Titel: Life of Pi – Schiffbruch mit Tiger Eine Rezension von Sonja Buddensiek |
"Wissen Sie, ich habe so viel zurückgelassen - meine Familie, den Zoo, Indien, Anandi...Ich nehme an, das ganze Leben ist gewissermaßen eine Übung darin, loszulassen. Aber was am meisten weh tut, ist, keine Zeit zu haben, um sich zu verabschieden."
STORY
Der nach einem Schwimmbad benannte Piscine Militor Patel, kurz Pi, wächst in Pondicherry, Indien, auf und muss - gerade als er sich zum ersten Mal verliebt hat - mit seiner Familie und ihrem Zoo nach Montreal, Kanada, auswandern. Doch das Schiff sinkt während der Passage nach einem schweren Sturm; seine Eltern, sein Bruder und die gesamte Mannschaft ertrinken. Nur Pi kann sich in ein Rettungsboot retten. Doch er ist nicht allein. Richard Parker, der Tiger des Zoos, hat sich dort ebenfalls verkrochen und die beiden müssen lernen, miteinander auszukommen...
MEINE MEINUNG
"Life of Pi" ist ein Film der etwas anderen Art und aufgrund der eher abenteuerlichen Thematik eigentlich kein Film, den ich mir anschauen würde. Eigentlich. Eher ein wenig unfreiwillig, aber doch neugierig, wollte ich gern mal wieder einen 3D-Film ausprobieren - und kam komplett überwältigt aus dem Kino wieder raus. Ang Lee hat mit diesem Kunstwerk etwas geschaffen, dass einen noch lange nachdenken und ganz sicher nicht so schnell wieder loslässt. Ob es nun an der fabelhaften Art der Tieranimation, dem gelungenen 3D, den tollen Schauspielerin oder den wunderschönen Aufnahmen liegt - atemberaubend ist das Ganze in jedem Fall.
Der bisher noch unbekannte Suraj Sharma stellt den jungen Pi so authentisch, leidenschaftlich, verletzlich und gleichzeitig stark dar, dass man das Gefühl hat, es wäre nicht nur eine Rolle, sondern tatsächlich er selbst. Aufgrund der wenigen Figuren muss der den Film beinahe allein tragen und das gelingt im grandios - ich hoffe, von ihm noch mehr zu sehen. Irrfan Khan, der vielen aus "Slumdog Millionär" bekannt sein dürfte, spielt Pis älteres Ich, das einem erfolglosen Schriftsteller von der Geschichte erzählt. Dabei gelingt es ihm, im Zuschauer sowohl Freude als auch Trauer zu erwecken, was zum Teil aber auch an der ausdrucksvollen Synchronstimme liegen mag.
Den Autoren, der aufgrund eines Tipps zu Pi kam, mimt Rafe Spall zwar nicht besonders aussagekräftig, aber doch zufrieden stellend. Die wenige Präsenz mag dazu beitragen, dass das Schauspiel nicht lange im Kopf bleibt. Toll anzusehen waren aber vor allem die drei Jungen, die Pi im Kindesalter spielen und schon da ein wunderbares Talent an den Tag legen, das unverkennbar ist. Viele Figuren gibt es nicht, die wenigen - wie beispielsweise Mutter und Vater - sind aber klar gezeichnet und machen den Film so lebendig. Einen interessanten Aha-Effekt gibt es übrigens durch einen bekannten französischen Schauspieler in einer Nebenrolle als Koch. Diesen will ich hier aber nicht vorwegnehmen; man lasse sich einfach überraschen!
Die erste halbe Stunde von "Life of Pi" geht es noch nicht um die Schiffsreise, sondern eher um das Leben des Protagonisten. Und wenn man sich anfangs auch fragt, warum das Ganze denn so lange dauert, wird doch spätestens bei der Passage klar, dass genau die Dinge, die vorher zu sehen waren, alle darauf hinführten, was auf dem Weg nach Kanada passiert: Pi geht über Bord, gemeinsam mit dem einzigen Rettungsboot, und muss hilflos zusehen, wie das Schiff mit seiner Familie und der Mannschaft untergeht. Und dann muss er sich auch noch mit dem monströsen Tiger Richard Parker zurechtfinden, der sich plötzlich im Boot findet und ihn immer wieder angreift...Trotz weniger Sprache und viel Stimme aus dem Off, ist der Film die gesamte Zeit über spannend. Die Story um den Überlebenskampf des Jungen, das Auseinandersetzen mit dem Tiger und die Einsamkeit nimmt gefangen und fesselt bis zur letzten Minute.
Und Ang Lee schafft hier das, was nur selten wirklich gelingt: Er raubt den Zuschauern den Atem mit den unfassbar schönen Bildern. Ob nun ein Meer voller Leuchtquallen, eine Insel voller Erdmännchen oder glaubwürdig animierte Tiere - das alles ist so atemberaubend schön, dass man es gern wieder und wieder sehen würde. Und tatsächlich trägt das 3D hier seinen Teil bei. Denn im Gegensatz zu anderen Filmen, wo man keinen Unterschied sieht, kommt es hier nicht selten vor, dass man glaubt, mittendrin zu sein und die Landschaften und Tiere direkt vor sich zu sehen. Natürlich fehlen die üblichen Schreckmomente nicht, darüber kann man aber leicht hinwegsehen. Und obwohl der Streifen viele Religionen bespricht und einen philosophischen Anklang hat, muss man keine Angst haben, hier mit dem Glauben überschüttet zu werden - das Ganze bleibt immer dem Zuschauer überlassen und schließt am Ende mit einem wunderbar nachdenklich stimmenden Satz ab. Perfekt!
FAZIT
Zu "Life of Pi: Schiffbruch mit Tiger" könnte ich ganze Aufsätze verfassen und es würde nicht reichen, daher belasse ich es bei diesem Text. Die Bilder sind einfach zu atemberaubend und zu wunderschön, um sie zu beschreiben, und in 3D wirken sie tatsächlich wie greifbar nahe. Die Schauspieler agieren perfekt, die Geschichte selbst ist spannend, traurig und philosophisch, ohne dabei je zu erdrücken. Wer diesen Film nicht schaut, verpasst - wie ich finde - einen der wahrscheinlich besten Filme des Jahres! 5 verdiente Punkte.