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Titel: Hüter der Erinnerung
Eine Besprechung / Rezension von Katja Lehmann |
Inhalt:
Jonas lebt in einer Gemeinschaft, in der die Gleichheit ein wichtiger Bestandteil des Systems ist. In dieser Welt gibt es weder Schmerz noch Leid, weder Gefühle noch sonstige Empfindungen. Für die Menschen gibt es nur Schwarz und Weiß, Farben kennen sie nicht. Jonas ist ein Elfer und steht kurz vor der Zwölfer-Zeremonie, bei der den jungen Menschen ihre zukünftigen Berufe mitgeteilt werden, die für sie vorgesehen sind. Jonas ist etwas besonderes, denn er wird zum Nachfolger des Hüters der Erinnerungen ernannt, dem einzigen Menschen in der Gesellschaft, der durch die Erinnerungen aus der Vergangenheit jemals Gefühle entwickeln und verstehen kann.
Fazit:
“Hüter der Erinnerung” erschien bereits Anfang der 90er Jahre und stammt aus der Feder von Lois Lowry. Durch den gleichnamigen Film, der 2014 in die Kinos kam, wurde das Buch aus der Schublade gekramt und neu aufgelegt, was angesichts der ziemlich hässlichen, alten Ausgaben ein wahrer Segen ist, zumal auf dem Cover der Neuausgabe das Filmmotiv zu sehen ist. Lois Lowry beschreibt eine Welt, in der alles auf den ersten Blick perfekt scheint. Die Menschen leben sehr geregelt in Frieden und Harmonie miteinander und sorgen dafür, dass das System mit ihrer Hilfe perfekt funktioniert. Wer aus der Reihe tanzt, wird freigegeben, doch keiner weiß so wirklich, was dies eigentlich heißt. Bis zu ihrem zwölften Lebensjahr (wobei es keine direkten Geburtstage gibt – alle Kinder eines Jahrgangs steigen am gleichen Tag eine Lebensstufe auf) durchlaufen die Kinder einen sehr geregelten Rhythmus. Erst durch ihre Praktikumsstunden gehen sie getrennte Wege, da sie damit ihre beruflichen Vorlieben erkunden und ausüben können. Ab dem zwölften Lebensjahr wird ihnen nach intensiver Beobachtung und Beurteilung ihr idealer Beruf zugeteilt. Ab diesem Punkt gehen sie in die Ausbildung, schließen diese ab, arbeiten in diesem Beruf, bekommen im Idealfall einen Partner und können ein Kind beantragen. Sie tragen stets die gleiche Kleidung, haben einen vollkommen geregelten Ablauf und halten sich an sämtliche Regeln. Diese Gleichheit, die Lois Lowry geschaffen hat, wirkt auf einen Leser wie mich nicht nur vollkommen langweilig (wer will bitte jeden Tag stur das Gleiche machen?), sondern auch erschreckend, zumal es in dieser Welt auch keine Gefühle gibt und die Menschen das eigenständige Denken somit vollkommen verlernt haben.
Dieses Buch sticht nicht nur durch die erschreckende Geschichte hervor, sondern auch durch den sehr intelligenten Schreibstil. Dieser ist zwar ziemlich einfach gehalten, aber dadurch, dass es in dieser Gemeinschaft nicht viele Worte gibt und selbst der Sprachgebrauch geregelt und präzise vorgeschrieben ist, passt er unglaublich gut zur Geschichte und macht diese dadurch authentischer.
Anders als sonst habe ich das Buch erst gelesen, nachdem ich den Film im Kino gesehen habe. Dieser gehört definitiv zu meinen Jahreshighlights im Jahr 2014, da er mich nicht nur ziemlich beeindruckt, sondern auch sehr berührt hat. Über das Ende möchte ich nichts verraten – aber ich habe geweint. Viel geweint. Und das nicht, weil ich traurig war, sondern aus dem Grund, dass es schlichtweg perfekt war.
Die Unterschiede zwischen Buch und Film sind ziemlich gravierend und es ist das erste Mal, dass ich wirklich sagen muss, dass mir der Film um einiges besser gefallen hat, als das Buch. Die Romanvorlage ist auf Grund seines Alters natürlich nicht mal annähernd so modern wie die Verfilmung, in der auf moderne Technik und eine Liebesgeschichte zurückgegriffen wird, die es in der Romanvorlage schlichtweg nicht gibt. Auch das Alter der Protagonisten variiert und beim Film hatte ich tatsächlich das Gefühl, dass dieser viel mehr in die Tiefe ging.
Die Romanvorlage kommt mir im Nachhinein irgendwie unfertig vor, obwohl sie mich während des Lesens sehr gut unterhalten hat. Trotzdem war sie ziemlich oberflächlich gehalten und ich hätte mir viel mehr Informationen gewünscht. Das Buch ist einfach zu kurz und es erweckt in mir irgendwie den Eindruck, als sei es eher ein “Buch zum Film”, die ja bekanntlich nicht gerade tiefgründig sind und literarische Meisterleistungen aufweisen können (es sei denn, sie stammen von Peter David!).
Es fällt mir unheimlich schwer, mir eine Meinung zu diesem Buch zu bilden. Eigentlich mochte ich es. Aber den Film mochte ich mehr. Vermutlich ist das so ein Phänomen: Entweder Buch oder Film. Oder: Erst Buch lesen, dann Film gucken. Aber auf gar keinen Fall anders herum.