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Eine Rezension von Judith Gor (Weitere Rezensionen von Judith Gor findet ihr hier auf fictionfantasy oder auf ihrer Website www.literatopia.de) |
Bestsellerautor Shinobu Sato beeindruckt mit seinen verstörenden und stets grausamen endenden Romanen, doch sein Verlag warnt ihr davor, dass sein Pessimismus für die Leser bald langweilig wird. Ein Happy End soll her, unbedingt. Doch wie soll Shinobu ein gutes Ende schreiben, wenn er stets vom Schlimmsten ausgeht und anderen ihr Glück neidet? Jedem, der lächelt und sich über etwas freut, wünscht Shinobu die Pest und Schlimmeres an den Hals. Er kann das Glück anderer nicht ertragen, weil er selbst in seiner düsteren Welt gefangen ist. Noch kann er Profit daraus schlagen, die Leser lieben seinen unkonventionellen und finsteren Stil. Doch er weiß, dass die Masche nicht mehr lange funktioniert. Beim Versuch, einen Roman mit Happy End zu schreiben, erwischt ihn eine Schreibblockade – und Shinobu wird Zeuge eines schreckliches Mordes, in den ein kleines Mädchen und ein Mann involviert sind. Shinobu kann dem verrückten Mörder entkommen, doch der Mann stirbt und vertraut ihm das Mädchen an. Shinobu soll ihr zur Seite stehen, weil sonst die Welt untergeht …
Die Ereignisse um das kleine, teilnahmslos dreinblickende Mädchen ähneln einem Roman, den Shinobu erst kürzlich veröffentlich hat. Die Grundidee, dass die Welt am Abgrund steht und ein Wurmloch geschaffen werden soll, um sie zu retten, ist die gleiche. Dreht Shinobu etwa durch, weil er einfach kein Happy End zu Stande bringt? Verzweifelt versucht er, vor dem Mädchen zu fliehen, als ein junger Mann namens Osamu Dazai sich einmischt. Er bringt Shinobu dazu, sich um das Mädchen namens Elie zu kümmern, auch wenn es ihm nach eigenen Aussagen egal ist, ob die Kleine lebt oder stirbt. Shinobu kann diese Haltung nicht nachvollziehen und nimmt sich Elie notgedrungen an, auch wenn er sie nicht besonders gut behandelt – doch scheinbar besser, als alle davor. Das Mädchen fühlt sich bei Shinobu wohl und sicher, obwohl er sie in den Keller einsperrt. Osamu drängt währenddessen darauf, dass Shinobu seine von Gott auferlegte Bestimmung annimmt, obwohl er weiterhin betont, wie egal ihm die Menschheit ist.
Die ganze Situation überfordert Shinobu, der die schrecklichen Bilder des Mordes nicht aus dem Kopf bekommt. Außerdem: Warum soll ausgerechnet er die Welt retten? Warum gibt es in dieser Geschichte so viele Ähnlichkeiten zu seinem Roman? Wird er verrückt oder ist er tatsächlich auserwählt, um die Welt zu retten? Ein hoffnungsloser Pessimist, der anderen ihr Glück neidet? Der erste Band wirft all diese und noch mehr Fragen auf und beantwortet vorerst keine einzige. Es handelt sich um einen Auftaktband, der nicht mitten in der Geschichte beginnt, sondern sie in moderatem Tempo aufbaut. Trotzdem ist der Band durchweg spannend, weil Shinobu mit seiner depressiven Ausstrahlung ein interessanter Typ ist und man ihn gerne kennenlernen möchte. Zudem geschieht recht bald der Mord, der eine Menge Fragen aufwirft, ebenso wie die kleine Elie – die Geschichte zeigt großes Potential, das in den nächsten Bänden hoffentlich ausgeschöpft wird.
Der Story entsprechend wartet Vanilla Fiction mit düsteren Zeichnungen auf. Shinobu macht meist ein deprimiertes und säuerliches Gesicht, während Elie meist völlig apathisch wirkt. Die Hintergründe sind oftmals detailliert ausgestaltet und unterstreichen den finsteren Ton der Geschichte. Bei actionreichen Sequenzen kommen häufig Speedlines zum Einsatz und die Bewegungen wurden schön dynamisch umgesetzt. Zudem fließt viel Blut und am Ende kommt es zu horror-mäßigen Szenen, wodurch die Altersempfehlung ab 16 angemessen ist.
Fazit
Der erste Band von Vanilla Fiction wirft viele Fragen auf, die neugierig auf die Entwicklung der finsteren Geschichte machen. Die Mystery-Story zieht den Leser sofort in ihren Bann und die Mischung aus komplexer Handlung und blutiger Action passt genau. Man spürt durchweg, wie viel Potential in dieser Idee steckt, und so freut man sich auf tiefsinnige Mystery mit Horrorelementen.