Eine Besprechung/Rezension von Thomas Sebesta |
Michael Schetsche (Dr. rer. pol.) und Martin Engelbrecht (Dr. phil) haben mit dieser Anthologie ein Werk vorgelegt, welches in dieser Form schon lange auf der Wunschliste so manches thematisch Interessierten gestanden haben mag.
Abseits von Aufmerksamkeit heischenden Medien (um nicht zu sagen „qualvollen“ populärwissenschaftlichen Zeitschriften und Büchern) arbeitet das Buch mit seinen zwölf Beiträgen eine sehr breite Palette von Themen ab, die in dieser Vielfalt noch nie in einem gemeinsamen Überblick dargelegt wurden.
Der Untertitel „Transterrestrische Begegnungen im Spiegel der Kulturwissenschaft“ lässt einen zwar in seiner anfänglichen Begeisterung zunächst innehalten, aber man wird schlussendlich eines Besseren belehrt. Es gibt auch wissenschaftlich gehaltene Bücher, die man verstehen kann, und dieses ist eines davon.
Nicht, dass es einfach zu lesen wäre, aber die verständliche Sprache macht es einem leicht, in dem Buch zu versinken. Das Buch bietet ja auch keinen allumfassenden Überblick und erhebt auch nicht den Anspruch der Vollständigkeit. Es ist einfach ein Buch, das einem den Einstieg in das Thema von der Begegnung mit Außerirdischen leicht macht.
Jedenfalls hilfreich dabei ist das jedem Beitrag angeschlossene Literaturverzeichnis. Angenehm umfangreich bieten sich dort zahlreiche Anknüpfungspunkte zu den Themen. Die ausgewählte Literatur ist zwar oft englischsprachig und so manches Werk darin wird wohl nicht ohne Schwierigkeiten für den „Normalsterblichen“ aufzutreiben sein, außer man hat Zugang zu großen Bibliotheken, aber wenn es einen wirklich interessiert, wird man auch diese Hürde nehmen können. Ein Minuspunkt ist aber jedenfalls anzumerken – das fehlende Stichwortverzeichnis.
Zunächst wird die Anthologie eingeleitet durch zwei Beiträge zur künstlerischen Darstellung von Martin Engelbrecht und Matthias Hurst. Eine Abhandlung über das Erzeugen von „fremden Wesen“ durch Ableiten und Verfremden des Menschen in der Science Fiction einst und jetzt und ein Überblick über Alienbilder der jüngeren Film- und Fernsehgeschichte. Letzterer ist leider im Besonderen dem Star-Trek-Universum gewidmet und lässt daher vieles abseits liegen.
Fortgesetzt wird philosophisch durch Marie-Luise Heusers in einem Beitrag über die „Transterrestrik in der Renaissance“. Beispielsweise über Bruno und Kepler in ihrer Entwicklung der Ideen fremder Planeten und deren Bewohner und Ideen, die neue empirische Beobachtungen anregten.
Ingbert Jüdt setzt sich sodann mit der „Präastronautik“ oder „Paläo-SETI“-Bewegung auseinander, breitet einen Überblick über die Entwicklung aus und beschreibt den Ansatz von Erich von Däniken dazu. Sehr interessant in diesem Zusammenhang ist, dass gezeigt wird, dass die „mangelnde Vermittlung wissenschaftlicher Resultate in zeitgenössischer Alltagsvernunft“ die Vitalität dieser vom offiziellen abweichenden Wissensbestände sichert.
Nicht fehlen darf in dem Reigen natürlich die Betrachtung der UFO-Thematik. Diese nimmt auch einen relativ großen Teil ein. Vier Beiträge zu diesem Thema werden angeboten. Gerhard Mayer mit einer systematischen Untersuchung von Presseartikeln bei SPIEGEL und BILD, in der eine immer stärkere Vereinheitlichung der Darstellungen zu bemerken ist. Ina-Schmied-Knittel und Edgar Wunder mit einem Beitrag über die soziologischen Auswirkungen von UFO-Sichtungen bei den Betroffenen. Michael Schetsche selbst mit einem Beitrag über das Phänomen der Entführung durch Außerirdische und das wenig erfreuliche Bild, das die Opfer von solchen Zusammentreffen mit Außerirdischen zeichnen. Das Thema abschließend, sodann Gerd H. Hövelmann mit der Formulierung von Grundvoraussetzungen zu einer ernsthaften wissenschaftlichen UFO-Forschung.
