Titel: Unheimliches Wien |
Als Bram Stoker den Vampirjäger Van Helsing erschuf hatte er dabei Maria Theresias Hofarzt Gerard van Swieten als Vorbild erwählt und auch Draculas transsilvanische Heimat war Jahrhunderte Teil der Habsburgermonarchie. Nicht verwunderlich wenn im ländlichen Raum der Monarchie verbreitete Mythen um schmatzende Tote, Vampire und Geister auch in der Hauptstadt Einzug gehalten und die Jahrhunderte überdauert haben. "Unheimliches Wien" ist eine Reise zu den Stätten furchterregender oder zumindest unheimlicher Geschehnisse. Geführt wird man auf dieser Reise von der erfahrenen Reiseführerin Gabriele Lukacs, die schon mit ihrem Werk "Geheimnisvoller Da Vinci Code in Wien" Schauplätze entdeckt hat, die sich fast ideal für so manchen Mystery-Thriller eignen würden. Eingefangen wird Wiens unheimliche Seite erneut vom versierten Fotografen Robert Bouchal, dem es schon in "Geheimnisvoller Da Vinci Code" oder "Die Templer in Österreich" gelungen ist mit seinen Fotos eine sehr mystische Atmosphäre zu erzeugen. In "Unheimliches Wien" spannt Lukacs einen sehr weiten Bogen von Spukhäusern, über Untotengeschichten, modernen Urban Legends, bis zu Stätten unheimlicher Begebnisse und Museen mit entsprechenden Exponaten.
Den Beginn macht Lukacs mit einer Führung zu einigen der promintesten Spukhäusern Wiens, wie dem Palais Mollard-Clary und begibt sich auch auf die Spuren der "weißen Frau" Bertha von Rosenberg, die im Schottenkloster, Theresianum und sogar der Hofburg ihr Unwesen getrieben haben soll. Im Ratzenstadl in der Magdalenenstraße schließlich sind es aber nicht Gespenster und Poltergeister, sondern ein unerklärlicher Knochenfund der zu Spekulationen anregt. Die wohl blutigste Serienmörderin des alten Österreichs könnte indessen die angebliche Vampigräfin Erzsbet Nadásdy gewesen sein, welche 613 Mädchen entführt und ihr Blut gestohlen haben soll, um sich dadurch ewige Jugend zu erschaffen. Es kann natürlich auch dass die geborene Bárthory einer Intrige der Habsburger gegen ihre einflussreiche ungarische Magnatenfamilie zum Opfer gefallen ist. Eleonore Fürstin Schwarzenberg, eine geborene Lobkowitz, gilt schließlich als bekannteste Vampirin der Habsburgermonarchie. Durch ihre Porphyrie-Erkrankung war die Fürstin gezwungen ihre Lebensumstände einem Zyklus unterwerfen, indem sie tagsüber schlief und nachts wirklich lebte. Doch nicht nur ihr Verhalten gilt als Indiz dafür sie sei eine Vampirin gewesen, denn durch die Porphyrie dürfte sie sehr blass gewesen sein, während ihre Eckzähne durch Zahnfleischschwund vampirartig hervorgestochen haben könnten. Blutungen des Zahnfleischs erweckten zudem wohl den Eindruck sie hätte Blut gesaugt. Da die damaligen Ärzte zudem keine Hilfe bieten konnten suchte die Fürstin ihre Zuflucht im Okkultismus und holte sich Alchemisten, Wahrsager und Gelehrte an ihren Hof. Für Vampir-Fans sicher auch interessant ist in Wien zudem das Grab des "Vampirjägers" Gerhard van Swieten, Maria Theresias Leibarzt und Hofbibliothekar, der Zeit seines Lebens versuchte die weit verbreiten Vampirmythen wissenschaftlich zu entkräften und dadurch zum Vorbild für Bram Stokers Van Helsing wurde.
