Serie / Zyklus: Schattenreich - pulp magazine Besprechung / Rezension von Ulrich Blode |
Der Bastei Verlag ist durch seine phantastischen Heftromanserien bekannt, die vom Horror über die Fantasy bis hin zur Science Fiction reichen. Die neueste Serie ist Schattenreich - pulp magazine. Die Zielgruppe beschreibt die Pressemitteilung wie folgt: "Das Schattenreich pulp magazine bietet fantastische Kurzromane, düster-romantische Gedichte, Szene-Tipps und Underground-Reportagen aus Medusas Reich für die Schattengemende."
Vor dem offiziellen Serienstart hat Bastei eine Nullnummer herausgegeben, die drei Geschichten der Autoren Werner K. Giesa, Linda Budinger und Charlotte Engmann enthält.
Werner K. Giesa, Späte Rache
nimmt Dan Callaghan an seinem Mörder. Aus der Perspektive des Scotland Yard-Inspectors Rhett Davis wird die Geschichte erzählt. Eines Abends sieht Davis eine geisterhafte Gestalt und im Laufe verschiedener Ermittlungen kommt es erneut zu Begegnungen. Wie kann der als tot vermutete drogensüchtige Callaghan noch am Leben sein? Erst als Davis den Dieb John Jones inhaftiert, ergibt sich ein klares Bild. Jones hat Callaghan, der auspacken wollte, im Auftrag des Drogenhändlers O'Boom ermordet. Der Geist Callaghans erscheint ein letztes Mal und tötet Jones in seiner Zelle.
Giesa erzählt die Geschichte unterhaltsam. Spannung kommt relativ selten auf, da hilft auch nicht die Benutzung der Gegenwart als Erzählform. Und zu distanziert berichtet Davis über seine Erlebnisse. Der Scotland Yard-Beamte Davis bleibt zu sehr Beobachter, obwohl er durchaus in die rätselhaften Phänomene eingebunden wird. Hilfreich wäre es gewesen, sich in der Erzählung auf die Aktion der Rache zu konzentrieren, vielleicht aus der Sicht des unsympathischen Diebes John Jones. Es ist eine ordentlich erzählte Geschichte.
Linda Budinger, Der Kessel der Cerridwen
wird in einem keltischen Grab gefunden. In der Nacht nimmt der Ausgrabungshelfer Stefan ihn an sich, ohne die wahre Herkunft zu kennen. Er möchte die Urne weiterverkaufen und erhofft sich einen kleinen, illegalen, Nebenverdienst. Doch es kommt alles anders. Stefan gerät mitten in das Ende einer uralten Geschichte, in der der lebensspendene Kessel von Gwion einst geklaut wurde und jetzt von dem walisischen Totengott Arawn geholt wird. Eine unheimliche Nacht mit einem Totengott, Kelpies und einer Todessfee, die für Stefan keine Folgen hat. Er kommt ungeschoren davon.
Der Kessel der Cerridwen ist überaus nett dargestellt. Schön wäre es gewesen, die einzelnen Figuren durch ihre Handlungen besser darzustellen. Ebenso wie in der ersten Geschichte fehlt hier an manchen die Konzentration auf das Wesentliche. So taucht ein schwarzes Pferd auf oder eine Todesfee, die Banshee. Das sind einerseits wesentliche Elemente der genannten Anderswelt, zu der der Kessel gehört. Andererseits ist die entfaltete Wirkung eher gering. Linda Budingers Geschichte ist vom Stil angesichts der darzustellenden Unheimlichkeit angemessen. Der Episodencharakter tritt stark hervor, ist doch praktisch nichts geschehen. Arawn nimmt Gwion und den Kessel mit in die Anderswelt. Stefan kommt mit einem Schrecken davon.
Charlotte Engmann, Oh, du lieber Augustin
Ist das Lied einer Spieluhr. Diese soll dem Vampir Lukas gestohlen werden. Die junge Diebin ist gezwungen die Uhr zu stehlen, weil ein alter Rivale des Vampirs ihre Schwester gefangen hält. Lukas verspricht dem Mädchen ihre Schwester zu befreien. Im Austausch gegen ein mächtiges Schwert und der Schwester will Lukas seinem Kontrahenten Waidinger, ein Nekromant, die Spielmusik übergeben. In der Spieluhr eingeschlossen ist ein gefährlicher Dämon, der die Pest verbreitet. Lukas, der von der Gefährlichkeit des Spielzeugs nicht wusste, wird schwer verletzt und bevor er sich erholen kann, verschwindet Waidinger. Der Vampir will ihm folgen, bevor die Welt untergeht.
Engelmanns Geschichte ist die am geschicktesten erzählten. Vermutlich hängt das damit zusammen, dass ihr mehr Raum zur Verfügung steht. Ein zweiter Teil folgt nämlich im nächsten Heft. Interessant ist, dass sie ein differenziertes Bild des bösen Vampirs zeichnet, der "gute" Taten vollbringen will. Schwachpunkt ist die dargestellte Geschichte einer alten Feindschaft, weil es im Rahmen einer Kurzgeschichte oder Erzählung nicht möglich ist dieser eine zufriedenstellende Tiefe zu geben.
Insgesamt ist ein positives Fazit zu den ersten Schattenreich-Geschichten zu ziehen. Keine ist schlecht. Und für langweilige Stunden sind die Texte durchaus geeignet. Was fehlt sind stilistische und inhaltliche Verbesserungen, um mehr als befriedigende, bestenfalls gute, Unterhaltung zu erzielen.
Als Ergänzung ist im Heft ein Magazinteil enthalten, der sich auf die "schwarze Szene" oder "Gothics" bezieht. Die Redakteurin Medusa schreibt zu Schattenreich - pulp magazine: "Und da nehmen wir uns den Begriff 'Underground' tatsächlich mal so vor, wie es mir am liebsten ist: m Sinne von (Kurz-) Geschichten, die uns von seltsamen Begebenheiten erzählen, die vielleicht nicht ganz von dieser Welt sind."
Ein Bericht zu einer Schattenreich-Party, CD-Tipps und ein Band-Porträt schließen sich an. Der Redakteur Morpheus nimmt sich der Leserreaktionen an und bringt vorab Stimmen, wie man Fan verschiedener Richtungen geworden ist. Beispielsweise kommt Chris Pohl von der Berliner Formation Blutengel zu Wort. Während die Geschichten sich für ein größeres Publikum eignen, richtet sich der Magazinteil an eine eng begrenzte Zielgruppe. Ob das ausreicht eine genügende Käuferschicht zu gewinnen, bleibt abzuwarten. Schließlich gibt es vermutlich längst bessere Informationswege über die Gothic-Szene, als knappe Informationen in einem Romanheft.
Schattenreich - pulp Magazine hat einen befriedigenden Start hingelegt. Die literarische Qualität ist angemessen, hat aber noch genügend Spielraum nach oben hin.