Ein Artikel von Rupert Schwarz
Es gab kaum einen Film, auf den ich in den letzten Jahren nicht sehnsüchtiger gewartet hätte und es gab überhaupt keinen Film, der mich nach sehr hohen Erwartungen so überzeugt hatte wie X-Men. Es war einfach ein klasse Film und für mich, einem X-Men-Fan seit fast 20 Jahren, war er doppelt sehenswert.
Die Tatsache, dass ich nicht enttäuscht worden bin, ist Beweis genug, dass die Umsetzung sehr gelungen war.
Mit dem Artikel will ich zwei Dinge erreichten. Zum einen will ich dem Leser zunächst ein Globalwissen über die X-Men geben. Zum anderen will ich die Unterschiede (oder Übereinstimmungen) in den Personen aufzeigen.
Zunächst also ein paar Worte über die X-Men. Anders als im Film begann alles mit Eintritt von Jean Grey in Xaviers Schule. Allerdings tummelten sich nicht Dutzende von Schülern, sondern nur vier andere Mutanten, die wie Jean Grey, Erwachsen oder zumindest fast volljährig waren. Außer Scott Summers, dem Zyklopen, waren keine anderen X-Men dabei. Der Vollständigkeit halb sei erwähnt, dass zum ursprünglichen Team Iceman, Angel und Beast gehörten, also alles Figuren, die in den aktuellen Heften noch zu finden sind.
Bis auf kleine Änderungen blieb das Team lange bestehen. Noch zu Beginn vom "dem" Kreativen-Team Marvels Stan Lee und Jack Kirby aus der Taufe gehoben, war die "Uncanny X-Men" ein eher unterdurchschnittlicher Erfolg. Dass sollte sich erst ändern, als Chris Claremont die X-Men ab der Nummer 94 übernahm. Da die Serie kurz vor der Einstellung stand, musste ein entschiedener Richtungswechsel vorgenommen werden. Dies geschah dann auch. Das alte Team wurde besiegt und nur Zyklop konnte fliehen.
Zur Rettung rekrutiert Xavier sieben neue Mutanten, u. a. Wolverine, Storm, Collosus, Nightcrawler und Banshee. Zu dieser Zeit ungefähr dürfte der Film angesiedelt sein.
Im Laufe der Jahre wurden die einzelnen Charaktere ausgewechselt, in den Ruhestand geschickt und wieder reaktiviert. Insgesamt dürfte es etwa 50 Mutanten geben, die den X-Men zugeordnet sind. Unter den weiteren Namen waren die Populärsten Charaktere wohl Kitty Pryde, Cable, Gambit, Psylocke und eben Rouge.
Heute gibt es vier Hauptserien in Amerika: Uncanny X-Men, X-Men, X-Force und Generation X. X-Force beschreibt die Abenteuer einer Gruppe von Mutanten, die Xavier rekrutiert hatte, als die X-Men auf einer galaktischen Odyssee waren und Generation X beschreibt das Leben der letzten Jahrgangs von Mutanten.
Die X-Men hatten ihren Höhepunkt Anfang der 90er Jahre. X-Men #1 war und ist mit einer Gesamtauflage von über einer Million Exemplaren das meistverkaufte amerikanische Comicheft. Damals gab es 6 Hauptserien. Doch dann kollabierte der über Jahre hinweg aufgepuschte amerikanische Comicmarkt und sehr viele Comicserien wurden zu Grabe getragen.
Marvel musst fast Konkurs anmelden und auch die eine oder andere X-Men Serie wurde eingestellt. Ich muss sagen, dass ich bereits zuvor eine Pause bei den X-Men eingelegt hatte, da alles sehr unüberschaubar wurde mit all den Serien und den damit verbunden Crossover. Heute jedoch stehen Marvel und die X-Men wieder gut da und der Film beweist, das Comic eben nicht Comic ist.
Doch was ist besonders an den X-Men. Nun, die klassischen Superhelden, allen voran Superman waren so mächtig, dass ihnen eigentlich nichts anhaben konnte. Vor allem aber waren sie von den Menschen akzeptiert. Die X-Men jedoch werden gehasst und teilweise sogar verfolgt. Es ist die Angst der Menschen vor dem Unbekannten. Was im Film mit Senator Kelly angedeutet wurde, stellt sich im Comic noch viel drastischer dar. Senator Kelly überlebte zwar den Anschlag auf sein Leben durch die Bruderschaft der bösen Mutanten, aber seine Lebensgefährtin kam ums Leben. Dass es die X-Men waren, die sein Leben gerettet haben sieht er nicht. Er beauftragt einen gewissen Sebastian Shaw, einen Erzfeind der X-Men der ebenfalls Mutant ist, was Kelly nicht weiß, um Sentinel Roboter zu bauen, die Turmhoch sind und nur einen Zweck haben: Mutanten zu fangen, tot oder lebendig.
