Serie: The Walking Dead, Band 12 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Die Versorgungslage der kleinen Gruppe Überlebender um den Ex-Polizisten Rick Grimes spitzt sich weiter zu. Die Stimmung erreicht den Siedepunkt, als sich herausstellt, dass die Hoffnung, in Washington weitere Überlebende und damit militärische sowie wirtschaftliche Hilfe zu finden, auf einer fatalen Lüge Eugenes beruht und die Erkenntnis Raum greift, dass es in Washington nicht anders aussehen wird als im Rest des Landes.
Kurz nachdem Abe und Rick sich entschieden haben, trotz alledem weiter gen Hauptstadt zu ziehen, taucht aus der Nacht ein gut gekleideter Mann auf, der den Anführer der Gruppe sprechen möchte und sie in ein sicheres Camp einlädt. Obgleich das Misstrauen nach all den schrecklichen Erlebnissen der letzten Monate schier unermesslich ist, entschließt man sich, weil man schlussendlich keine Alternative sieht, der Einladung des Neuankömmlings zu folgen.
Nach einer Fahrt durch die zombieverseuchte Hauptstadt erreicht man schließlich das Lager der seltsamen Fremden und findet sich unversehens in einem umzäumten und bewachten Areal wieder, das nach den entbehrungsreichen Monaten einem Paradies gleichkommt: Auf den Straßen spielen Kinder, schmucke kleine Häuschen zieren die sauberen Straßen, eine autarke Versorgung mit Nahrungsmitteln sichert die Unabhängigkeit und der Empfang durch den „Bürgermeister“ des Ortes, Douglas Monroe, ist überaus herzlich.
Nicht nur, dass die Gruppe endlich einen Platz zum Ausruhen gefunden zu haben scheint, auch das Angebot Monroes, jeden Überlebenden seinen Fähigkeiten nach für den Ausbau der Anlage einzusetzen, ist geradezu verlockend. Und so dauert es nicht lange, bis ein gut frisierter Rick Grimes den örtlichen Constable gibt mit Michonne als einer Art Deputy an seiner Seite, die Scharfschützin Andrea als Ausguck über den Ort wacht oder Glenn als Läufer die Umgebung auskundschaftet.
Allerdings sitzt das Misstrauen tief und insbesondere Rick treibt der Gedanke um, dass etwas, das zu schön ist, um wahr zu sein, meistens auch nicht wahr ist.
Nach den dramatischen Ereignissen und tragischen Verlusten der vorangegangenen Bände gönnt Kirkman nicht nur seinen Helden eine Verschnaufpause, sondern auch dem Leser. Das Innehalten bietet einem zum ersten Mal Gelegenheit, darüber zu reflektieren, wie sehr die eigene Sicht der Welt gleichsam korrumpiert wurde, wie tief man sich mit den Figuren im Laufe der Serie identifiziert und solidarisiert hat. Man ist – wie die Überlebenden – nicht in der Lage, den Frieden der neuen Zuflucht als gegeben zu akzeptieren, sondern zweifelt von Anfang an an der Redlichkeit der Gastgeber, sucht fieberhaft nach kleinen und kleinsten Hinweisen für Böses, nimmt die Tatsache, dass sich nichts Signifikantes finden lässt, als Beleg für eine Verschwörung, für sich anbahnendes Unheil und tendiert in Ermangelung unmittelbarer, körperlicher Gewalt dazu, die letztlich ganz normalen und notwendigen Entscheidungsprozesse innerhalb der Kommune als strukturelle Gewalt anzusehen.
Fazit: Auch wenn diesmal keine Opfer zu beklagen sind, so zehrt die angespannte Friedlichkeit dieser Story ebenso intensiv an den Nerven des Lesers wie jede gewaltsame Auseinandersetzung und belegt einmal mehr die ausgeklügelte Psychologie der Figuren.