Serie: The Mighty Thor |
In den 1980er entstanden wegweisende Comicwerke auf dem amerikanischen Comicmarkt. Bestes Beispiel hierfür waren Frank Millers „The Dark Knight Returns“ und Alan Moores & Dave Gibbons „Watchmen“. Diese Werke veränderten die Art und Weise, wie Superheldengeschichten erzählt wurden. Längst sind die Helden keine Strahlenden Figuren mehr, sondern sie stehen nun auch im Schatten, sind voller Fehler und nicht selten auch irrgeleitet. Und natürlich macht dies die Geschichten interessanter und facettenreicher. Es gab aber noch andere bemerkenswerte Comics auf dem US Markt und zu diesen gehört die Arbeit von Walter Simonson an der Reihe „The Mighty Thor“. Von Band 337 bis 382 erzählte er eine komplexe, eng verwobene Geschichte, die die Grenzen zwischen den Einzelausgaben aufweicht. Von Beginn an erzählt er in drei oder vier Handlungsebenen und manche Handlungsstränge entwickelten erst nach 10 oder mehr Ausgaben ihre Bedeutung offenbaren. Heute wie damals war das sicherlich eine mutige Vorgehensweise, denn Band 337 bis 354 von „The Mighty Thor“ erzählten eine zusammenhängende Geschichte. Zum Glück wurde Walter Simonsons Werk sofort angenommen und keiner musste die Notbremse ziehen. So konnte Simonson als Zeichner und Autor in Personalunion seine epische Geschichte erzählten, die ihresgleichen sucht.
Die Geschichte beginnt mit Surtur of Muspelheim. Der gigantische Feuerdämon Beginnt den langwierigen Prozess eine unglaubliche mächtige Klinge zu schmieden. Sein einziges Ziel ist es, sich an Odin zu rächen. Doch der Leser ahnt zunächst davon nichts, denn die dreiseitige Eröffnungssequenz enden mit den Worten „The sound of thunder reverberates throughout a billion billion worlds. DOOM!“
Simonson war dafür berühmt, Comicgeräusche über eine halbe Seite zu platzieren. Das DOOM, als Surtur den Schmiedehammer auf den Amboss schlagen lässt nimmt nicht weniger als ein dritte der Seite ein. Und dabei ist es – im Gegensatz zu den anderen Klängen doppeldeutig.
Nun beginnt die Geschichte mit Thor, der zu Nick Fury gerufen wird. Ein außerirdisches Schiff wurde gesichtet und Thor soll erkunden ob der Eindringling freundlich oder feindlich ist. Nach nur vier Seiten folgt der nächste Wechsel. Lady Sif, von Thor verschmäht, kommt nach Asgard um Balder nach Rat zu fragen, doch der einstige strahlende Krieger ist nur noch ein Schatten seiner selbst. Er gibt sich den Müßiggang, dem Alkohol und der Völlerei hin. Desillusioniert macht er ihr klar, dass sie von ihm keine Hilfe erwarten kann. Inzwischen hat Thor das Schiff erreicht. Es scheint als ob es verlassen sei, bis er ein Cyrokammer entdeckt, deren Insasse Thor plötzlich angreift. Wieder ein Wechsel nach Asgard: Loki beobachtet die verschlagene Lorelei und sieht in ihr die Ideale Waffe um Thor ins Verderben zu stürzen. Inzwischen ist es zum erbitterten Kampf zwischen dem Alien und Thor. Der Gott verliert mehr und mehr an Boden und am Ende wir Thor besiegt. Der Alien greift den Hammer und verfügt plötzlich über die Kräfte eines Gottes während Thor in seine schwachen menschlichen Form zurück bleibt. Dann Ruft Odin Thor nach Asgard und der eigentlich Gott muss mitansehen, wie der Außerirdische nach Asgard entschwindet.
Kaum zu glauben, dass man so viel Inhalt auf nur 23 Seiten Comic unterbringen kann. Dem Leser war sofort klar, dass er von Walter Simonson großartiges erwarten kann und er wurde auch nicht enttäuscht. Der Storyarc um Surtur endet mit Heft 354 mit dem Tode Surturs und Odins. Bis dahin entwickelt die Geschichte apokalyptische Züge und wenn von Ragnarök die Rede ist, dann glaubt man das auch. Die Geschichte erinnert in Zügen an die Thor Verfilmung, aber auch an The Avengers, denn die Götter von Asgard bekämpfen in New York eine Armee von Dämonen, während Loki versucht, die Macht in Asgard an sich zu reißen. Ich denke, diese Ähnlichkeit ist kein Zufall, denn Walter Simonson Arbeit an Thor ist inzwischen Legendär.
