Serie: Preacher, Band 3 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Für einen Kerl wie Jesse Custer ist Freundschaft mehr als nur ein Wort. Ehrensache, dass er seinen Freund Cass, welcher dem fanatischen Mr. Starr und dessen "Gralshütern" in die Hände fiel, nicht hängen lassen kann. Also unterbrechen der Reverend und Tulip vorläufig ihre Suche nach Gott, um in der Alten Welt Starr und seinen Handlangern zu zeigen, wer die Macht des Wortes besitzt.
Während sich die beiden Retter ihrem Freund Meile um Meile nähern, muss Cassidy Grauenhaftes über sich ergehen lassen: Ein sadistischer Killer tastet sich in Starrs Auftrag mit viel Sinn für schmerzhafte Details und schlechte Sprüche an die Grenzen der relativen Unsterblichkeit des Gefangenen heran.
Doch der Mann mit der Glatze und dem weißen Anzug hat ebenfalls Probleme: nicht nur, dass er neuerdings darauf steht, von Frauen mit einem Dildo penetriert zu werden, sondern auch der Allvater D’Aronique - fleischgewordene Obszönität und Oberhaupt des Ordens - will beseitigt sein. Ärgerlicherweise ist D’Aronique jedoch so intelligent wie fett, sodass es Starrs ganzer Raffinesse bedarf, den Führer final "abzusetzen". Dass Custer in seinem Plan eine tragende Rolle spielt, enthüllt sich erst, als der Reverend in die Festung des Feindes eingedrungen ist.
Doch hier läuft alles aus dem Ruder: D’Aronique durchschaut Starrs Plan und zwingt ihn und Custer zu einem Kampf auf Leben und Tod, der Heilige der Killer steht plötzlich in der Tür, während unten im Keller Cassidy nach und nach seine Gliedmaßen abgeschossen werden.
Normalerweise enthalte ich mich einer Kritik an den Übersetzern, da ich mir der Probleme bei einer Lokalisierung durchaus bewusst bin. Diesmal jedoch muss es raus!
Hey, Leute, auf den Konsum welch geistiger Getränke ist der Titel "Sie kamen nach Masada" zurückzuführen?
Natürlich weckt der Name "Masada" religiöse Assoziationen - jedenfalls sollte er das tun - und selbstverständlich ist der Titel insofern "passend", als Preacher auch von Religion, Gott, Engeln und ähnlichem metaphysischen Firlefanz handelt. Den Kern dieses Tradepaperbacks jedoch spiegelt der deutsche Titel nicht im Ansatz wider, denn die Storys gehen weit über das religiöse Moment hinaus. Sie stellen - wie schon in Band 1 und 2 - eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit dem Way of Life jener "Proud Americans" - so der Originaltitel - dar, die zwar Wasser predigen, aber Wein in sich hineinschütten.
Mit Akkuratesse und Sinn fürs Boshafte seziert Dillon die Seele einer Nation, die einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Historie, ihrer kulturellen Ideale und Werte - u.a. Ficken, Saufen, Spielen, Töten (Glenn Fabrys Cover-Bild bringt es auf den Punkt) - nicht nur hinter einer verquasten Religiosität, sondern auch einem verklärenden Nationalstolz verbirgt.
Diese Bloßstellung, die hier insbesondere in jenen Episoden eine zentrale Rolle spielt, die den Leser in die Vergangenheit führen - John Custers Vietnam-Erlebnisse und Cassidys irische Wurzeln -, ist allerdings nur ein (kleiner) Teil dessen, was den Spaß an "Preacher" ausmacht. In erster Linie lebt die Serie auf der Erzählebene nach wie vor von den völlig durchgeknallten Charakteren, von Sadismus, Obszönitäten, beißendem Humor und einer sarkastisch, oft auch zynisch vorgetragenen Ablehnung weltlicher oder göttlicher Autoritäten.
Über Steve Dillons Artwork habe ich mich an anderer Stelle schon hinreichend ausgelassen, sodass ich es, um Wiederholungen zu vermeiden, lediglich mit einem Wort subsumieren will: WOW!!!!!!! (Nee, Kinners! WOW soll hier nicht für "World of Warcraft" stehen)
Fazit: dichte, gemeine und brutale Storys voller skurriler Figuren und Details; grandios visualisiert von Steve Dillon.
Der Anfang vom Ende - Frank Drehmels Rezension zu Band 1
Blut ist dicker - Frank Drehmels Rezension zu Band 2