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Serie/Reihe: Valerian & Veronique - Band 6, 9, 10
Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Im bereits dritten Sammelband der beiden Raum-Zeit-Agenten Valerian und Veronique bekommt der Leser nun den Grund geboten, warum die Reihe so erfolgreich wurde. Spätestens hier etabliert sich die Reihe als Transporteur für herausragende Science-Fiction-Geschichten, die stets mit einer gelungenen Mischung aus Humor und Ernsthaftigkeit präsentiert wurden. In den drei vorliegenden Bänden, allesamt in der zweiten Hälfte der 1970er Jahre erschienen, bekommt der Leser genau das geboten. Kenner der Reihe werden vielleicht überrascht fragen, warum der Band die Ausgaben 6, 9 und 10 der ursprünglichen deutschen Ausgabe enthält. Die Erklärung ist einfach: Die Sammelausgabe veröffentlicht die Reihe chronologisch und der Doppelband „Das Monster in der Metro“ & „Endstation Brooklyn“ (in der deutschen Ausgabe Band 7 und 8) erschien erst zu Beginn der 1980er Jahre und wird deshalb erst im nächsten Sammelband zu finden sein.
Inhalt:
Band 6: Botschafter der Schatten
Nahe dem Zentrum der Milchstraße gibt es einen künstlichen Planeten genannt Central City. Ursprünglich aus einem Grundmodul bestehend, wurde eine Station mehr und mehr von den verschiedensten Völkern der Milchstraße erweitert, bis am Ende ein unüberschaubares komplexes Gebilde von der Größe eines kleinen Planeten entstand, das sehr zum Frieden in der Galaxis beitrug, denn Diplomanten können dort schnell die verschiedensten Probleme erörtern. Regelmäßig wechselt der Vorsitz dieser „Intergalaktischen UN“ und nun ist die Erde an der Reihe, die Geschehnisse auf Port Central zu bestimmen. Valerian und Veronique fliegen mit dem neuen Botschafter zur künstlichen Welt, doch schon bald wird klar, dass die Erde Großes erreichen und voller Arroganz endlich Ordnung in den Sauhaufen bringen will. Kein Wunder also, dass kurz nach Erreichen der Station das Erdmodul angegriffen und der Botschafter und Valerian entführt werden. Veronique, die als Einzige den Betäubungswaffen der Aliens entgehen konnte, nimmt mit dem einzigen verfügbaren Botschaftsmitglied, dem zweiten Protokollchef Diol, die Verfolgung auf bis in die ältesten Regionen von Port Central.
Schon immer war das mein Lieblingsband der Reihe, denn Mézières und Christin brennen in diesem Band ein Phantasiefeuerwerk ab, das seinesgleichen sucht. Allein schon über die verschiedensten Arten, wie Veronique Nachforschungen über den Verbleib von Valerian und dem Botschafter anstellt, könnte man mehrere Seiten schreiben. Veroniques Reise durch die verschiedensten Module mit den fremdartiger Kulturen ist eine Tour de Force, in der jedoch Humor nicht zu kurz kommt und in der beides zu einer optimalen Mischung verschmolzen wurde. Heute liest sich das Ganze ein wenig als versteckte Kritik auf den Bürokratismus der EU, aber damals, 1975, war selbst die Vision eines geeinten Europas noch in den Kinderschuhen. Aber Bürokratie gab es auch davor schon - ebensowie überambitionierte Politiker.
Band 9: Trügerische Welten
Zusammen mit der Historikerin Jadna folgt Veronique der Spur einer unbekannten Macht, die im All künstliche Welten hinterlassen hat, die Szenen aus der Geschichte der menschlichen Zivilisation darstellen. Um die Spur zu verfolgen, muss stets ein Klon von Valerian in diese Weltenfragmente eindringen und weitere Hinweise auf den Schöpfer der von Androiden bevölkerten Welten finden. Sehr zu Veroniques Entsetzen enden diese Missionen immer mit den Tod des Valerian-Klons. Während Veronique die ganze Sache mehr und mehr an die Nieren geht, entwickelt Jadna eine Obsession, die sie mit ihrem Gegenspieler zu teilen scheint. Am Ziel der Suche eskaliert die Lage dann.
Diese Geschichte fällt ein wenig aus dem Rahmen, denn vom Thema und auch vom Erzählstil her könnte dies eine Geschichte von Philip K. Dick gewesen sein. Ich gestehe, der Gedanke kam mir bisher nie (der Comic ist mir länger vertraut als das Werk des Amerikaners), aber da es im Vorwort erwähnt wurde, kann ich dies absolut bestätigen. Natürlich tut dies der Geschichte keinen Abbruch und der Band steht den anderen beiden Comics dieser Ausgabe wirklich in nichts nach.
Band 10: Insel der Kinder
Die Bewohner der Welt Simlan wirken nur auf den ersten Blick menschlich. Tatsächlich sind alle Bewohner unfruchtbar bis auf ihre unsterbliche Königin. In regelmäßigen Abständen müssen sich die Helden messen mit Kraft und Verstand, doch nur dem größten Helden winkt die Ehre, die nächste Generation gründen zu dürfen. Nun steckt aber Simlan in der Klemme, denn die Helden der letzten Generation sind müde und alt. Keiner hat es geschafft, sich in den Augen der Königin als würdig zu erweisen, und so kamen seit Jahrzehnten von der Insel der Kinder keine Nachkommen. Das Volk von Simlan, nun alt und müde, lädt vier Helden aus der Galaxis ein, sich miteinander zu messen. Einer von ihnen ist Valerian, der aber mit den anderen drei Titanen kaum mithalten kann. Veronique ihrerseits bedenkt das Ganze nur mit Ironie und Sarkasmus.
Diese wirklich humorvolle Ausgabe wird in sehr interessanter Weise erzählt. Sobald jeder der Helden seinen Weg nimmt, wird die Geschichte parallel in vier Zeilen pro Zeile erzählt. Dies verschafft dem Leser ein recht ungewöhnliches Leseerlebnis. Die Helden entsprechen den damals gängigen Klischees: Es gibt den überirdischen Helden, der Drachen zum Frühstück tötet, den Helden der Arbeiterklasse von unglaublicher Stärke, unbeirrt in seinem Glauben an den Sozialismus, und den transzendenten Guru, dessen Glauben Berge versetzen kann und der natürlich ebenso davon überzeugt ist wie die anderen beiden, dass seine Lehre die einzig wahre ist. Dagegen kommt natürlich Valerian in keiner Weise an, doch er ist bemüht.
Obwohl alle drei Geschichten sehr unterschiedlich sind, haben sie eines gemein: Sie sind einfach nur großartig und bieten Science Fiction in Reinform. Wie schon in den Ausgaben zuvor bietet auch dieser Band wieder einen gelungenen sekundärliterarischen Teil. Die oft nur sehr kurzen Texte geben Einblick in das Werk der Schöpfer. Besonders hervorzuheben sind die verworfenen Skizzen und die Vorstellung von Évelyne Tranlé, Jean-Claude Mézières Schwester, die alle Ausgaben der Reihe kolorierte. Im amerikanischen Markt arbeiten in der Regel drei Personen an einem Werk: der Zeichner, der Inker und der Kolorist. Ich dachte bisher, dass in europäischen Comics dies meist der Zeichner in Personalunion macht, aber tatsächlich hatten sie fast alle Koloristen. Schade, dass dies fast nie erwähnt wird (bei neueren Comics ist dies allerdings nicht mehr so).
Eine Übersicht der Serie gibt es auf der Autorenseite.
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