Serie: Silbermond über Providence, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Nach den bestialischen Morden in der kleinen, in New Hampshire gelegenen Ortschaft Providence macht sich ein Lynch-Mob unter Führung Dixon Deadwoods auf die Menschenjagd nach dem indianischen Schmied der Stadt - Ironcloud -, den man für den Urheber des Übels hält, das über die Menschen hereingebrochen ist. Während der Rest der Rotte mehr oder weniger im Dunkeln tappt, ist es lediglich der Sheriff des Ortes, James Stuart, der eine Ahnung davon hat, wo sich sein ehemaliger Freund aufhalten könnte. Alleine macht er sich auf zum Unterschlupf des Flüchtigen, wird jedoch von Ironcloud überwältigt und gefesselt.
Mit der Warnung auf den Lippen, Stuart möge die Hütte unter keinen Umständen verlassen, egal, was er draußen höre, verschwindet der Schmied in die Nacht. Kurz darauf hört Stuart die Ankunft einer kleinen Schar von Jägern, dann Schüsse und dann nichts mehr. Als er endlich von Larkin, einem Schöngeist und Poeten, befreit wird, bietet sich den beiden Männern ein Anblick des Grauens: Die zerfetzten Körper ehemaliger Dorfbewohner liegen verstreut in der Gegend; Deadwood ist allerdings nicht dabei, denn der hat sich zusammen mit zwei Getreuen vorher abgesetzt, um die im Wald verschwundene Cathy Gatling (vgl. Band 1: Kinder des Abgrundes) zu suchen. Als die drei Männer die junge bewusstlose Frau finden, sind jedoch die mordenden Bestien nicht weit und Deadwood gelingt nur mit Mühe, die junge Frau zurück in die Stadt zu schaffen.
Allmählich kommt Licht in die Finsternis, die Providence umfangen hält. Alte indianische Götter, wahnsinnige, mordlüsterne Gemeindemitglieder und der alte Orden der Tempelritter geben sich in der kleinen, unscheinbaren Stadt ein Stelldichein, das nur in einer blutigen Katastrophe enden kann.
Entwickelte sich die Story des ersten Bandes noch relativ gemächlich - wenngleich dennoch außerordentlich intensiv -, da sie in erster Linie der Einführung der Charaktere und dem Ausbreiten des Hintergrundes diente, so entfesselt Eric Herenguel in „Wiedergeburt“ einen wahren Orkan an furioser, packender und mitreißender Action, verknüpft die Elemente des Westerns, des Horror- und des Mystery-Films zu einem faszinierenden, spannenden Bilderteppich, der zwar ruhige Momente aufweist, die jedoch nur dazu dienen, den Leser auf den nächsten Schrecken, die nächste unglaubliche Entdeckung vorzubereiten. Dass dabei selbst oft bemühte Topoi wie bspw. die Tempelritter alles andere als abgeschmackt wirken müssen, ist eine der erstaunlichsten Erkenntnisse, die der Leser aus diesem Album zieht. Eine weitere ist, dass es Comics gibt, die einem Film in Bezug auf Dynamik und Intensität in nichts nachstehen. Sowohl in der Entwicklung der Story als auch im Artwork ist „Silbermond über Providence“ Papier gewordenes Kino.
Die stimmungsvolle, leichte Koloration, die nahezu perfekt nicht nur mit Licht und Schatten spielt, sondern die unterschiedlichen Atmosphären auf den Punkt bringt, die dynamischen Seitenlayouts, die Schnitte und vielschichtigen Perspektiven sowie die hinsichtlich Physiognomie und Pose brillant in Szene gesetzten Charaktere stellen zusammen mit Anthony Jeans künstlerischer Arbeit an der Serie „Das Einhorn“ und Virginie Augustins „Alim der Gerber“ (dt. beide ebenfalls bei Splitter) das Beste dar, mit dem das europäische phantastische Comic zur Zeit aufwarten kann.
Fazit: Ein intensives, hochspannendes und grandios visualisiertes Album, das einem Mystery-Western-Film so nahe kommt, wie es einem Comic nur möglich ist. Ein Album, das jegliche Aufmerksamkeit mehr als verdient hat. Absolut brillant.