Serie / Zyklus: Comic zum Engel-Rollenspiel Besprechung / Rezension von Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Pandoramicum ist der "zeichnerische" Spin-Off zum Rollenspiel "Engel", welches, vom Verlag Feder & Schwert entwickelt, in kurzer Zeit zu einer festen Größe auf dem deutschen Rollenspielmarkt geworden ist. Die Roman-Trilogie Hiobs Botschaft, die CD Engel: Der Soundtrack sowie der Comic, dessen Story gleichsam einen Prolog zu den Büchern darstellt, haben dabei sicherlich einen nicht unerheblichen Teil zur Popularität dieses Spieles beitragen.
Erzählt wird die Geschichte der vierzehnjährigen Lale. Vor fünf Jahren verschleppten Beutereiter ihren Bruder Rabe in den Himmel der Ragueliten. Damals folgte sie ihm in die Heimatfeste des Ordens. Seitdem lebt sie im Verborgenen und nur der mittlerweile in einen Engel transformierte Rabe und Kartograph der Ragueliten, Cumulus, wissen um ihre Anwesenheit.
Eines Tages betritt ein mysteriöser Fremder den Himmel, um den Abt der Ragueliten vor der bevorstehenden Zerstörung der Trutzburg durch das Fegefeuer zu warnen und ihm gleichzeitig eine mächtige, uralte Waffe - das Pandoramicum - gegen die Kreaturen der Traumsaat an die Hand zu geben, denn das Buch der Ragueliten darf unter keinen Umständen in die Hände des Feindes fallen.
Mit dem Wissen aus diesem Buch wäre der Herr der Fliegen in der Lage, "schwarze Engel" des Todes und der Zerstörung zu erschaffen. In seiner Ignoranz und Selbstgefälligkeit schlägt der Abt Hilfe und Rat des Fremden in den Wind, wirft das Artefakt in einen tiefen Brunnen und versucht stattdessen durch ein bizarres, selbstzerstörerisches Ritual der Gefahr Herr zu werden. Der Versuch misslingt und so sammeln sich die Heerscharen der Ragueliten zu einem letzten Kampf.
Währenddessen erfährt Lale, die den größten Teil des Geschehens aus ihren Verstecken verfolgen konnte, durch den Fremden ihre Bestimmung. Sie ist eine der Heldinnen, in deren Macht es seit Urzeiten liegt, die geheimnisvolle Waffe zu benutzen. Im Inferno des Kampfes und in den Trümmern des zusammenstürzenden Himmels macht sich Lale voller Zweifel auf die Suche nach dem Pandoramicum.
Mit der Trilogie um Merle und die fließende Königin, dem "Sieben-Siegel"-Kinderbuchzyklus des Loewe-Verlags oder Romanen wie Die Alchimistin gehört Kai Meyer aktuell zu den renommiertesten und beliebtesten deutschen Fantasy- und Kinderbuchautoren; Pandoramicum stellt sein Debüt als Comic-Autor dar.
Dieter Jüdt arbeitet seit 1993 als freier Illustrator für verschiedene Verlage und veröffentlichte seitdem auch einige Graphic Novels - darunter Vriconium und Shaman's Blues.
Fernab vom Comic-Mainstream gelingt es beiden Künstlern ein fesselnde Geschichte in kraftvollen Bildern zu erzählen.
In der Seitengestaltung bedient sich Jüdt im wesentlichen einer klassischen Panel-Aufteilung; seine Figuren sind kantig, grob schraffiert, auf das Wesentliche reduziert. Auch wenn der Schwerpunkt des Comics in der Story zu sehen ist, so stehen Text und holzschnitthafte Schwarz-Weiß-Zeichnungen dennoch fast gleichwertig nebeneinander und ergänzen sich in synergetischer Weise. Damit hebt sich Pandoramicum wohltuend von der oft barock überladenen und doch steril-oberflächlichen Optik vieler amerikanischer Superhelden-Comics oder dem entindividualisierten Manga-Stil ab, in welchen belanglose Gebrauchsgrafik eine oft dünne Handlung dominiert.
Neben dem Inhalt weiß auch die Aufmachung des großformatigen Hardcover-Bandes rundum zu überzeugen: das für alle Engel-Produkte in Schrift und Farbgestaltung typisches Cover-Design, die hervorragende Papierqualität und ein erstklassiger Druck machen Pandoramicum zu einer Perle auf dem trashübersättigten Comic-Markt.
Fazit: Für jeden Comic-Fan, der eine in kraftvollen, gewaltigen Bildern exzellent erzählte Geschichte jenseits des Mainstreams liebt, ist dieses Comic ein Muss; der Rest mag mit X-Men & Co. glücklich werden.
10 von 10 Punkten