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Reihe: Kannibalen unter uns, Band 2 Titel: American Diner Autor: Marlon Baker Übersetzung: Richard Allenberry Buch/Verlagsdaten: Create Space / mysteria Verlag (2013); 600 Seiten; Taschenbuch; ISBN: 978-1479360581
Eine Besprechung / Rezension von Markus Solty (weitere Rezensionen von Markus Solty finden Sie auf seinem Blog Horror & Co.)
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„American Diner“ ist der zweite Band der Trilogie „Kannibalen unter uns“. 1998 soll der erste Band „Homestay“ zum ersten Mal als DNL-E-Book in Neuseeland veröffentlicht worden und mit über 5 Millionen Verkäufen die erfolgreichste DNL-E-Book-Trilogie aller Zeiten sein. So jedenfalls sagt es die vollmundige Werbung zu dem Buch. Nun erscheint sie auf Deutsch und zwar komischerweise zuerst mit Band 2. Weil, so Marlon Baker auf seiner Website www.marlonbaker.com, „nur diese Reihenfolge Sinn macht“. Inwieweit das stimmt oder ob es nur ein Marketing-Schachzug ist, kann ich nicht beurteilen. Auch zum so erfolgreichen Original findet man wenig bis gar keine Informationen in den Suchmaschinen des weltweiten Netzes.
Aber worum geht’s: Die Familie Bacon (Vater, Mutter, 15-jähriger Sohn) zieht aus Gründen, die wahrscheinlich etwas mit dem ersten Teil der Trilogie zu tun haben, aus der Großstadt Auckland in das eher beschauliche Lyttleton. Sie beziehen ein Haus, das von den alteingesessenen Einwohnern mehr oder weniger gemieden wird – eine Art Horror-Haus. Und in diesem Haus wollen die Bacons auch noch einen Diner eröffnen, der – nomen est omen – hauptsächlich Fleisch- und Wurstspezialitäten auf der Speisekarte haben soll. Der Titel der Trilogie lässt natürlich schon vermuten, um was für eine Sorte Fleisch es sich bei den besonderen Spezialitäten des Hauses handeln könnte. Die Hauptfigur des Buches ist aber der Spross der Familie, William Bacon, ein schmächtiger Junge, der so gar nicht nach seinem eher grobschlächtigen Vater kommt, Fleisch eher verabscheut und schon beim Anblick von Blut in Ohnmacht fällt. William hat die typischen Angst und Sorgen eines Jugendlichen, der neu in eine fremde Stadt kommt und ist sich über seine sexuelle Orientierung noch im Unklaren. Um etwas Extrageld in die, durch Hauskauf und Renovierungskosten gebeutelte Kasse zu bekommen, nimmt die Familie auch noch einen deutschen Austauschschüler auf. Die beiden gleichaltrigen Jungs kommen sich schnell näher...
Der Titel der Trilogie „Kannibalen unter uns“ und die Appetizer zum Buch bei Amazon haben mich sehr neugierig auf das Buch gemacht. Ein jugendlicher Protagonist, der dem Geheimnis seiner Eltern auf die Schliche kommt und nicht weiß, was zu tun ist; das hört sich für mich erst einmal interessant an. Aber beim Lesen kam dann doch schnell die Ernüchterung. Der Roman versucht sich an mehreren Themen. Ich versuche sie mal einzeln durchzugehen. Kannibalismus – Titel und auch versteckte Andeutungen schon zu Beginn weisen schnell in diese Richtung. Aber irgendwann reicht es auch mit den Andeutungen und ich als Leser will auch anstatt des siebten vorsichtigen versteckten Hinweises, dass es endlich mal zur Sache kommt. Spukhausgeschichte – Auch hier: Türen fallen so ins Schloss und das Haus hat eine furchtbare Vergangenheit. Aber welche das ist, das wird in den 600 Seiten des Buches vielleicht in 2 – 3 kleinen Absätzen erwähnt. Coming-of-Age-Geschichte – Ein 15-Jähriger, der die Anerkennung seiner Eltern sucht, der Angst vor Mobbing in seiner neuen Schule hat, der seine ersten sexuellen Erfahrungen macht. Das alles sind Zutaten zu einem Roman, der genau meinen Geschmack treffen könnte. Nur hat das Buch einiges, was fehlt. Es ist nicht spannend genug, um ein Thriller zu sein. Es ist nicht gruselig genug, um eine Spukhausgeschichte zu sein. Es ist nicht blutig genug, um ein Splatter-Roman zu sein. Es ist viel zu klischeehaft um eine gute Adoleszenz-Geschichte zu sein.
