Titel: Die Bestimmung
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Ich höre dumpfe Schläge. Tritte. Lautes Stöhnen.
Ich blinzle ein paarmal und versuche, das Gesicht, das vor mir auftaucht, zu erkennen. Es ist wutverzerrt. Die Augen sind tiefblau.
"Four", stoße ich hervor.
Ich schließe die Augen. Seine Hände fassen unter meine Achseln. Er zieht mich übers Geländer und an seine Brust, nimmt mich hoch, schiebt mir einen Arm unter die Knie. Ich drücke mein Gesicht an seine Schulter und mit einem Mal ist es leer und still um mich.
Inhalt:
Beatrice lebt in einer Welt, in der die Gesellschaft in fünf Gruppen aufgeteilt wurde: Altruan - die Selbstlosen. Ken - die Wissenden. Amite - die Friedfertigen. Candor - die Freimütigen. Und Ferox - die Furchtlosen. Ein Test soll Klarheit für die Entscheidung für eine der Fraktionen bringen, doch bei Beatrice ist das Ergebnis unklar, was sehr gefährlich ist und ihr zum Verhängnis werden kann - aber niemand will ihr genaueres sagen.
Bei der Bestimmungszeremonie entscheidet sie schließlich, sich den Ferox anzuschließen, denn für das selbstlose Verhalten der Altruan, ihrer eigentlichen Fraktion, konnte sie sich noch nie begeistern. Doch dort droht allen ein Unheil, heraufbeschworen von denen, die sich endlich Macht sichern wollen...
Buchaufmachung:
Der Umschlag ist meiner Meinung nach sehr gut und passend zum Inhalt gestaltet. Über dem silbernen, leicht erhabenen Titel pragt ein Feuerzeichen, vermutlich das der Ferox. Unterhalb des Namens der Autorin ist eine Skyline zu sehen, vielleicht die des Stadtteils der Furchtlosen. Durch das ineinander übergehende Hell- und Dunkelblau werden gleichzeitig die düstere Atmosphäre der strengen Fraktion und die einzelnen schönen Momente deutlich gemacht.
Meine Meinung:
"Divergent" wurde in den USA ja ein echter Bestseller und ich bin unglaublich froh, dass es so schnell in die deutsche Sprache übersetzt wurde - denn so konnte ich den 1. Band der Dystopien-Trilogie von Veronica Roth schon jetzt lesen und mich vollkommen fesseln lassen...
Der Plot selbst strotzt nur so vor Originalität und Ideenreichtum. Natürlich ist dies ein Roman über eine veränderte Gesellschaftsform, in der die Menschen leben, doch es ist anders als man es kennt. Denn zwar gibt es auch hier eine Unterdrückung, diese geht aber hauptsächlich von verschiedenen Personen in den Fraktionen aus, nicht von der ganzen Regierung selbst. Außerdem fehlt ein sonst in Dystopien oft vorkommendes Detail beinahe zur Gänze beziehungsweise wurde anders aufgegriffen, was mir sehr zusagte. Aber da ich nicht spoilern will, werde ich hier nichts verraten.
Beatrice ist eine sehr interessante Persönlichkeit. Aufgewachsen bei den selbstlosen Altruan hat sie ihr ganzes Leben lang versucht, so zu sein wie ihre Eltern. Doch ihre Neugier und ihre Aufmüpfigkeit machen all ihre Anstrengungen zunichte. Sie weiß, dass sie nicht in diese Fraktion gehört, was ihr zu schaffen macht. Durch ihren Mut, zu den Ferox zu wechseln und auch ihren Mut, den sie immer wieder bei den Furchtlosen beweist, wird sie einem sehr sympathisch und man fiebert schnell mit ihr mit, was zum Teil wohl auch an der Ich-Perspektive liegt. Aber sie ist nicht nur stark, sondern hat auch ihre schwachen Momente, die sie nur umso menschlicher machen. Sie vereint beide Parteien in sich, was Veronica Roth sehr gut deutlich macht.
Auch die anderen Figuren wurden wunderbar charakterisiert, allen voran natürlich Four, Beatrice' Ausbilder, in den ich mich sofort verliebte. Er ist harsch und unnachgiebig, mutig und stark, doch er besitzt auch einen weichen Kern und kann sehr liebevoll sein. Er hat Geheimnisse, was ihn ein wenig mysteriös macht, aber nicht zu sehr, um nicht mehr authentisch zu sein. Und auch die restlichen Personen sind toll schraffiert: Der skrupellose Anführer Eric, der bärenstarke, jedoch viel zu sanfte Al, der durchtriebene, fiese Peter. Nicht jeder ist so, wie der anfangs scheint und oft kommt es zu Überraschungen in der Charakterentwicklung, etwas, was mir richtig gut gefiel.
Roth versteht es, absolut spannend und intensiv zu schreiben. Anders als ich es erwartet hatte, wird Beatrice nicht sofort eingegliedert, sondern muss erst mit den anderen Anwärtern eine Reihe von Prüfungen bestehen, um aufgenommen zu werden - bei denen auch die Chance besteht, rauszufliegen. Immer wieder müssen die Jugendlichen Aufgaben bestehen oder Kämpfe gegen ihre Mitläufer ausfechten, denn nur die ersten 10 kommen am Ende rein. Es ist ein steiniger Weg, bei dem ich die gesamte Zeit über mitfieberte und mitbangte. Aber auch die zarten Bande, die zwischen Four und Tris', wie sie sich nennt, geknüpft werden, zogen mich komplett in ihren Bann und ich konnte zwischendurch schon gar nicht mehr an mich halten, so wunderschön und vor allem so anders empfand ich die Beziehung.
Zum Schluss wartet die Autorin dann noch einmal mit einem Finale der Extraklasse auf. Das versprochene Unheil zieht herauf und droht Beatrice und ihre Lieben zu verschlingen. Einzig ihr und Four kann es gelingen, dieses zu stoppen, doch die Gegner sind mächtig...Es ist so spannend, so intensiv, dass ich nicht aufhören konnte zu lesen, der Schreibstil ist so flüssig und dabei doch so bildlich, dass man nur so hindurchrast. Hier wird auch nicht vor dem Töten zurückgeschreckt, ja auch nicht vor dem von liebgewonnenen Charakteren. Ich war entsetzt und gefesselt, so sehr, dass es mir schwer fiel, wieder aus der Geschichte hervorzutauchen. So, wie es mir jetzt schwerfallen wird, geduldig auf den nächsten Band zu warten...
Fazit:
Mit "Die Bestimmung" hat Veronica Roth eine Dystopie der Meisterklasse geschaffen. Wunderbar schraffierte Charaktere, ein ausgeklügelter Plot, nicht nachlassende Spannung und ein begeisterndes Paar - was will man denn mehr? Ich jedenfalls war und bin vollkommen hin und weg - mehr bitte! 5 Punkte.