Titel: Störfall in Reaktor 1 Eine Besprechung / Rezension von Jürgen Eglseer |
Lukas und seine beiden Freunde Jannik und Alex planen einen gewagten Lausbubenstreich. Eines Nachts schleichen sie sich in das Rathaus des Dorfes und lösen Strahlenalarm aus. Während die Sirene aufheult, beobachten die drei Heranwachsenden Tumult im nahegelegenen Kernkraftwerk. LKW-Kolonnen nähern sich dem Gelände - wie hat man auf ihren vermeintlichen Alarm so schnell reagieren können?
Am nächsten Tag schimpfen die Verantwortlichen über den gemeingefährlichen Streich - jedoch sehen das offenbar nicht alle Beteiligten als "Streich", denn vor Lukas Haus tauchen plötzlich zwei Typen auf, die seltsame Fragen stellen und wissen wollen, wie sie denn vom Störfall erfahren haben? Die drei Jungen sind verwirrt. Hat es im Kernkraftwerk einen realen Unfall gegeben? Lukas ist besonders sensibilisiert, da seine kleine Schwester an fortgeschrittener Leukämie leidet. Er vermutet das Kernkraftwerk als Ursache für das Leiden seiner Schwester, jedoch wiegeln alle Erwachsenen ab, da das Kraftwerk Brotgeber für die meisten Familien in der Umgebung ist. Man verweist auf regelmäßige Überprüfungen und Messungen, die einen problemlosen Betrieb bescheinigen.
Als Lukas sich wieder mit seiner Ex-Freundin, Hannah, versöhnt, bietet diese interne Daten aus dem Kraftwerk an. Sie bekommt entsprechenden Datenzugang, da ihr Vater eine leitende Position im Atomkraftwerk inne hat. Das, was Lukas und seine Freunde aufgrund dieser Daten nun erfahren, lässt sie sprachlos zurück - und zugleich beginnt eine Hatz auf die Freunde, denn die Betreiber des Kraftwerkes lassen sich nicht gerne in die Karten schauen...
Aufgrund des Eindruckes der Katastrophe in Fukushima, konzipierte Wolfram Hänel diesen Jugend-Thriller rund um das Thema Atomkraft und deren Risiken. Was mir persönlich in diesem Roman fehlt, ist eine eindeutigere Fokusierung auf das Problem des Kraftwerkes und der von ihm ausgehenden Gefahr. Stattdessen steht mehr oder weniger der Konflikt zwischen den vier Jugendlichen und der Kraftwerksleitung im Vordergrund. Daten werden gestohlen, gelöscht, es wird eingebrochen oder verfolgt - die wilde Jagd nach der Wahrheit drängt das eigentliche, wichtige Thema in den Hintergrund. Lediglich der immer wiederkehrende Verweis auf Lukas Schwester, deren Krankheit als Ergebnis einer langfristigen, minderen Strahlenbelastung herhalten muss, lässt nicht in Vergessenheit geraten, worum es hier eigentlich geht.
"Störfall in Reaktor 1" versucht das heikle Thema Atromkraft jugendgerecht zu vermitteln. Den Protagonisten stört die Scheuklappenmentalität der Erwachsenen, sie versuchen selbst aktiv zu werden. Dem Leser wird die Gefährdung der Bevölkerung durch die Atomkraft schonend beigebracht, die Vertuschungskriminalität der Kraftwerksleitung wirkt hingegen stark überzogen.
Als Einstieg in eine kritische Literatur mit diesem Thema kann das Buch durchaus funktionieren, wer allerdings einen eindrucksvolleren und stilistisch ausgefeilteren Jugendroman sucht, sollte zu einem Klassiker greifen, der immer noch brandaktuell ist: "Die Wolke" von Gudrun Pausewang.