicht, weil ich endlich mal wieder ungehemmt vom Leder ziehen und das erbärmliche Scheitern eines Regisseurs mitverfolgen konnte.