Titel: White Noise - Schreie aus dem Jenseits Eine Besprechung / Rezension von Rainer Innreiter |
In diversen Magazinen erfreuen sich Rubriken mit dem Titel "Was wurde eigentlich aus...?" größter Beliebtheit. Wäre diese Kurzkritik eine Zeitungskolumne, würde sie sich Michael Keaton widmen und die Antwort auf die Frage gleich selber geben: "Er ist dem Irrglauben verfallen, mit Hilfe von B-Movies ein Leinwand-Comeback schaffen zu können."
Zu den ungelösten Rätseln des Kino-Alltags zählt für mich, warum so mancher ehemalige Star anscheinend wahllos Filmrollen übernimmt. In einem Falle wie jenem von Michael Keaton doppelt schade: Der Mann ist zweifelsohne ein guter Schauspieler mit Charisma, dessen Eintrittskarte in die oberste Liga "Batman" war. Eine Superhelden-Verfilmung, die sogar einem eingefleischten Superhelden-Verweigerer wie mir durchaus gefallen konnte. Seither ist es um Keatons Karriere jedenfalls nicht mehr zum Besten bestellt.
Und wenn man
an White Noise
aus betrachtet kann man sich nur darüber wundern, ob er denn Drehbücher wenigstens liest, bevor er eine Rolle annimmt. Offensichtlich nicht...
Zum Inhalt: Das Leben des Architekten Jonathan Rivers (Michael Keaton) steht anscheinend unter einem guten Stern. Er ist glücklich mit Anna (Chandra West) verheiratet, stolzer Vater eines kleinen Jungen und im Begriff, zum zweiten Mal Vater zu werden. Alles scheint perfekt. Da der Film aber nicht nach fünf Minuten zu Ende sein kann, folgt ein schlimmer Schicksalsschlag: Seine Frau Anna stirbt bei einem mysteriösen Unglück. Für Jonathan bricht die Welt zusammen und er vergräbt sich völlig in seiner Arbeit.
Als ihm ein gewisser Raymond Price eröffnet, er sei von Anna aus dem Jenseits kontaktiert worden, hält ihn Jonathan anfangs natürlich für einen Spinner. Doch nachdem er Grund zu der Annahme findet, dass Anna tatsächlich Signale in das Diesseits sendet, sucht er Raymond - zunächst noch etwas widerstrebend - auf. Dieser erklärt ihm, wie man mit den Toten gezielt Kontakt aufnehmen könnte, nämlich via Tonband und Videorekorder. Bereits nach kurzer Zeit ist Jonathan in der Lage, aus dem Jenseits Stimmen und Bilder zu empfangen. Aber nicht nur Anna meldet sich...
Der Film laboriert an mehreren Problemen: Zum einen ist das Interesse an Mystery-Filmen (1994 von "Akte X" initiiert) in den letzten Jahren erheblich abgeflaut und wird derzeit künstlich durch japanische Importe à la Ringu in scheinbar soliden Höhen gehalten.
Zum anderen unterstreichen Filme wie dieser sehr eindrucksvoll, warum es nicht bloß eine Frage des Formats und des Budgets ist, ob man aus einem Drehbuch eine rund dreiviertelstündige Serienepisode zimmert oder einen mindestens anderthalbstündigen Kinofilm. Sprich: Filme wie der hier Rezensierte erwecken den Eindruck, dass sie ursprünglich für irgend eine Mysterie-Serie im Fernsehen konzipiert wurden und dann später krampfhaft ausgewalzt wurden, um in die Kinos verfrachtet werden zu können.
Während die etwa erste halbe Stunde zu interessieren weiß, ist der Rest des Films ein Fall für die Filmpsychiatrie. Um so frustrierender, da das Thema des Films fesselnd sein könnte. Dabei geht es um die ominösen Tonbandstimmen, die 1959 zufällig von einem schwedischen Künstler "entdeckt" wurden. Der Maler Friedrich Jürgenson bemerkte beim Abspielen einer Tonbandaufnahme, dass sich darauf Stimmen befanden, deren Herkunft völlig rätselhaft war, da bei der Aufnahme außer ihm kein Mensch anwesend war.