Martin Engelbrecht versucht anschließend die Suche nach außerirdischem Leben zu beschreiben und zu zeigen, dass die wissenschaftliche Suche danach existenzielle Fragen aufwirft, und Michael Schetsche untersucht die soziologischen und psychosoziologischen Folgen des stattfindenden Erstkontakts in seinen möglichen Varianten.
Kai-Uwe Schrogl schließlich betrachtet die rechtlichen Auswirkungen, die Außerirdische aufwerfen, und zeigt, dass hier auch erste Ansätze vorhanden sind, das Undenkbare zu denken.
Den Schluss bildet eine wissenssoziologische Schlussbemerkung der Autoren, welche dem Werk eine angenehme Abrundung verschaffen.
Der Tenor des Werkes bildet die Feststellung, dass die Erde weder politisch noch ideologisch, noch ethisch auf ein Zusammentreffen mit Außerirdischen vorbereitet ist und weder einzelne Nationalstaaten noch die internationale Weltengemeinschaft Mechanismen entwickelt haben, um ein solches Ereignis zu verarbeiten.
Es steht mir hier nicht zu und es ist auch nicht meine Intention, zu bewerten, wie stichhaltig und bedeutsam die wissenschaftlichen Betrachtungen sind. Man kann auch über die Auswahl der literarischen Beispiele aus der Science Fiction nicht der Meinung der Autoren sein. Es steht für mich aber fest, dass dieses Buch einen wertvollen Beitrag zum Thema „Außerirdische“ leistet.
Das Buch bietet Erklärungen an und versucht Verständnis für die zugrunde liegenden sozialpsychologischen Prozesse zu wecken, zeigt die Positionierung des Extraterrestrischen in Medien und Kunst und setzt sich unaufgeregt und sachlich mit UFO und der Suche nach extraterrestrischem Leben auseinander.
Es bietet einen zeitaktuellen Einblick in das Thema, spornt nicht nur den Science-Fiction-interessierten Leser an, sich weiter mit den Auswirkungen eines Erstkontaktes oder dessen Nicht-Stattfinden auseinanderzusetzten, und - nicht zuletzt - bietet es auch für Autoren eine Fülle von Anregungen, sich neuerlich und wiederholt mit dem Thema „Außerirdische“, abseits von mehr oder weniger willigen Raumschlachten-Opfern und wertlosem Stuckaturbeiwerk, literarisch zu beschäftigen.
Fazit: Gelungen – es macht Gusto auf mehr aus der Feder der Autoren und sie werden sich anstrengen müssen den Qualitätslevel zu halten – recht so! Das Erscheinungsbild des Buches ist ansprechend, allerdings ist die Folierung für den stärkeren Gebrauch eher ungeeignet, sie löst sich leicht an den Rändern und das gelesene Buch bietet das Bild einer Baustelle. Also lieber Verlag – vielleicht gibt’s in Zukunft eine bessere Lösung. Sehr schön ist die Covergestaltung gelungen. Die Auswahl des Umschlagbildes ist sehr passend und der Gesamteindruck des (neuen) Buches lässt nichts zu wünschen übrig.
Inhalt:
Von Menschen und Außerirdischen - zur (Er-)Öffnung der Diskussion / Martin
Engelbrecht (Autor); Michael Schetsche (Autor) (7-12)
Von Aliens erzählen / Martin Engelbrecht (Autor) (13-30)
Dialektik des Alien / Matthias Hurst (Autor) (31-54)
Transterrestrik in der Renaissance: Nikolaus von Kues, Giordano Brino,
Johannes Kepler / Marie-Luise Heuser (Autor) (55-80)
Aliens im kulturellen Gedächtnis? / Ingbert Jüdt (Autor) (81-104)
UFOs in den Massenmedien - Anatomie einer Thematisierung / Gerhard Mayer
(Autor) (105-132)
UFO-Sichtungen / Ina Schmied-Knittel (Autor); Edgar Wunder (Autor) (133-156)
Entführt! Von irdischen Opfern und außerirdischen Tätern / Michael Schetsche
(Autor) (157-182)
Vernünftiges Reden und technische Rationalität / Gerd H. Hövelmann (Autor)
(183-204)
SETI / Martin Engelbrecht (Autor) (205-226)
Auge in Auge mit dem maximal Fremden? / Michael Schetsche (Autor) (227-254)
Weltraumpolitik, Weltraumrecht udn Außerirdische(s) / Kai-Uwe Schrogl
(Autor) (255-266)
Prekäre Wirklichkeiten am Himmel - eine wissenssoziologische
Schlussbemerkung (267-278)
Autorinnen und Autoren (279-280)
Danksagung (281)