Titel: Orlando |
1928 schrieb Virgina Woolf einen sehr surrealen, aber auch für sie sehr verspielten und witzigen Roman mit dem Titel Orlando. Eine Biografie. Darin gibt es viele Anspielungen auf ihre Autorenkollegin und damalige Geliebte Vita Sackwille-West, die sie in die Geschichte mit einfließen lies, welche das unsterbliche Leben des jungen Adeligen Orlando Sackville (Tilda Swinton) beschrieb, der Ende des 16.Jahrhunderts zu Zeiten Königin Elisabeths I. (Quentin Crisp) lebte.
Durch den Wunsch "Verblühe nicht, welke nicht und werde alt!" der damaligen Königin von England an ihren Günstling, sollte er die Jahre bis heute durchleben und sammelte dabei Erfahrungen die sein weiters Leben prägen sollten. Sally Potters Verfilmung ist dabei in verschiedenen Episoden gegliedert, welche dabei Orlandos langes Leben und seine Erfahrung mit dem Tod, der Liebe, der Poesie, der Politik, im Bereich der Gesellschaft und dem Sex vertieft.
Trotz dieser Erfahrung ist aber Orlando noch immer in den konventionellen Zwängen und Pflichten dieser Jahrhunderte gebunden. Im tiefen Schlaf überbrückt er dabei längere Zeitperioden und als er durch das hautnahe Miterleben des Krieges, in seiner Funktion als englischer Botschafter im Osmanischen Reich am Anfang des 18. Jahrhunderts, vom Anblick der getöteten Opfer sehr geschockt wird, wechselt er über Nacht sogar das Geschlecht und wird zur begehrenswerten Frau. Dabei trifft sie auf weitere Schwierigkeiten und Einschränkungen, da die Jahrhunderte doch sehr männlich geprägt sind und sie es als Frau nicht ganz so einfach hat, ihren Weg zu gehen. Erst zur Gegenwart kann sich Orlando frei wähnen und ihr Leben leben, welches sie in Form eines Romans niederschreibt.
Die Regisseurin Sally Porter erschuf 1992 mit der Verfilmung des doch sehr ungewöhnlichen Woolf-Romans ein kleines Kunstwerk, welches auch mit vielen Auszeichnungen gewürdigt wurde. Dabei entstand ein wunderschöner, opulenter und ruhiger Kostümfilm, mit sehr viel Witz und Charme.
Sehr hervorzuheben ist hierbei auch die Titelrolle der Darstellerin Tilda Swinton, die der fiktiven Romanfigur Orlando mit ihrer androgynen Darstellungsweise ein so glaubwürdiges Leben einhaucht, dass man sich keine andere Besetzung für die Rolle denken kann, auch wenn der männliche Part ihrer Rolle nicht immer zu klappen vermag. Dies ist aber auch ein wenig die Schuld der Synchronisation, denn im Deutschen klingt die Synchronstimme weiblicher als bei Swintons Originalstimmlage.
Aber auch die Rollen der anderen Darsteller wurden wunderbar besetzt. Musikfans der Achtziger Jahre werden am Anfang und Ende des Filmes einen Bekannten wiedersehen, denn Jimmy Somerville ("Bronski Beat","Communards") hat kleine Kurzauftritte als androgyner, engelsgleicher Sänger und dient gleichzeitig als Brücke zwischen den Jahrhunderten in Orlandos Leben.
Orlando ist eine philosophische Betrachtung des Themas Liebe und Weiblichkeit im Laufe der vergangenen 4.Jahrhunderte. Orlandos Unsterblichkeit und die Verwandlung des Geschlechtes werden im Film eher zur Nebensächlichkeit, die auch nicht weiter vertieft werden. Was aber auch gar nicht stört, denn irgendwie stellt sich die Frage nicht. Es ist einfach so.
Technisch gesehen macht die DVD allerdings keine großen Sprünge. Das anamorphe Bild ist zwar sehr klar und farbkräftig, wirkt aber auch sehr weich gezeichnet, etwas blass und neigt stellenweise zum Flächenrauschen. So sind auch oft Verschmutzungsspuren zu sehen. Hier hätte man doch ein wenig mehr herausholen können. Den Dolby Surround-Track kann ich angesichts der Räumlichkeit als sehr gut bezeichnen. Dies merkt man zum Beispiel an der anfänglichen Bankettszene bei der man sehr gut mit in die Szene eingebunden wird. Die Dialoge sind auf beiden Tonspuren sehr klar verständlich, wodurch die Originaltonspur etwas besser klingt als die deutsche Synchronisation und sogar mit geringeren Englischkenntnissen sehr gut zu verstehen ist. Man kann aber leider nicht zwischen den Tonspuren wechseln und die Originaltonspur ist Zwangsuntertitelt. Weitere Untertitel gibt es indes keine und als Extras gibt es nur Trailer zu sechs anderen Filmen von Arthaus.
Schade, auch hier hätte man noch einiges dazu machen können. So findet man nur in dem vierseitigen Booklet eine Seite mit kurzen Texten über die Autorin Virginia Woolf und die Regisseurin Sally Porter.
Ich kann den Film für einen ruhigen, romantischen Abend zu Zweit bei Kerzenlicht sehr empfehlen, aber auch für die Fans von Literaturverfilmungen. Denn die Umsetzung des Romans ist hier gut gelungen. Von der Thematik werden wohl hier mehr die weiblichen Zuschauer angesprochen, aber die Herren der Schöpfung sollten dem Film eine Chance geben, soweit noch nicht schon geschehen.
Fazit: 8 von 10 Punkten