Das Verblüffende an den Tonbandstimmen ist nun, dass man kein bestimmtes, dem Normalbürger nicht zugängliches Equipment, ausgesuchte Tageszeiten, Beschwörungsformeln oder sonstigen Klimbim benötigt: Ein Aufnahmegerät, ob Kassettenrekorder oder Soundkarte am Computer, genügt völlig. Genau so wichtig sind Geduld und Interpretationsfähigkeit. Darüber, ob die dokumentierten Stimmen aus dem Jenseits stammen oder doch nur zufällig überlagernde Sprachfetzen aus Radiosendungen darstellen, gehen die Meinungen auseinander.
Und genau aus diesem Punkt hätte der Film enorme Stärken beziehen können: Sind die "Botschaften" paranormalen oder doch irdischen Ursprungs? Den größten Reiz bezog Akte X meiner Meinung nach aus der (in den ersten Staffeln) nie eindeutigen Zuordnung der Natur der Phänomene, mit denen Mulder und Scully konfrontiert waren: Hatten tatsächlich Aliens die Hände im Spiel oder inszenierte die Regierung eine gigantische Verschwörung unter dem Deckmantel vorgeblicher Außerirdischer? Waren Geistererscheinungen real oder existierten sie nur in der Einbildung der Beobachtenden? Für mich verlor Akte X exakt zu jenem Zeitpunkt jegliche Anziehungskraft, als klar wurde, dass Mulders Verschwörungstheorie rund um Aliens zutraf.
Ähnlich in diesem Film: Anfangs noch um einen halbwegs realistische Darstellung der Tonbandstimmen bemüht (Raymond erklärt Jonathan, dass er Geduld haben müsse, bis er, falls überhaupt, Kontakt mit Anna herstellen könne), fährt White Noise schon bald mit allen Klischees und Übertreibungen auf, die nur denkbar sind. Jegliche Subtilität verpufft im Tante Emma-Laden der Esoterik-Gigantonomie. Man gestatte mir einen Vergleich: Im großartigen Contact sieht (und hört) man als Zuschauer minutenlang nichts anderes als die Suche idealistischer Wissenschafter nach außerirdischen Signalen. Mit Headsets vor Computern sitzend, lauschen sie nach eindeutigen Hinweisen extraterrestrischer Botschaften. Und das ist um Längen spannender als Aliens auf einem Betriebsausflug vom Sirius, die mal eben an der Tür anklopfen.
Übertreibe ich? Nein, denn die Handlung von White Noise wird mit jeder Filmminute kruder und lächerlicher, bis hin zum an Stupidität nur schwer zu übertreffenden Schluss. Ganz zu schweigen von völlig rätselhaften Plot-Twists, die in keinem Zusammenhang zum Film zu stehen scheinen.
Jammerschade, denn das Potenzial für einen stillen, nicht auf plumpe"Buh!"-Effekte (die hier mal wieder zum Kopfschütteln vorhersehbar sind und deshalb im Gegenteil verärgern, statt zu schockieren) setzenden Film wäre vorhanden gewesen, zumal das paranormale Element nicht komplett aus der Luft gegriffen, sondern bekannt und dokumentiert ist, was man von vielen anderen ähnlichen Filmen nicht behaupten könnte.
In Punkto Schauspielerei kann und muss man keine großartigen Erwartungen bei einem solchen Film hegen. Ein Akteur wie Keaton wird in diesem Sinne nicht gerade zur Performance seines Lebens gedrängt und der Rest der Schauspieler (die ohnedies nur Nebenfiguren sind, da Keaton fast jede Szene beherrscht) schließt sich dem nahtlos an. Angesichts der wenig dankbaren Rollen (der korpulente, lebensfremde Esoteriker Marke "Gemütlicher Kumpeltyp"; der hübsche weibliche Aufputz in Form von Deobrah Ungar, die in diesem Film eigentlich nur dazu eingeführt wird, damit Jonathan nicht ständig Selbstgespräche führt).
Fazit: Anfangs subtiler, einfühlsamer Mystery-Thriller, dem aber nach einem Drittel Laufzeit die Luft ausgeht und deshalb mit unlogischen und zum Gähnen uninteressanten Versatzstücken aus anderen Filmen sowie schockierend unschockierenden Pseudo-Gruseleffekten gefüllt wurde.