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Titel: Tagebuch aus der Hölle Eine Besprechung / Rezension von Sebastian Hallmann |
Inhaltszusammenfassung:
Dieses ist ein Tagebuch. Ein Tagebuch eines ungenannten Autoren, der seinem Leben durch einen gezielten Schuss mit einer Schrotflinte ein Ende gesetzt hat. Wie wir nun alle wissen, ist Selbstmord eine Sünde, weswegen ihm der Weg in den Himmel verwehrt bleibt. Er muss sich also mit ewiger Qual, fiesen Dämonen und dem Wissen “leben”, dass es kein Entrinnen mehr aus seiner Situation gibt. Bei seinem Versuch, das Beste daraus zu machen und ein möglichst unbeschwertes Unleben zu haben, gerät er an die Dämonin Chara, die an einem Baum gekreuzigt wurde. Menschliche Werte zählen zwar eigentlich nicht mehr, doch im Autoren des Tagebuchs macht sich Mitleid breit und er befreit die Teufelin – nicht ahnend, was er damit auslösen wird.
Kritik:
Die Inhaltszusammenfassung und der Titel lassen es schon vermuten, es handelt sich beim “Tagebuch aus der Hölle” nicht um einen dieser Romane, die dicht an die Realität angelehnt sind, sondern tatsächlich den Bereich der Phantastik im klassischen Sinn bedienen. Für einen Horrorroman könnte es wohl auch kaum ein besseres Betätigungsfeld geben als eben die Hölle.
Manche Romane sind in der Lage zu fesseln. Und man kann wohl ruhigen Gewissens behaupten, dass Jeffrey Thomas’ “Tagebuch aus der Hölle” zweifelsfrei dazu zählt. Zwar würde ich an dieser Stelle nicht behaupten, dass es sich um einen Thriller im klassischen Sinn handelt, denn der Autor (was hier durchaus in Hinsicht auf den Protagonisten als auch auf Thomas angewandt werden kann) hält sich tatsächlich an das Prinzip eines Tagebuchs, was mitunter dazu führt, dass die Ereignisse etwas fragmentiert wirken. Dennoch ist eine dauerhafte Motivation weiterzulesen vorhanden, was wohl natürlich auf die reichlich vorhandene Grundspannung zurück zu führen ist. Meiner Meinung nach gibt es aber noch einen weiteren Grund hierfür: Es gelingt Thomas wunderbar, eine Hölle zu zeichnen, die fernab jeglicher bekannter Klischees existiert und dabei doch verdeutlicht, dass die hier “lebenden” Insassen in einer Welt existieren, die vor allem darauf ausgelegt ist, die Verdammten zu quälen. Die Unterwelt wird hier also zu etwas, wo nicht an jeder Ecke Feuer und Schwefel gespuckt werden, sondern zu einer mitunter sehr bizarren Parallelwelt, in der jeder, der nicht strikt nach der Bibel lebt, am Ende seiner Tage landet. Äußerst plastisch beschrieben und, soweit das bei der gegebenen Thematik überhaupt möglich ist, äußerst glaubwürdig. Der Autor scheut sich dabei auch nicht, reichlich Seitenhiebe auf die Weltanschauung religöser Fundamentalisten zu verteilen (man nehme nur das Beispiel, dass auch Autisten hier landen, weil sie nicht in der Lage sind, das Wort Gottes zu begreifen – also für ihre Krankheit bestraft werden). Er geht dabei sogar so weit, den Schöpfer selber als einen senilen, im Wachkoma liegenden Greis darzustellen. Und eben dieses abgefahrene, bizarre ist es, was den Leser auch Seite um Seite verschlingen lässt – man möchte unbedingt wissen, wie weit das “Tagebuch aus der Hölle” noch geht, welche Ideen Thomas noch auf den Tisch bringt. Mich hat das beinahe noch mehr gereizt weiterzulesen als die Geschichte selbst. Wo gibt es schließlich sonst schon Engel, die mich bei ihrem ersten Auftritt irgendwie fatal an die Mitglieder des Ku Klux Klans erinnert hätten?
Auch die Figuren selbst sind nicht unbedingt das, was man in einem typischen Roman über die Hölle zu finden erwartet. Zunächst einmal macht es zwar den Eindruck, dass es hier in erster Linie darum geht, den Protagonisten möglichst viele Grausamkeiten erdulden zu lassen, schnell zeigt sich jedoch auch, dass viel mehr dahinter steckt. So wandelt sich der Tagebuchschreiber im Lauf der Geschichte von einem Opfer seines früheren Lebens zu einem eigentlich recht normalen Menschen, was auch nur logisch ist, denn Jeffrey Thomas’ Hölle erweist sich im Lauf der Story immer mehr als eine “böse” Antwort auf unsere reale Welt. So gibt es tatsächlich Dörfer und Städte, in den die Wirtschaft floriert, man ist gezwungen zu arbeiten, um in der Hölle zu überleben, man ist gezwungen, sich an die dortigen Gegebenheiten anzupassen. Auch hier muss man wieder sagen, dass die von ihm erdachte Welt trotz all der bizarren Ideen an jedem Punkt nachvollziehbar ist – und das trifft letzten Endes auch auf die Charakterentwicklung zu.
Stilistisch kann ich mich über das “Tagebuch aus der Hölle” ebenfalls nicht beschweren. Der Autor schafft es, sehr dicht und packend zu schreiben, ohne dabei auf übermäßige Gewaltexzesse zu setzen. Natürlich, es gibt die eine oder andere deftige Einlage – was hinsichtlich der Handlung wohl auch unvermeidlich gewesen sein dürfte. Diese wirken jedoch nie selbstzweckhaft oder aufgesetzt, sondern passen gut in die Geschichte und den Kontext der jeweiligen Situation. Man gewinnt so also nicht den Eindruck, dass Thomas mit Gewaltspitzen etwas kaschieren wollen würde. Was eigentlich auch nicht nötig ist.
Fazit:
Das “Tagebuch aus der Hölle” ist nach “Red Sky” schon der zweite Volltreffer aus dem Hause Festa, den ich dieses Jahr in die Finger bekommen habe. Atmosphärisch unglaublich dicht, voller kreativer Ideen und dabei fernab jeglicher Klischees, welche sich bei diesem Titel schnell schon einmal vor dem geistigen Auge abspielen könnten. Rundum gelungen!
Bewertung: 9/10 Punkten