Doch Unheimliches muss nicht immer auch schon lange Vergangenes sein und so widmet sich Lukacs in Kapitel 3 Unheimlichen Begegnungen neuerer Zeit. Von UFOs über Wien, Men in Black die über Leichen gehen, bis zu deformierten Schädelfunden im Wiener Becken reicht dabei der von Lukacs gespannte Bogen. Alchemie in Wien, mit einer Darstellung unheimlicher Behandlungsmethoden und grausiger Heilmittel, nennt sich anschließend Kapitel 4 und führt wieder etwas weiter zurück in der Vergangenheit. Unheimliche Vorzeichen und Erscheinungen hingegen prägen Kapitel 5, wo neben dem Jausenengel vom Stephansdom auch das Marienwunder von Lainz (welches sich am 8. Mai 2010 ereignet haben soll) am Programm steht. Ein besonderer Abstecher im Rahmen dieses Kapitels ist der zum Wiener Gral, auf dem bei Dreharbeiten mit der Autorin am 29. Oktober 2009 (nachzulesen auch in "Geheimnisvoller Da Vinci Code in Wien) eine mysteriöse Inschrift entdeckt wurde, die jahrhundertelang unentdeckt geblieben war. Kapitel 6 hingegen beschäftigt sich mit legendären Flüchen, wie all jene die gegen die Habsburger ausgesprochen wurden und angeblich auch zum Aussterben der diversen Linien geführt haben.
Etwas das sich bei einem Wien-Reiseführer natürlich aufdrängt ist ein Besuch der "Unterwelt von Wien", worunter meist eine Fakeltour durch das Kanalnetz auf den Spuren Graham Grennes Dritten Mannes Harry Limes verstanden wird. Doch hier überrascht Lukacs, denn zunächst erkundet sie das Kellerlabyrinth unter dem Michaelerplatz und besucht anschließend die einstigen Opiumhöhle in der Habsburgergasse, erst dann wandelt sie auch auf den Spuren Harry Limes. Und es wird noch einmal sehr gruselig wenn Lukacs auf die urbane Legende der Kanalmenschen eingeht, die zum Teil auch dadurch mitgeprägt wurde weil in den größten Elendszeiten manche Habenichtse in Wiens Kanalsystem einen Unterschlupf suchten. Gruseliges im Museum behandelt das abschließende Kapitel 8, in welchem auf die im heeresgeschichtlichen Museum bewahrte blutdurchtränkte Uniform Erherzog Franz Ferdinands, sowie des Unglückswagens von Sarajevo verwiesen wird, wie auch die Exponate des Kriminalmuseums. Aber auch ein Besuch des Medizinhistorischen Museum oder des pathologisch-anatomischen Bundesmuseums im so genannten Narrenturm, der nun zum Museum umfunktionierten ältesten Irrenanstalt der Welt wo Mussbildungen in Spiritus zu bestaunen sind, stehen auf dem Programm, ehe die literarische Stadtrundführung durch das unheimliche Wien mit dem Aufsuchen des Wiener Bestattungsmuseums seinen Abschluss findet.
- Resümee -
Robert Bouchals Fotografien, wie sie schon in "Geheimnisvoller Da Vinci Code in Wien" oder "Die Templer in Österreich" zu bestaunen waren passen sogar noch umso besser in "Unheimliches Wien". Die Bilder wirken durch das Spiel mit den Lichtquellen und Schatten schon sehr unheimlich, einen Effekt den man noch umso mehr verstärken kann wenn man das Buch nachts oder idealerweise nach 24 Uhr zur Hand nimmt. Und Gabriele Lukacs hat es wieder einmal geschafft mit ihrem lockeren Stil Fakten mit amüsanten, kuriosen und unheimlichen Details zu verbinden, ohne dabei anbiedernd zu wirken.
Fazit:
Ein sehr gelungener Reiseführer zu den unheimlichen Seiten Wiens.