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Titel: Der Herr der Welt Eine Rezension von Martin Wagner |
Das 20. Jahrhundert brachte viele Utopien und viele Dystopien hervor. Betrachtet man sich das Jahrhundert, ist es kein Wunder, dass Wünsche aber auch Ängste viele Autoren dazu ermutigten solche Romane zu schreiben, denn in allen Bereichen des Lebens kam es zu Wandel, der nicht immer positiv war. Kriege, Gewalt und wirtschaftliche und gesellschaftliche Änderungen, die am Horizont zu sehen waren, lieferten bereits genug Material, aber auch neue Erfindungen, für die oben genannten Bereiche, machten es den Autoren leicht, düstere Zukunftsaussichten in Worte zu fassen.
Bekannte Dystopien sind „1984“ und „Schöne neue Welt“, etwas weniger bekannt, aber nicht weniger analytisch und ebenfalls mit Weitsicht geschrieben, ist der endlich vollständig übersetzte Roman „Der Herr der Welt – Das Armageddon Protokoll“ von Robert Hugh Benson. Deutlich religiöser als die anderen genannten - Benson war Sohn eines anglikanischen Würdenträgers und selbst katholischer Geistlicher - ist es eine Dystopie, die sich abgrenzt und doch genug mit den anderen gemein hat, um in einem Atemzug genannt zu werden.
Der Protagonist des Romans ist der Priester Percy Franklin, der in England für die katholische Kirche tätig ist und alles andere als ein leichtes Leben hat, denn die katholische Kirche ist dort nicht gerade beliebt und der Glaube selbst am Aussterben. Percy erlebt das deutlich, als er der Mutter eines hohen Politikers, Oliver Brand, die Sakramente schenken will und von dem Sohn aus dem Haus gewiesen wird. Oliver Brands Leben und Percys Leben sind dann der Leitfaden der Geschichte. Während Oliver Brand dem charismatischen politischen Führer Julian Felsenburgh, der für einen materialistischen Humanismus steht, erliegt und dessen Zielen, die Vernichtung aller Religionen, dienlich ist, muss Percy nicht nur die Gläubigen, sondern schlussendlich die katholische Religion beschützen. Als sich dann noch offenbart, dass Julian Felsenburgh der Antichrist ist und seine Taten alles andere als human sind, wird es immer dramatischer. Percy muss England verlassen und höhere Ämter in der Kirche annehmen, Oliver wird immer loyaler und verrät auch seine eigenen Ideale, während seine Frau zwischen Glaube und Loyalität schwankt. Ein glückliches Ende scheint, zumindest auf den ersten Blick, für keinen möglich.
Eine interessante Herangehensweise an die Tage der Apokalypse, wie sie in der Bibel beschrieben werden und mit erstaunlichem Weitblick. Das Buch ist um die Jahrhundertwende geschrieben und 1906 schließlich veröffentlicht worden und doch gibt es zum Beispiel Bomben, die alles vernichten können, und eine gemeinsame europäische Regierung, die den einzelnen Ländern große Freiheiten lässt. Die Religiosität mag für den einen oder anderen schwer zu greifen sein, aber ich finde, dass gerade das den Roman ausmacht, er ist deshalb anders als die rein politischen Dystopien und gleichzeitig auch gesellschaftskritisch, wie die anderen Dystopien. Die Aussagen im Vorwort, dass der Roman zu langatmige Passagen beinhaltet und deshalb keinen Spaß machen würde, kann ich auch nicht nachempfinden. Ich finde das Buch rundum gelungen und mit einer tollen Spannungskurve ausgestattet. Die Protagonisten und Antagonisten sind absolut gelungen und entwickeln sich absolut passend. Nie stellt man sich die Frage, wieso eine Figur etwas tut, denn diese Dinge ergeben sich einfach logisch. Für mich eine Dystopie, die bekannter gemacht werden muss, denn sie hat es mehr als verdient.
Fazit:
„Der Herr der Welt“ von Robert Hugh Benson ist eine Dystopie, die es verdient in einer Aufzählung mit „1984“ und „Schöne neue Welt“ genannt zu werden. Sie ist mit äußerstem Weitblick verfasst und aufgrund ihrer Religiosität doch etwas besonderes, denn das wurde bisher auf diese Art und Weise nicht dargeboten. Dazu kommen dann noch absolut gelungene Protagonisten und Antagonisten und eine spannende Geschichte. Was will man mehr?