Serie: The Warlord, Band 1 |
Die 70'er Jahre des vergangenen Jahrhunderts waren eine gute Zeit für moderne Barbaren. In Europa fuchtelten unter anderem Andrax und Storm mehr oder weniger leicht beschürzt mit ihren Waffen, in Amerika erblickte eben jener Travis Morgan im Jahre 1975 das Licht einer Welt, die für mehr als eine Dekade - 134 reguläre Hefte und 6 sogenannte Annuals - seinen Abenteuern in Skataris, einer innerhalb unserer Erde verborgenen Hohlwelt, folgen sollte.
Während einer Spionagemission über dem Russland des Jahres 1969 wird der Jet Lt. Colonel Travis Morgans durch russische Raketen so schwer beschädigt, dass der blonde Amerikaner gezwungen ist, über der Arktis per Schleudersitz auszusteigen.
Anders als seinerzeit Captain America bleibt Travis ein Schicksal als Eisblock erspart, landet er doch unversehens in einer tropischen Welt, die auf den ersten Blick nicht nur von dinosaurierhaften Monstern, sondern auch leicht bekleideten, brustbehangenen Monster-Snacks bewohnt wird.
Einem dieser stylishen Barbarenmädchen – Tara - droht die ewige Ruhe im Magen eines bei Lichte betrachtet ziemlich mickerigen Tyrannosaurus, als der zufällig vorbei strauchelnde Travis sich nach echter "Air Force"-Manier auf das Tier stürzt und sie es schließlich gemeinsam platt machen. Doch nun fängt das Abenteuer erst richtig an.
Urplötzlich tauchen Soldaten am Ort des Geschehens auf, welche Tara und Morgan nach einem kleinen Scharmützel als Gefangene in die Stadt Thera führen, in welcher der finstere Hohepriester Deimos die Fäden zieht. Die erste Auseinandersetzung mit dem Intriganten entscheidet der Air Force-Pilot zwar für sich, muss aber dennoch bald darauf zusammen mit Tara vor den Nachstellungen Deimos' aus Thera fliehen.
Mit den örtlichen Gebräuchen und Gegebenheiten wenig vertraut fällt Travis Morgan, nachdem er von Tara getrennt wurde, in den folgenden Tagen zunächst Sklavenjägern in die Hände, um sich schließlich angekettet auf einer Galeere wiederzufinden. Hier macht er die Bekanntschaft eines Mitgefangenen namens Machiste, mit dem zusammen er einen erfolglosen Aufstand anzettelt, der den Weg der beiden neuen Freunde vorübergehend in einer Arena enden lässt, wo sie zur Belustigung des Herrschers als Gladiatoren gegeneinander antreten sollen.
Doch die Zeit der Gefangenschaft hat die Flamme der Freiheit und Freundschaft, die in Morgan ami-like loderte, nicht löschen können, und so führt er, da er seinen Freund nicht töten will, nach Spartakus-Art die Gladiatoren und Geknechteten zur Sonne, zur Freiheit. Halleluja ….
Bevor der Abenteurer aufbricht, um Skataris und die Welt jenseits davon zu erforschen, um unbekannte Gegenden und fremde Zivilisationen zu entdecken, treibt ihn der Gedanke an die verschwundene Tara zurück nach Thera und damit zu Deimos, der zwischenzeitlich vom Hohepriester zum Herrscher aufgestiegen ist und die Barbarin als lustobjektische Sklavin gefangen hält.
Nunja … rein vom Taktilen ist der CrossCult-Sammelband, der neben Travis Morgans Debüt in "1st Issue Special #8" die ersten zehn Ausgaben der regulären Original-Serie enthält, eine wahre Wonne: der ledergeprägte Hardcover-Einband sowie schweres Papier und das US-Comic-Standardformat geben dem, der es mag, das lustvolle Gefühl, "ordentlich 'was in der Hand zu haben". Aber Geilheit ist das eine, der Inhalt …. der künstlerische und erzählerische Inhalt … das andere.
Beginnen wir mit dem Artwork: zweifellos gehörte Mike Grell schon in den fernen Tagen vor mehr als drei Dekaden zu jenen Comic-Schaffenden, deren Zeichnungen in Proportionen und Posen, im Realismus der Figuren, den hochdynamischen, zum Teil cineastischen Bild- und Seitenkompositionen nicht nur die Grenzen des damals Üblichen sprengten, sondern auch heute noch visuell zu fesseln vermögen.
Und zweifellos untermauert die vorliegende Schwarzweiß-Edition mit dem Fokus auf Grell als Zeichner diese positive Einschätzung. Allerdings lese zumindest ich ein Comic nicht nur, um etwas nochmals bestätigt zu bekommen, was längst zum Canon der Fanboys gehört, oder um ein akademisches Urteil über Grell als Zeichner fällen zu können, sondern auch, um in eine phantastische Welt einzutauchen; und hierfür fehlt es an … Farbe.
So fein ziseliert die Zeichnungen Grells in der Strichführung auch sind, so dynamische die Kämpfe daherkommen, vielen Bildern mangelt es ohne Farbe erstens an Kontrast und Tiefe, da Grell relativ zurückhaltend mit Schwarzweiß-/Helldunkel-Kontrasten arbeitet. Das heißt nicht, dass nicht einzelne Panels oder sogar Seiten ein beeindruckendes Spiel aus dunklen und hellen Flächen bieten, jedoch wirken andere Bilder visuell breiig bzw. unerfreulich wenig klar. Weitgehend verloren geht zweitens auch der Teil an Hintergrund-Exotik, der ursprünglich über die Farben transportiert wurde; dazu gehört nicht nur die Lebendigkeit und Fülle des Dschungels, sondern bspw. auch das originelle Make-Up der Weibchen bzw. das aufreizende Spiel von Winz-Bekleidung und Haut.
Kommen wir zur Story: eine dezidierte Analyse der Geschlechterrollenbilder sowie etwaiger politischer oder biografischer Einflüsse auf den Inhalt will ich mir schenken. Warlord ist – wie die meisten amerikanischen Mainstream-Comics jener Zeit – nicht nur unterm Strich eine Serie für Couch-Potatoe-Machos, an deren freiheitlichen Wesen die Welt genesen soll. Deutliche Einflüsse von Robert E. Howards "Sword & Sorcery" über die Ideenwelten "renommierter" Autoren wie Jules Verne bis hin zu den Pellucidar-Romanen Edgar Rice Burroughs erwecken den Eindruck, als erschöpfe sich Grells kreativer Akt im Wesentlichen im Zusammenfügen und Rekombinieren alter Versatzstücke. Zudem ist die Story – anders als bspw. Lawrences Storm-Reihe - weitgehend humorfrei und staubtrocken erzählt und dennoch … Warlord reißt auch heute noch jene Leser mit, die sich an Trash- und Pulp-Storys erfreuen und denen die reine Lust am unverklärten Abenteuer wichtiger ist als politisch korrekte Seelenqualen ambivalenter Kunstfiguren.
In redaktioneller Hinsicht runden eine farbige Cover-Galerie sowie ein 5-seitiger Artikel Jochen Eckes über den Werdegang Grells das editorisch einwandfreie Bild dieses ersten Bandes einer durchaus ambitionierten Neu-Ausgabe ab.
Fazit: Freunde bibliophiler Comics und leichter Abenteuer an der Grenze zwischen Fantasy und SF sollten zumindest einen Blick riskieren, auch wenn man den Geschichten die Jahre anmerkt und der Verzicht auf eine Koloration dem Artwork verglichen mit den US-Originalen einiges an Unterhaltungswert nimmt.