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Reihe: Band 1 Eine Rezension von Judith Gor (Weitere Rezensionen von Judith Gor findet ihr hier auf fictionfantasy oder auf ihrer Website www.literatopia.de) |
Emil chillt lieber in der Stadt und füttert Tauben, statt sich seinem Studium zu widmen. Seit sein ehemals bester Freund intelligenzsteigernde Medikamente nimmt, ist er nicht mehr derselbe und Emil will sich nicht von „Drogen“ an das System anpassen lassen. Doch die studentischen Aufseher finden und betäuben ihn. In seiner Bewusstlosigkeit erscheint ihm ein unheimliches Wesen mit Maske, das ihn dazu auffordert, den Unterkiefer zu finden. Als Emil aus diesem Alptraum erwacht, ist seine Schwester bei ihm und legt ihm wieder einmal nahe, sich endlich zu benehmen. Doch Emil denkt nicht daran, Beruhigungsmittel zu schlucken und sich der verkorksten Gesellschaft unterzuordnen …
Für die meisten ist Emil ein aggressiver und schwieriger junger Erwachsener, den man nur mit gefühlsunterdrückenden und leistungssteigernden Mitteln wie Cerebropax in den Griff bekommen kann. Sein Vater und seine Schwester schätzen jedoch seine unverblümte Art, auch wenn sie sich Sorgen machen, dass das System Emil mit Gewalt in den vorgegebenen Rahmen zwingen wird. Auch ein Professor glaubt an den rebellischen jungen Mann, der sein Potential nicht ausschöpft, allerdings verzweifelt der Dozent über dem Pessimismus seines Studenten. Für Emil ist die Gesellschaft krank und die Menschheit dem Untergang geweiht. Zu dieser depressiven Grundeinstellung gesellen sich die Alpträume: Er sieht wieder den gruseligen Maskenmann, der nach dem Unterkiefer verlangt, wird Zeuge eines Mordes und plötzlich selbst zum Mörder. Als Emil auch noch gigantische Insekten sieht, die keiner wahrzunehmen scheint, zweifelt er an seinem Verstand. Oder stimmt etwas mit der ach so heilen Welt nicht?
Seit die Meere große Teile der Erde überspült haben, sind die Ressourcen knapp geworden. Gegessen wird vegetarisch und ausgerechnet Wasser ist verdammt teuer. Um die Menschen auf begrenztem Raum friedlich zu halten, werden sie überwacht und mit verschiedenen Medikamenten ruhig gestellt. Ein Rebell wie Emil passt in eine solche Gesellschaft nicht hinein, wobei sich die Frage stellt, warum er eigentlich nicht einfach angepasst wird. Schließlich erscheint die Überwachung allgegenwertig und der Konsum von Pharmazeutika geradezu verpflichtend. Allerdings hat Emil ungeahnte Unterstützung im Hintergrund. Zudem scheint seine ganze Familie in einen mystischen Kampf verwickelt zu sein, in dem es um mysteriöse Schädel und deren unermessliche Energie geht. Denn mit dieser Energie könnten die Menschen ihren Planeten verlassen und aufbrechen in eine neue, blühende Welt. Von einem Kampf zwischen Wissenschaft und Glauben, wie im Klappentext angekündigt, merkt man dabei noch nichts. Allerdings gibt der erste Band auch noch nicht viel von den Gegnern preis.
Zum dystopischen Setting gesellen sich Fantasy- und Horrorelemente, die eine ziemlich wilde und spannende Mischung ergeben. Die Geschichte um die Skull Party ist extrem originell, doch im Detail noch unausgereift. Beispielsweise werden wichtige Zusammenhänge relativ spät und dann auch noch ausgerechnet vom Gegenspieler erklärt, der sich mitten im Kampf irritierend redselig zeigt. Auch wundert man sich etwas über die Essgewohnheiten in der Zukunft, in der scheinbar massenweise Algen konsumiert werden und auf tierische Nahrung verzichtet wird, da Viehhaltung zu viele Ressourcen verschwenden würde – was ist aber mit dem Meer und den vielen Tieren, die darin leben? Über solch kleine Ungereimtheiten kann man im Anbetracht der originellen Story jedoch mit einem Schmunzeln hinwegsehen. Die Altersempfehlung ab 16 Jahren ist wegen der Horrorelemente, den brutalen Kämpfen am Ende und einer recht rüden Sexszene (bei der man allerdings nicht viel sieht) angemessen. Hinzu kommt die recht rüpelhafte Ausdrucksweise des Protagonisten, wobei sein häufiges „bekackt“ unfreiwillig komisch klingt – zu Emil passt dieses „shit“-Synonym allerdings gut.
Auch zeichnerisch gibt sich Skull Party originell: Die Optik erinnert an 50er Jahre Rockabilly mit Gothic-Einflüssen, was sich unter anderem in Emils üppiger Haarpracht spiegelt. Die Zeichnungen sehen sehr professionell und individuell aus, wobei Figuren und Hintergründe gleichermaßen gelungen sind. Insbesondere die phantastischen Elemente sind klasse gezeichnet und schüren kräftig Stimmung. Ein kleines Manko gibt es allerdings: Manchmal wirken die Gesichtsausdrücke unpassend, vor allem wenn die Charaktere sich erschrecken oder verärgert sind – denn dabei wirken sie oftmals eher amüsiert oder fröhlich. Verglichen mit anderen deutschen Produktionen gehört Skull Party sicherlich zu den besten Manga – und je nach Entwicklung der Reihe könnte sich diese Story an die Spitze der deutschen Mangalandschaft manövrieren.
Fazit
Skull Party ist ein origineller Mix aus Dystopie, Fantasy und Horror, der sich neben der actiongeladenen Story überraschend ernsthaft mit dem Klimawandel auseinandersetzt. Emil ist ein rebellischer Protagonist, pessimistisch bis aufs Blut und trotzdem menschlicher als die ruhiggestellten Menschen um ihn herum. Melanie Schober hat einen spannenden und vielversprechenden Auftakt hingelegt, der im Detail noch etwas holpert, aber auf eine wilde und außergewöhnliche Reihe hoffen lässt. 4 von 5 Punkten.