Serie: Das Reich von Sienn, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Nachdem der quasi-unsterbliche Oger Frozen durch fiese Runen-Magie niedergestreckt wurde, bedarf er nicht nur der Hilfe seiner verhassten Freundin, der Halbelfe Laam, sondern auch ein Arzt sollte besser einen Blick auf den Letzten seiner Art werfen. In der paradiesischen Höhle der Heiler finden die beiden das gesuchte medizinische Know-how, wobei erst ein kleines Säckchen Gold das Räderwerk des magischen Gesundheitsbetriebes zum Laufen bringt.
Nach zwei kleinen, mehr oder weniger blutigen Zusammenstößen mit der - oder einer - echten, badenden Göttin sowie Laams Bruder Argond, der seine Schwester für verrückt erklärt, bricht die junge Diebin zusammen mit dem äußerst aufgeräumten, mittlerweile genesenen Gefährten auf, um endlich jenen sagenhaften Schatz zu finden, dessen Lageplan im Gehirn des Ogers Laam-sicher abgelegt ist. Was die beiden nicht ahnen: Der übellaunige Zwerg, König Sadwin, sowie die elfische, einarmige Hure Absynthe sind ihnen auf den Fersen und bringen durch Magie, List und Grausamkeit zunächst ein Militärlager in ihre Gewalt und danach Laam und Frozen.
Sadwin beginnt, die Halbelfe zu foltern, um ihr das Geheimnis des Schatzes zu entreißen; es gelingt ihm jedoch nicht, die junge Frau auch nur ansatzweise zu brechen; im Gegenteil: Laam kann den Zwerg überwältigen, doch bevor sie ihm den Garaus machen kann, greifen Drachen das Lager an und ehe man sich's versieht, sind die alten Bündnisse hinfällig und die vier Widersacher finden sich plötzlich jeweils an der Seite eines anderen Kampfgefährten wieder.
Wie schon der erste Band überzeugt „Ein Hauch von Absynthe“ ebenfalls durch eine dichte, questorientierte, actionreiche Handlung, in der viel an vielen Orten geschieht, wobei das Abenteuer in sich schlüssig und stringent inszeniert ist. Ein großes Plus des Comics sind zudem die viereinhalb coolen, starken Haupt-Protagonisten, die sich allesamt als mehr oder weniger große Anti-Helden respektive Schurken herausstellen, denen man als Leser zum jetzigen Zeitpunkt nicht wirklich den Questerfolg - das Erringen des unbeschriebenen Schatzes - wünscht. Insbesondere König Sadwin erweist sich nicht länger als begnadeter, rücksichtsloser Kämpfer, den man zwar nicht unbedingt sympathisch findet, dessen Motiven man aber dennoch ein gewisses Verständnis entgegenbringt, sondern wird zunehmend von bloßem Sadismus und Zerstörungswut getrieben. Laam wiederum ist zwar ebenfalls skrupellos und mörderisch, legt aber berechnenderweise Wert auf ein positives Output-Input-Verhältnis, darauf also, dass am Ende der Untat etwas für sie rauspringt, und ist insofern der Typ „Karrierist“, der über Leichen geht, wenn es sich pekuniär lohnt. Frozen hingegen ist ein verzweifelter Sinn-Sucher in einem Leben, einer Existenz, die für ihn als Letztem seiner Art den Sinn längst verloren hat. Bleibt noch die einarmige Absynthe: Sie ist ein magisches, mächtiges Mysterium, von dem eine latente Bedrohung auszugehen scheint, dessen Motive und moralische Grenzen zwar noch unbekannt sind, das aber immerhin Leid und Mitleid zu fühlen in der Lage ist.
Im Artwork setzt sich die unaufgeregte, zwischen expliziter Gewalt und kleinen, humorvoll-kuriosen Details spielende Leichtigkeit des Vorgängerbandes fort, sodass man - je nach persönlichem Geschmack - die Seiten sowohl unbeschwert überfliegen kann als auch zum visuellen Verweilen eingeladen wird.
Fazit: coole 'Helden', eine dichte und spannende Story, ein leichtes, stimmiges Artwork. Was will man mehr?