Titel: Zweilicht
Eine Besprechung / Rezension von Melanie |
Das Cover des Buches ist in Grüntönen gehalten: Durch ein dichtes Blätterdach kann man das Gesicht einer jungen Frau erkennen, deren Augen von einem ähnlichen Grün sind wie die Blätter. Ein geheimnisvolles Cover, das an Feen und andere Waldwesen erinnert – und den Betrachter darüber grübeln lässt, was oder wen diese grünen Augen beobachten. Mir gefällt es, auch wenn ich mir nicht sicher bin, ob es so gut zum Inhalt des Buches passt.
Man könnte meinen, dass Welten aufeinanderprallen, wenn ein Junge aus Deutschland als Austauschschüler nach New York zieht. Im Vergleich zu dem, was bei Jay tatsächlich aufeinanderprallt, ist das jedoch nichts: Hin- und Hergerissen zwischen zwei Mädchen und einer Welt, die er nur an der Seite eines der Mädchen erblicken kann, muss Jay sich entscheiden.
Die Geschichte beginnt in New York mit der Beobachtung eines schlafenden Jungen. Die Beobachter sind nicht menschlich und fürchten den Schläfer, auch wenn er ihnen nicht gefährlich werden kann. Eine von ihnen ist jedoch faszinierend von dem Fremden – sie ist sich sicher, dass er zu ihr gehört. Der fremde Junge Jay ist die Hauptperson – und Dreh- und Angelpunkt der Geschichte. Jemand, der die Interesse gleich zweier Mädchen erringt – eine ebenso geheimnisvoll wie die andere. “Zweilicht” ist allerdings deutlich mehr als eine schlichte Dreiecksgeschichte zwischen einem Jungen und zwei Mädchen. Die Dreiecksgeschichte ist das Zentrum eines Konstrukts, von dem der Leser stets nur einen winzigen Teil betrachten kann. Damit macht man sich als Leser von einem sehr beschränkten Blickwinkel aus langsam ein Bild, das letztendlich absolut falsch ist – zumindest mich hat die Autorin sehr erfolgreich in die verkehrte Richtung gelotst.
Während man von Jay tatsächlich fast alles weiß, bleibt das Wissen über die Mädchen wage – aus Sicht eines Jungen vermutlich nicht so ungewöhnlich. Einige Begebenheiten in seiner Umgebung sind allerdings sehr wohl ungewöhnlich und zusammen mit den Hinweisen, die ihm sein Vater vor seinem Tod zukommen ließ, machen sie sowohl Jay als auch den Leser ziemlich nachdenklich – auch wenn keiner der Hinweise den entscheidenden Durchbruch bringt.
Tatsächlich vermischen sich an Jays Wegen die Realitäten: Nicht nur im Schlaf wird er beobachtet – und nicht nur die zwei Mädchen hüten ihre Geheimnisse. Die ganze Geschichte ist ein Rätsel, dessen Lösung den Leser erst gegen Ende erwartet. Mit einer Erkenntnis, die Jay und den Leser gerade noch rechtzeitig erreicht, um zu wissen, womit Jay sich unwissentlich angelegt hat – und damit steht man mit völliger Klarheit im Showdown.
Um “Zweilicht” zu mögen, sollte man ein Faible für Rätsel und Geheimnisse haben – in dieser Geschichte kann man nicht erwarten, den Durchblick zu haben. Man muss sich durch die Geschichte treiben lassen, um einen Blick hinter die einzelnen Handlungsfäden zu erhaschen und sich von den einzelnen magischen Momenten verzaubern und überraschen zu lassen.
Nina Blazon hat es damit wieder einmal geschafft, ein Buch zu schreiben, das neben überraschend auch magisch und romantisch, aber vor allem anders ist – und genau diese Andersartigkeit sollte der Grund sein, es mit “Zweilicht” zu versuchen. Mir jedenfalls hat es gefallen.