Serie: Storm, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Was für den Raumpiloten Storm als einfacher Auftrag beginnt - die Erforschung des Großen Roten Flecks auf Jupiter -, endet in einer Odyssee: Die titanischen Energien des gewaltigen Wirbelsturms schleudern Storm in eine ferne Zukunft.
Als er nach einem Jahr im Cryoschlaf schließlich die Erde erreicht, erkennt er seinen Heimatplaneten kaum wieder: Die Atmosphäre ist vergiftet, die Ozeane sind verschwunden und an ihren einstigen Gründen befinden sich nun Dschungel und Wüsten.
Dass es noch Menschen gibt, erfährt der Gestrandete schmerzhaft, als barbarisch gekleidete Männer ihn in ihre Gewalt bringen, um ihn in die Residenzstadt ihres Königs Ghast zu verschleppen. Der Herrscher hofft, von dem Fremden Informationen über die Welt jenseits der großen Mauer zu erhalten, die sein Reich durchzieht.
Da Storm das Gewünschte nicht liefern kann, lässt ihn Ghast kurzerhand ins Gefängnis werfen. Seine Zelle muss Storm sich mit einer rothaarigen Frau teilen, die in ihm zunächst einen Spion des Königs vermutet. Da Storm sie von seiner Aufrichtigkeit überzeugen kann, weiht ihn Rothaar in ihre geplante Flucht ein und lässt es zu, dass der Fremde sie schließlich begleitet.
Verfolgt von Ghast und seinen Schergen, entkommen die Flüchtlinge in die Tunnelsysteme unter der Stadt und finden schließlich ein Refugium, in dem uralte Technik von der katastrophenreichen Vergangenheit des Planeten kündet. Doch Ghast ist ihnen nach wie vor auf den Fersen und er will diese Technik, um zu herrschen.
Ist es gemeinhin üblich, ein Comic mit einem Autor zu assoziieren - Moores „Watchmen“, Ennis' „Preacher“, Gaimans „Sandman“ -, so gehört „Storm“ zu jenen Werken, bei denen der erste Gedanke dem Künstler gilt. Dieses belegt, welche herausragende Bedeutung Lawrences Arbeit für die neunte Kunst vor 30 Jahren noch hatte, in einer Zeit also, als sich Comics üblicherweise als ausgemalte Strichfiguren, gedruckt in blassen Farben auf aus heutiger Sicht minderwertigem Papier, darstellten.
Mittlerweile hat dank computergestützter Koloration und fortschrittlicherer Drucktechniken das allgemeine technisch-grafische Niveau - nicht zu verwechseln mit künstlerischer Originalität - einen Quantensprung gemacht. In Folge dessen hat Lawrences Kunst ihre exponierte Stellung eingebüßt bzw. muss sie mit deutlich mehr grafisch herausragenden, innovativen Werken teilen, als es noch 1978 der Fall war.
Nichtsdestotrotz ist das Artwork auch nach heutigen Maßstäben noch hinreißend. Zum einen liegt das am eigenwilligem, detailliertem Malstil des Künstlers, dem fast schon impressionistischen Farbauftrag, der durch feine, nebeneinander gesetzte Pinselstriche Figuren sowie Körpern Form bzw. Textur verleiht und die Flächen insgesamt mit Leben erfüllt.
Zum anderen sind es die markanten, ausdrucksstarken Gesichter fast aller Protagonisten sowie der Mut zur Farbigkeit allgemein und zu komplementär-farbigen Lichtreflexionen - grün oder blau im Kontrast zu rot, rosa oder orange - auf Kleidung und Haut im Besonderen, die Lawrences Stil unverwechselbar machen.
Bildinhaltlich ist "Storm" ganz ein Kind seiner Zeit, das heißt oftmals zeigt sich in den architektonischen und technischen Elementen eine anachronistische, heute überholte Auffassung von Modernität. Insofern sind die Geschichten, obgleich in der Zukunft angesiedelt, auch grafisch eher eine Reise in die eigene Vergangenheit, jedenfalls für jene Leser, die mit diesen Comics, die als Alben erstmalig beim Ehapa Verlag im Rahmen der Serie „Die großen Phantastic Comics“ Anfang der 80er des letzten Jahrhunderts erschienen, aufgewachsen sind.
Storytechnisch ist Storm sicher nicht mehr auf Höhe einer Zeit, in der das Bild des gebrochenen und des zerbrechlichen Helden - oder sogar des Antihelden - an Bedeutung gewonnen hat und testosteronumnebeltes Handeln sowie vordergründiger Machismo auf dem Altar politischer Korrektness einerseits und der Erkenntnis menschlicher Ambivalenz andererseits geopfert wurden.
Storm ist (noch) ganz der glatte, der hehre, strahlende, straighte Held, ein auf Überleben und Dominanz getrimmtes Alphamännchen, ein Macher, ein Kämpfer, der triviale Gegenentwurf zur damals aufkeimenden resignativen „No Future“-Generation in einer Zeit des Kalten Krieges, und damit ein Auslaufmodell; heute mehr denn je. Waren es nicht die Alpha-Männchen, die Karrieristen, die an jede Situation Angepassten, die uns in die aktuelle ökonomische Krise geritten haben?
Ein weitere Schwäche der Geschichte liegt in dem Mangel an originellen Ideen, d.h. zentrale Elemente wie der zeitreisende Raumfahrer, der Rückfall in eine zivilisatorische Barbarei etc. sind Genrekundigen hinlänglich bekannt.
Dass das Comic dennoch unterhaltsam ist, liegt zum einen an dem Pulp-Charme der Story, der für viele Leser wichtiger ist als Originalität und Plausibilität, sowie an dem einzigartigen, ausdrucksstarken Artwork Lawrences.
Die Aufmachung dieses Hardcoverbandes ist exzellent: Die hervorragende Druckqualität - brillante Farben, gestochen scharfe Bilder - sowie ein umfangreicher redaktioneller Teil, der neben Informationen über die Anfänge der Storm-Reihe zahlreiche Illustrationen - Skizzen und Bilder - bietet, sowie ein loser A4-Druck, lassen das Herz jedes Sammlers und Comic-Nostalgikers höher schlagen.
Fazit: einer der großen modernen Klassiker der Comic-Kunst, an dem Phantastik-Fans nicht vorbeikommen, auch wenn einige Anachronismen das Lesevergnügen etwas trüben.