Im Laufe der Jahre wird dieses Thema immer brisanter. Die X-Men müssen sich regelmäßig mit Sentinels auseinandersetzen und wie gefährlich diese Thematik ist, wurde schon zu beginn klar, als Kitty Pryde von einem 30 Jahre älteren Alter Ego einer Parallelwelt gewarnt wurde. Damals retteten, wie bereits erwähnt, die X-Men Senator Kelly. Doch alles war umsonst. In der Parallelwelt sind Mutanten in Konzentrationslager gesperrt und Kitty musste durch die Augen ihres alter Egos erleben, wie die letzten Ihrer Freunde getötet wurden. Diese Zukunftsperspektive ist zwar ungewiss, wurde aber durch verschiedene Ereignisse hin und wieder bestätigt. So müssen die X-Men mit dieser Zukunft leben, wobei sie unaufhörlich kämpfen, sie zu verhindern.
So gesehen war die Handlung für den Film ein sehr guter Einstand.
Da der Film sich zwar Mühe gab, die mehr als ein Dutzend Personen einzuführen, war von vornherein klar, dass Abstriche gemacht wurden. Manche Kritiker waren sogar vor, es sei zu weit gegangen worden und der Film weist zu wenig Action Szenen auf. Das lässt vermuten, dass der Regisseur die goldene Mitte exakt getroffen hat. Ich will nun Euch ein wenig Hintergrundwissen über die einzelnen Personen geben.
Wolverine war gut getroffen. Allerdings war er vom Wesen her, als er zu den X-Men kam, ein richtiges Ekelpaket. Damals ist er teilweise gnadenlos gegen Feinde vorgegangen und hat kaum ein nettes Wort über die Lippen gebracht. Dass er eigentlich Logan hieß, haben die X-Men erst viel später erfahren. Zu Jean Grey gab es eine Beziehung und dies war vielleicht auch der Grund, warum er sich ein wenig geöffnet hat. Allerdings hat sich Wolverine Jean nie offenbart. Bei den X-Men von heute gehören die Reibereien natürlich der Vergangenheit an. So gesehen hat man sich an dem Logan von heute orientiert und das war auch gut so.
Jean Grey war im Comic keine Wissenschaftlerin. Im Film wurden zwei Person zu einem Charakter verschmolzen, nämlich Jean Grey und Dr. Moira McTaggert, einer Vertrauten von Xavier, die selbst keine Mutantin ist. Es ist klar, war auf diese Figur verzichtet wurde, da man ohnehin nicht alle Figuren richtig einführen konnte. Ansonsten war die Jean Grey gut getroffen.
Rouges Leben wurde im Film stark verändert, sie begann ihre Karriere als Gegner der X-Men. Es war Mystique, die für sie wie eine Schwester war und sie für die Ziele der Bruderschaft der Mutanten begeisterte. Später übernahm sie völlig die Kräfte einer Mutantin und kann seither fliegen und verfügt über gewaltige Kraft. Allerdings war der Preis sehr hoch und sie musste sehr lange ihren Kopf mit dem Echo dieser Frau teilen. Rouge konnte dies damals kaum verkraften und es war Xavier, der sich ihrer annahm. Bei den X-Men stieß Rouge zunächst nur auf Ablehnung. Zum einen war sie ein Feind der X-Men gewesen, zum anderen hatten sie schlicht Angst vor Rouges Kräften und auch davor ihre eigenen Fähigkeiten ebenfalls für immer zu verlieren.
Scott Summer war auch in Comic ähnlich arrogant. Allerdings ist die Figur viel tragischer. Scott fühlt sich ausgegrenzt wegen seiner Augen. Es hat viele Unfälle gegeben und so bleibt er bewusst bei den X-Men. Wolverine und er konnten sich nie leiden. Dazu waren sie zu verschieden. Allerdings haben sie gelernt, sich gegenseitig zu respektieren.
