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Titel: Der Zeitsprung
Eine Besprechung / Rezension von Rupert Schwarz |
Hugh Farnham hätte nie gedacht, dass er den Atombunker im Garten je nutzen würde, doch dann kommt es zur Katastrophe. Zusammen mit seiner Frau Grace, seinen Kindern Duke und Barbara, dem schwarzen Diener Joe und ein paar Gästen suchen sie Schutz im Bunker. Als sie den Bunker verlassen, hat sich die Welt verändert und Hugh Farnham muss irgendwie die Gruppe zur Zusammenarbeit bewegen. Doch die Spannungen sind da: zwischen ihm und seinem Sohn, zwischen den Weißen und dem schwarzen Diener und auch zwischen Hugh und seiner alkoholsüchtigen Ehefrau. Bevor jedoch die Dinge eskalieren, stellt die Gruppe fest, dass die Erde sich stark verändert hat. Von Radioaktivität ist nichts zu bemerken, und der einzige Schluss, der bleibt, ist die Tatsache, dass sie in eine ferne Zukunft versetzt wurden. Bald stellen sie fest, dass die Welt durchaus noch bewohnt und die herrschende Kaste aus Schwarzen oder dunkelhäutigen Menschen besteht. Farnham und seine Gefährten müssen sich dem neuen Establishment anpassen, ob sie wollen oder nicht. Wer nicht arbeitet wird angepasst, das heißt: Mit Drogen wird der Wille gebrochen und die Person zu einem willenlosen Sklaven gemacht. Doch das ist noch nicht das Schlimmste.
"Farnham's Freehold" - auf Deutsch "Reise in die Zukunft", "Straße des Ruhms" oder "Franhams Oase" und nun zuletzt "Der Zeitsprung" - ist eines von Heinleins provokativsten Büchern. Man muss sich verdeutlichen, dass 1964 der Rassismus noch an der Tagesordnung war, und auch wenn Farnham ein moderner Mensch war, betrachteten andere Mitglieder der Gruppe Joe als Nigger. Der Wechsel in der Gesellschaft, die Tatsache, dass die Weißen für den Atomkrieg verantwortlich gemacht wurden und deswegen von den Afrikanern und Chinesen unterdrückt wurden, ist ebenso provokativ wie die Versklavung der Menschen in einem menschenverachtenden System. Gekrönt wird das Ganze noch durch eine sehr frauenfeindliche Grundstimmung. In der Zukunft sind Frauen Menschen zweiter Klasse - sogar Sklaven und leben in einer Art großem Harem. Am allerschlimmsten ist jedoch, dass der Lehnsherr am liebsten das Fleisch von jungen Frauen isst.
Man sieht: Das ist ein richtig gemeines Buch, das den Leser immer wieder vor den Kopf stößt und auch einige schockierende Wendungen enthält. Mit diesem Buch wollte Heinlein provozieren und das Ziel seiner zynischen Anklage war eindeutig das Spießbürgertum der 60er Jahre in den USA. Trotz allem aber ist das Buch interessant und spannend. Heinlein lotet die Tiefen der menschlichen Abgründe aus und zeigt ganz deutlich das gefährlichste Tier der Erde in einer schonungslosen Weise. Heinlein selbst war ein Liberalist erster Güte. Seine Lebensphilosophie durchdringt alle seine Werke. Es war seine feste Meinung, dass Freiheit aktiv erarbeitet werden muss und dass alle Menschen nur nach ihren Taten beurteilt werden müssen. Die ist aus heutiger Sicht eine sehr aktuelle und wegweisende politische Einstellung.
7 von 10 Punkten