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Titel: Die Stadt am Ende der Zeit Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Greg Bears Roman kreist um das Thema Zeit. Das Thema ist nicht neu, wird diesmal aber neu und interessant variiert. Die Stadt am Ende der Zeit ist eine gelungene Endzeitsaga, gleichzeitig auch eine Reise von der Gegenwart zum Ende der Zeit. Die Schicksale weniger junger Helden aus der Gegenwart werden mit dem Ende einer fernen Zukunft meisterhaft verknüpft. Beginnend in der Gegenwart, führt der Weg der Erzählung bis Kalpa, in die letzte Stadt der Menschheit. Dabei ist der Anfang im Seattle der Gegenwart eher ruhig bis langweilig, wenn sich die Wege dreier Wesenheiten oder Menschen zufällig kreuzen. Hier treffen sie aufeinander, sind bereits ein Leben lang auf der Flucht vor einer unbekannten Gefahr, die aber dezent im Hintergrund verharrt. Ginny, Jack und Daniel besitzen ein halbedelsteinähnliches Gebilde, das als Integralläufer bezeichnet wird. Wenn die drei Probleme mit ihren Körpern haben, dann suchen sie sich einfach neue. Diese außergewöhnliche Gabe sorgt dafür, dass mit der Zeit andere auf sie aufmerksam werden, und zwar ein unsterblicher, aus dem achtzehnten Jahrhundert stammender Mensch, der gleichfalls in der Lage ist, zwischen den Dimensionen und Zeiten hin und her zu pendeln.
Ginny wird zu einem abgeschiedenen Lagerhaus geleitet, in dem ein exzentrischer Bibliothekar haust. Sein Reich besteht aus mehr als dreihunderttausend, zum Teil äußerst seltenen Büchern. Bidewell, so der Name des Exzentrikers, sucht in den Büchern auf Hinweise zu nicht näher beschriebenen Vorkommnissen, die logisch nicht erklärbar sind.
Jack ist eine Art Freigeist, der sich in keine Schublade zwängen lässt. Er lebt auf der Strasse und jongliert mit lebenden Ratten.
Daniel kennt sich mit Parallelwelten aus und ist in der Lage, die Grenzen zwischen ihnen zu überwinden. Er ist auf der Suche nach einem ganz besonderen Buch. Dieses scheint so wichtig zu sein, dass er sogar dazu übergeht, einen anderen Menschen zu übernehmen.
Als jedoch eine stürmische Zeitfront aus Vergangenheit und Zukunft auf Seattle zukommt, bedürfen die jungen Menschen selbst der Hilfe - und die kann nur der geheimnisvolle Bibliothekar Bidewell bieten.
Den Hintergrund zu Daniels Suche bietet der Umstand, dass seit Jahrhunderten in den unterschiedlichsten Texten eine Frage auftaucht. Träumen sie von einer Stadt am Ende der Zeit? - Und diese Stadt trägt den Namen Kalpa.
Jahrmilliarden sind vergangen. Die Menschen und andere, ebenfalls intelligente Lebensformen der Galaxis besiedelten Welten und gründeten Inseln des Lebens in den unterschiedlichsten Sternensystemen. Das Weltall gilt längst als erforscht, doch nutzt das niemandem. Die Intelligenzwesen haben sich entwickelt und verändert, aber die unvermeidliche Entropie der Galaxis können sie nicht aufhalten. Die letzten Menschen suchten wieder ihre Wurzeln und damit die Erde. Auf der Erde gibt es nur noch eine bewohnte Enklave, die Stadt Kalpa. Tiadba und Jebrassy sind zwei junge Bewohner dieser Enklave und ähneln den frühen Menschen. Sie sind zurückgezüchtet. Da sie sich von den anderen Menschen unterscheiden, fühlen sie sich unter anderem wegen ihres Außenseiterdaseins zueinander hingezogen.
Die Stadt am Ende der Zeit ist ein faszinierendes Leseerlebnis. Greg Bear ist ein Meister der Science Fiction, ein Mann, der in der Lage ist, die Science so zu verändern, dass sie zur Fiction wird. Ein intellektueller Autor, den ich gern in die Reihe mit Robert Heinlein, Isaac Asimov und Frank Herbert stelle. Jeder der genannten Autoren ist für sich ein Meister der wissenschaftlichen Zukunftserzählung. Jeder von ihnen benutzt die Technologie, um sie seinen Bedürfnissen anzupassen. Greg Bear steht in dieser Tradition, wobei er seine Handlungsträger absichtlich etwas oberflächlich darstellt. Der Schmöker hat mit seinen 861 Seiten ein paar Längen, wo ich die Spannung vermisste. Dies glich sich jedoch mit dem Gedankenfeuerwerk aus, das Greg Bear vor meinen Augen explodieren ließ und mich auf viele Ideen zu eigenen Geschichten brachte. In kurzen Kapiteln springt er in verschiedenen Zeitebenen von Person zu Person. Der Leser hat manchmal Mühe, den Ereignissen zu folgen. Erst gegen Mitte des Romans bringt Bear etwas Licht ins Dunkel seiner Handlung. Die Idee, Dinge Wirklichkeit werden zu lassen, wenn es einen intelligenten Beobachter gibt, ist gar nicht so abwegig. So wird bei Bear aus der Idee erst die Wirklichkeit geboren und wir sind bei der Bibel, dem Standardwerk der Science Fiction. Am Anfang stand das Wort. Der Roman hat mich viel Zeit gekostet. Nicht im negativen Sinn, dass sie vertan gewesen wäre. Nein, Zeit, die ich mir gern nahm, um ein Buch zu lesen, welches meine volle Aufmerksamkeit benötigte. Und diese Zeit wollte ich ihm gerne geben.
Die Stadt am Ende der Zeit - die Rezension von Rupert Schwarz