Regisseur: Neil Marshall |
Der Ruf des Horrorfilms ist seit jeher so miserabel wie die Qualität der meisten Vertreter dieses Genres. Wirklich gute oder gar herausragende Horrorstreifen sind dünner gesät als die Haarpracht Homer Simpsons. Mit „The Descent“ betritt ein Geheimtipp die Bühne, der zwar zu den besseren seines Fachs gezählt werden darf, jedoch keinen Grund für überschäumenden Jubel bietet.
Der Plot ist rasch erzählt: Sechs Frauen - mehr oder weniger befreundet - möchten ein kleines Abenteuer erleben und planen deshalb eine Höhlentour. Doch schon bald nach dem Abstieg (siehe Filmtitel) wird der kleine Nervenkitzel zum reinen Überlebenskampf: Nicht genug damit, dass eine der Frauen sie statt in ein bestens erforschtes in ein noch völliges Neuland darstellendes Höhlensystem und damit in Gefahr bringt, versperrt ein plötzlicher Felssturz den Rückweg.
Auf der Suche nach einem anderen Ausstieg zerren erst gruppeninterne Konflikte an den Nerven der unfreiwilligen Abenteuerinnen - und danach grausige Kreaturen an ihrem Fleisch
„The Descent“ lässt sich in zwei Hälften teilen: Etwa eine Stunde lang lässt sich der Film Zeit, die Protagonistinnen dem Zuschauer vorzustellen sowie ihren verhängnisvollen Abstecher in eine unerforschte Höhle zu zeigen. Diese eine Stunde ist erzähltechnisch sehr gut umgesetzt, ohne unnötige Längen, dämliche Dialoge oder völlig abstruse Plotwirrungen (wie in vielen Horrorfilmen der letzten Jahre).
Leider kann ausgerechnet das letzte Drittel des Films nicht überzeugen und schöpft das inneliegende Potenzial nicht einmal annähernd aus. Zum einen will einfach kein Gefühl der Klaustrophobie aufkommen, obwohl ein paar Menschen in einer Höhle eingeschlossen sind, deren labyrinthische Verzweigungen ihnen völlig unbekannt sind.
Zum anderen stellt das erstmalige Auftauchen eines nicht gerade menschenfreundlichen Höhlenbewohners kurzfristig zugegebenermaßen einen sehr effektiven Schockeffekt dar, der jedoch in weiterer Folge verpufft, da die Wesen von diesem Zeitpunkt an gehäuft auftreten und dabei nicht zu überzeugen wissen. Ihr Aussehen erinnert an ähnlich gelagerte Produktionen und zeugt von wenig Kreativität der Maskenbildner. Ein wenig mehr Mut beim Monster-Design wäre erfrischend gewesen.
Ebenso wenig originell stellt sich das Abgleiten eines anfangs intelligenten Films zur reinen Slasher-Orgie dar: Mal wird diese, mal jene Frau von den Höhlenwesen in die Mangel genommen. Dieses Schema kennt man aus unzähligen anderen Filmen und wird hier lediglich um eine nicht uninteressante Variante erweitert, die jedoch den schalen Nachgeschmack der reinen Zurschaustellung möglichst viel Kunstblutes nicht gänzlich aufzuheben weiß.
Unverständlich auch, warum die Enge, die bizarr anmutenden Gesteinsformationen und das Dunkel kaum im Sinne geschickt eingesetzten Thrills ausgelotet werden. Somit stellt „The Descent“ letztendlich nur die unterirdische Version des „Monster gegen Menschen“-Klischee-Films dar, anstatt neue Wege auszuleuchten, wie es die Protagonistinnen im Höhlensystem mit ihren Taschenlampen versuchen.
Fazit: „The Descent“ ist ein kleiner, feiner Horrorfilm, der in den ersten zwei Dritteln seiner Laufzeit Hoffnung auf einen spannenden, gruseligen Trip durch das unbekannte Dunkel macht, schlussendlich jedoch in einen fast x-beliebigen Plot umschlägt und somit leichte Enttäuschung hervorruft.
Definitiv einer der besseren Genre-Filme der letzten Jahre, ohne aber besonders zu glänzen oder gar neue Maßstäbe zu setzen, wie es der Fall hätte sein können.