Storm war im Film gut getroffen, allerdings erfuhr man über sie sehr wenig. Es gab eine gute Geschichte, die beschrieb, wie Xavier Storm zum ersten Mal begegnete. Nach einem Unfall verlor sie beide Eltern und wurde in Kairo zur Diebin. Die etwa 10-jährige Storm bestahl Xavier der sie aber aufgrund ihrer Fähigkeiten, die damals noch im Entstehen wiederfand. Xavier wird zum Chef der Diebesgilde gerufen, der zu seiner Überraschung ebenfalls Telepath ist. Es kommt zu einem geistigen Kampf auf Leben und Tod und Xavier schafft es nur knapp zu überleben. Sein Kontrahent jedoch fiel ins Koma. Xavier wurde bewusst, dass die Gaben, die manche Menschen habe, nicht immer nur zum Guten genutzt wurden und so reift in ihm der Plan, die Menschheit vor den negative Mutanten zu schützen.
Magneto war von Anfang an ein Erzfeind der X-Men. Jedoch hat sich die Feindschaft im Laufe der Jahr teilweise stark abgeschwächt. Ein zeit lang hat Magneto sogar mit den X-Men zusammengearbeitet. Danach jedoch ist er wieder in sein altes Denken zurückgefallen und hatte sogar Erfolg. Obwohl die X-Men Magneto bereits besiegt hatten, ließ die UNO ihn wieder frei und sprach ihm sogar einen eigenen Staat zu, in dem er mit den anderen Mutanten leben kann. Der Grund war einleuchtend: Magneto war inzwischen so mächtig geworden, dass er gedroht hatte, das Magentfeld der Erde zu manipulieren, falls seinen Forderungen nicht nachgegeben wird. Für die X-Men war dies eine schwere Niederlage.
Im Comic wird Magnetos Hass übrigens nicht auf eine Jugend im KZ, sondern auf den Verlust seiner Frau zurückgeführt, die von Menschen umgebracht wurde, weil sie eine Mutantin war.
Mystique kam im Film wohl als einzige Figur sehr schlecht heraus. Im Comic ist sie bei weitem keine gefühlslose Killerin, sondern eher wie Magneto ein verbitterter Mensch. Aufgrund ihrer offensichtlichen Mutantion wurde sich von Menschen seit frühester Jugend angefeindet. Auch in ihr sitzt der Hass tief. Zu den X-Men hat sie nach und nach eine fast freundschaftliche Beziehung entwickelt, auch wenn ihre Ziele nicht immer lautern sind.
Sabretooth hingegen war weder ein Mitglied der Bruderschaft noch ein klassischer Gegner der X-Men. Denen, die in ihrer Jugend andere Marvel Serien gelesen hatten wie Spiderman oder Avengers (dt. "Die Rächer") ist diese Figur bekannt. Die Figur ist im Film eigentlich genauso hohl wie im Comic. Man erfährt nie etwas über seine Ziele und Wünsche. Sabretooth ist eigentlich mehr Tier als Mensch.
Toad ist eine Person, die nur in den alten X-Men Heften aufgetaucht ist. Vielleicht ist er damals verstorben. Ich weiß es nicht, da ich die alten Comics kaum kenne. Ich denke aber, die Figur war im Film sehr gut gelungen und ausbaufähig. Ich würde mir wünschen Toad auch im nächsten X-Men film zu sehen.
Zum Schluss noch ein paar Gedanken, was der nächste Film bringen könnte. Neben Magneto gibt es zwei Themen die angesprochen werden könnten. Das eine ist die Thematik mit den Sentinels, den turmhohen Robotern deren einziger Zweck es ist, Mutanten zu jagen. Dies wäre konsequenter Weise eine Weiterführung der Story des ersten Films. Man könnte dann auch den düsteren Blick in die Zukunft werfen.
Ein anderes Thema, was ich mir vorstellen könnte ist der Hellfire Club, eine Vereinigung von Mutanten, die seit jeher Erzfeinde der X-Men sind und anders als Magneto oder die Bruderschaft versuchen, mit ihren Fähigkeiten Politik und Wirtschaft zu unterwandern und so möglichst viel Macht zu gewinnen. Es gab immer wieder Versuche X-Men zu beeinflussen und für die Ziele des Hellfire Clubs zu gewinnen. Dies führte u. a. zur Entwicklung von Jean Grey zur "Dark Phoenix", als aller ihre Kraft freigesetzt wurde. Der ganze Handlungsbogen endete damit, das Jean Grey sterben musste, da sie über zu große Kräfte verfügte. Vielleicht aber entscheiden sich die Autoren auch für eine andere, weniger düstere Variante, aber dass wäre dann nicht mehr X-Men like.
Rupert Schwarz, September 2000