Nach diesem Klimax setzen sich die andere Storylines fort und auch neue Story Elemente finden Einzug. Der Alien vom Beginn, der den etwas dummen Namen Beta Ray Bill trägt, wird Thors Freund. Odin schmiedet ihm seinen eigenen Hammer und Thor sowie Sif stehen ihm bei seiner Mission bei. Sein Volk ist bedroht und seine Mission war es Unterstützung zu finden. Durchgängig versucht Loki Thor zu vernichten. Der unterhaltsamste Versuch war die Verwandlung des Donnergottes in einen Frosch. Eine wichtige Rolle in der Zeit, als Walter Simonson Thor textete (von 337 bis 382), nahm Balder ein. Der Krieger beschreitet einen Weg weg vom desillusionierten Krieger entwickelt er sich zum Führer Asgards. Die Miniserie „Balder the Brave“ - ebenfalls von Walter Simonson getexted - wurde in dieser Omnibusausgabe ebenfalls abgedruckt.
Nach dem Fall Suturs kann Walter Simonson nicht mehr ganz an die großartige Erzählkunst anknüpfen, aber es folgen noch einige sehr gute Geschichten. Ab Ausgabe 368 übernahm dann Sal Buscema den Job als Zeichner und Walter Simonson texte nur noch. Allerdings kann der Künstler nicht an die Klasse von Simonson heranreichen, dessen Zeichenstil die typische Art und Weise, wie in den 1980er Jahren Comics gezeichnet wurden, mitgeprägt hatte. Einmal noch wirkte Walter Simonson bei der Visualisierung mit. The Mighty Thor 380 beschreibt den Kampf von Thor gegen Jormungard, Lokis Sohn, einen gigantischen Klauenwurm. Dies Ausgabe ist ein Novum, denn die Panels sind alle eine ganze Seite, teilweise sogar eine Doppelseite groß und noch einmal wird nicht gegeizt mit Geräuschen quer über die Seite: „SKKREERASSSSHHH!“ oder „THHRROOOUAM!“.
Da bis in die 1990er Jahre amerikanische Comics in einer sehr schlechten Qualität gedruckt wurden mit einer Farbgebung, bei der man die Farbpunkte sogar zählen konnte, musste die Kolorierung vollständig überarbeitet werden. Das Ergebnis ist gut und sehenswert. Bewusst wurde darauf verzichtet, den aktuellen Standard zu erreichen, sondern es wurde sich an der Farbgebung der damaligen Zeit orientiert und so bekommt der Leser das passende Gesamtbild geboten. Die fast 1200 Seiten umfassende Omnibusausgabe aus dem Jahre 2011 lässt keine Wünsche übrig. Mit einem Hardcover Einband und einem leicht vergrößerten Abdruck auf dickem, hochwertigen Hochglanzpapier mit einer neuen Kolorierung hat der Leser das bestmögliche optische Ergebnis vor sich. Im Anhang finden sich eine Covergalerie, Konzept Skizzen und verschiedene ganzseitige Bilder. Das einzige, was die Ausgabe nicht ist, ist handlich. Das Buch ist 8 cm dick und wiegt bestimmt 5 kg. Im Ernstfall kann man es auch als Waffe benutzen.
In meiner Jugend habe ich die Veröffentlichungen dieser Geschichte in diversen Ausgaben beim Condor Verlag verfolgt. Teilweise erschienen Elemente im Spinne Magazin, teilweise in den Comic Taschenbüchern. Zumindest aber haben sie stets darauf hingewiesen, wo es weitergeht, aber das hat nicht verhindert, dass ich keine vollständige Ausgabe dieser großartigen Comics hatte. Außerdem wurden in den Taschenbüchern komplexe Sätze auf Ja und Nö reduziert, weil aufgrund der Verkleinerung kein Platz für mehr war. So war ich sehr erfreut, als ich diese Komplettausgabe entdeckte. Der Preis ist zwar hoch - ca. 85 € - aber dafür bekommt man auch sehr viel geboten – 48 Comics um genau zu sein.
10 von 10 Punkten.
Noch ein kleiner Nachtrag: Jüngst hat Walter Simonson wieder begonnen für Marvel Comics zu zeichnen und übernahm die Arbeit der Zeichners bei "The Mighty Avengers". Sein Stil hat sich weiterentwickelt, aber eher zum schlechtern. Seine Zeichnungen haben nicht mehr die Kraft von früher, der Strich ist nicht mehr so effektvoll gesetzt und die Helden sind nicht mehr so heroisch dargestellt. Kurzum: Er kann mich heute kaum mehr überzeugen. Sehr schade.