Dann ist der Roman viel zu lang. Mindestens die Hälfte ist in meinen Augen überflüssiges Geschwafel. William Bacon, der Protagonist, ist ein großer Fan des Autors Marlon Baker, der ja auch dieses Buch geschrieben hat. Soviel Cross-Promotion wie in diesem Buch habe ich noch nie vorher erlebt und das halte ich, mit Verlaub gesagt, für eine Frechheit. Dass der Autor selbst in seinem Buch vorkommt (nicht als Ich-Erzähler sondern als normale Figur wohlgemerkt) könnte man ja noch als misslungenen Versuch einer interessanten Erzählperspektive durchgehen lassen, aber diese permanenten Anspielungen auf die großartige Qualität der restlichen Werke Marlon Bakers gehen mit der Zeit nur noch auf die Nerven.
Die Figuren sind alle so gezeichnet, dass man nach zwei, drei Sätzen zu ihnen, genau weiß, wie sie in den folgenden Situationen reagieren werden. Alles ist vorhersehbar und nach Schema F gestrickt. Es gibt kein wirkliches Überraschungsmoment.
Dazu kommen auch noch logische Fehler. Wenn zwei, drei Seiten vorher eine Figur erklärt, sein Vater sei verschwunden und ist im Moment nicht erreichbar (und der Leser zu 90 Prozent weiß, was dieser verschwundenen Person passiert ist), wie kann er dann von ihm abgeholt und nach Hause gefahren werden. Und das ist nicht der einzige Fehler dieser Art. Da frage ich mich als Leser, warum niemand vor der Veröffentlichung dieses Buch mal ernsthaft auf solche leicht zu entdeckenden Fehler durchgesehen hat. Ich bin, weiß Gott nicht der aufmerksamste Leser und kann auch gerade bei selbstveröffentlichenden Autoren bezüglich Fehlern mal ein Auge zudrücken, aber wenn man schon einen 600-seitigen Roman für einen gewissen Preis veröffentlicht, erwarte ich ein bisschen mehr.
Was mir auch noch aufgefallen ist, sind einige Rechtschreibfehler bzw. Fehler in denen gleichklingende Wörter im falschen Zusammenhang genutzt worden sind, z. B. Meer und mehr. Für mich liest sich das so, als ob jemand eine Spracherkennungssoftware benutzt hat und ob der Länge des Textes nicht die nötige Ausdauer zu einer kompletten Korrekturdurchsicht gehabt hat.
Fazit: Die im Klappentext geschürten Erwartungen werden in keinster Weise erfüllt. Die erzählte Geschichte ist weder spannend noch interessant, die Selbstbeweihräucherung des Autors nervt und es gibt zu viele stilistische und logische Fehler. Mit einem vernünftigen Lektorat, einer Kürzung um zwei Drittel und einer Konzentration auf das Wesentliche hätte man durchaus noch etwas aus der Story machen können. In der jetzt vorliegenden Form muss ich leider von dem Buch abraten.
EDIT: Wie mir Marlon Baker mitgeteilt hat, ist aus Versehen in der mir vorliegenden ersten Auflage des Buches die unlektorierte Fassung veröffentlicht worden. Inwieweit die von mir bemängelten Fehler ausgemerzt sind, kann ich leider nicht beurteilen, da mir die neue Auflage nicht vorliegt