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Eine Rezension von Judith Madera (Weitere Rezensionen von Judith Madera findet ihr hier auf fictionfantasy oder auf ihrer Website www.literatopia.de) |
Yato ist immer noch ein obdachloser Gott, der von kleinen Aufträgen lebt und von seinem eigenen Schrein nur träumen kann. Das setzt auch seinem Shinki Yukine zu. Zwar stellt der Junge eine starke Götterwaffe dar, doch er ist totunglücklich und fängt an zu lügen und zu stehlen. Normalerweise müsste Yato ihn deswegen verstoßen, da das Fehlverhalten eines Shinkis sich auf seinen Besitzer überträgt. Yatos Körper ist bereits von dunklen Verderbnisflecken gezeichnet und wenn er Yukine nicht bald in den Griff bekommt, könnte er sogar sterben. Und dann stellt ihm auch noch ein Unheilsgott aus seiner Vergangenheit nach und benutzt Hiyori, um Yato altes Ich zum Vorschein zu bringen…
In den ersten Episoden machte Yato keinen besonders fähigen Eindruck. Der Gott erschien mehr wie ein gedankenloser Streuner, der große Träume hat, aber diese mit seinen Methoden niemals verwirklichen kann. Allerdings ist Yato sich auch für nichts zu schade und erfüllt jeden Wunsch, selbst wenn es nur darum geht, zu putzen. Sein Umgang mit Yukine erschien bisher harsch und unsensibel, doch nun erkennt man, dass Yato es durchaus gut mit dem Jungen meint. Nur kann er ihm bei seiner Trauer nicht helfen, denn Yukine ist nun einmal tot und kann nicht mehr am normalen Leben teilnehmen. Das Einzige, was Yato für ihn tun kann, ist die Stiche zu ertragen, die Yukine ihm mit seinem Fehlverhalten zufügt.
Obwohl Yukine sich zu einem Lügner und Dieb entwickelt und inzwischen wie ein aggressiver, trotziger Teenager erscheint, kann man sein Verhalten gut nachvollziehen. Yukine hat keinerlei Erinnerung an sein Leben als Mensch und durch seinen frühen Tod bleiben ihm die Erfahrungen, wie beispielsweise Hiyori sie in der Schule macht, verwehrt. Er wünscht sich nichts sehnlicher, als Freunde zu haben und ganz normal zur Schule zu gehen, doch als Shinki ist das natürlich nicht möglich. Die meisten Menschen nehmen ihn nicht einmal wahr. Seine Wut und Verzweiflung darüber führt letztlich dazu, dass er droht, sich in einen Ayakashi zu verwandeln und Yato damit umzubringen.
Hiyori, die Yato bisher für sein Verhalten gegenüber Yukine kritisiert hat, erkennt nun, dass der Gott sich für sein Shinki aufopfert. Sie ist entsetzt, als sie hört, dass Yato sterben könnte, wenn er Yukine nicht verstößt oder dieser endlich mit dem Lügen und Klauen aufhört. Zwar tritt ihr eigenes Problem, dass sie regelmäßig ihren Körper verlässt und zu einem Halb-Ayakashi wird, in den Hintergrund, doch Hiyori hat Yato und Yukine inzwischen so gern, dass sie alles tut, um die beiden zu retten. Während sie für Yukine nur freundschaftliche und mütterliche Gefühle hegt, bringt Yato sie immer wieder durcheinander und zwischen den beiden deutet sich eine leise Liebesgeschichte an – die der Feind aus Yatos Vergangenheit nutzt, um den obdachlosen Gott zu provozieren.
Während sich die Lage für die Protagonisten immer weiter zuspitzt, lernt man auch die anderen Götter ein wenig besser kennen. Bishamon will Yato immer noch umbringen, allerdings wird die Kriegsgöttin mit den vielen Shinkis von der Unglücksgöttin Kofuku in Schach gehalten. Diese kann nämlich vorhersagen, wo sich Wurmlöcher öffnen und wo dementsprechend mit einem Ayakashi-Angriff zu rechnen ist. Dabei bleibt offen, ob Kofuku die Ayakashi nicht sogar mit Absicht ruft, um Bishamon zu beschäftigen. Denn Kofuku scheint Yato sehr zu mögen, trotz seiner dunklen Vergangenheit. Unter ihrer mädchenhaften und quirligen Fassade steckt jedenfalls ein vielschichtiger Charakter.
Die zwölf Episoden der ersten Staffel bauen konsequent aufeinander auf und in der zweiten Hälfte kocht die Spannung extrem hoch. Vor allem Yatos unheilvolle Vergangenheit wirft viele Fragen auf, ebenso wie das Erscheinen eines Shinkis, das viele Namen trägt und entsprechend von vielen Göttern genutzt werden kann – allerdings sind solche Shinkis bei den meisten Göttern verpönt, da sie als treulos und gefährlich gelten. Je mehr man über die Götterwelt in Noragami erfährt, umso interessanter wird diese. Das Staffelfinale fällt gleichermaßen actionreich wie emotional aus und bringt die Geschichte zu einem vorläufigen Abschluss, sodass die zweite Staffel nicht zwingend notwendig, aber sehr erwünscht ist. Noragami Aragoto wurde Ende letzten Jahres in Japan ausgestrahlt und kommt wohl ebenfalls nach Deutschland.
Fazit
Die zweite Hälfte von Noragami ist extrem spannend: Yato leidet unter dem Fehlverhalten seines Shinkis und dann meldet sich auch noch seine unheilvolle Vergangenheit zurück – in Gestalt eines bösen Gottes, der Hiyori benutzt, um Yato zu schwächen. Die Welt der Götter und Ayakashi wird zunehmend komplexer, während Yatos Rolle in diesem Gefüge allmählich Gestalt annimmt. Insgesamt eine tolle erste Staffel, die emotional mitreißt und mit vielschichtigen Charakteren sowie einem ausgewogenen Mix aus dynamischer Action und nachdenklichen Szenen glänzt.
Szenenbilder: Copyright by Adachitoka / Kodansha / Noragami Production Committee / KSM Anime 2015