Reihe: D4rk Inside, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Leselurch |
Worum geht’s?
Der Kampf ums Überleben geht weiter. Aries, Clementine, Mason und Michael haben es gemeinsam mit ein paar Freunden nach Vancouver geschafft, aber nicht die erhoffte Sicherheit gefunden. Die Hetzer haben sich zusammengeschlossen und bringen jeden um, den sie nicht für ihre Zwecke gebrauchen können. Während sich die Jugendlichen darum bemühen, den Tag lebend zu überstehen, wächst der psychische Druck. Die Gruppe zerbricht - und macht tödliche Fehler: Mason und der mysteriöse Daniel werden von den Hetzern erwischt und Clementine und Michael laufen geradewegs in eine blutige Falle. Aries und die anderen müssen etwas unternehmen. Aber ist das Leben anderer es wert, in den eigenen Tod zu laufen?
Meine Meinung:
"R4ge Inside", der zweite und abschließende Band der "D4rk Inside"-Reihe, schließt nicht nahtlos an seinen Vorgänger an. Nach einem düsteren Prolog des Nichts, der die Atmosphäre augenblicklich mit Dunkelheit erfüllt, gibt es einen großen Zeitsprung in die Vergangenheit. Jeyn Roberts bietet Einblicke in die Welt, wie sie drei Monate vor den Erdbeben war, und liefert Hinweise auf die Hintergründe der Geschichte, die die eigene Neugierde entfachen und einen sofort in einen unbezwingbaren Lesefluss reißen. Man möchte um jeden Preis mehr erfahren und verschlingt die Seiten auf der gierigen Suche nach Informationen, aber diese hält Jeyn Roberts streng geheim.
Etwa 50 Seiten später ist der Exkurs in die Vergangenheit schon wieder vorbei und die Autorin wirft einen zurück in die Gegenwart drei Monate nach den Erdbeben. Aries, Clementine, Mason und Michael haben zusammen mit ein paar anderen Jugendlichen überlebt und verstecken sich vor den Hetzern. Zeit zum Kräftesammeln bleibt ihnen jedoch nicht. Der alltägliche Kampf ums Überleben und die extreme psychische Belastung treiben sie alle an ihre Grenzen, lassen sie schwächeln - und Fehler machen, die ihren Tod bedeuten könnten. Die Gruppe reißt mit jedem Opfer stärker auseinander. Jeyn Roberts beschreibt in ihrem postapokalyptischen Szenario auf realistische Weise, wie die Jugendlichen an ihrer eigenen Psyche zerbrechen, und geht ihren Lesern damit direkt unter die Haut.
"R4ge Inside" spezialisiert sich auf die psychischen Aspekte, was der jungen Autorin sehr gut gelungen ist. Was nun allerdings ein Stück weit fehlt, ist die Brutalität und die Grausamkeit. Dieser zweite Band kommt nicht an den Ekel, den Schauer, die Perversion heran, die zwischen den Buchdeckeln von "D4rk Inside" steckt. Es gibt noch immer viele Opfer, die auf fürchterliche Weise ermordet werden, und deren entstellte Leichen nicht nur den Charakteren nahe gehen. Trotzdem schafft es "R4ge Inside" nicht, an seinen Vorgänger heranzukommen. Fast hat es den Anschein, als würde Jeyn Roberts ihren angeschlagenen Figuren in dieser Hinsicht etwas Ruhe gönnen wollen.
Sowohl die Psyche der Charaktere als auch die Gewalt in der Geschichte machen den Großteil der Spannung aus. Das Blut, das durch die Zeilen des Romans fließt, lässt das eigene Herz rasen und macht es schwer, sich von den Seiten zu lösen. So grausam die Handlung auch ist, man möchte unbedingt wissen, wie es weiter- und vor allem zu Ende geht. Man möchte dem Bösen begegnen, das hinter all dem steckt. Mord und Totschlag beherrschen die Geschichte, was leider zur Folge hat, dass die eigentliche Handlung viel zu kurz kommt. Wie bereits in "D4rk Inside" geschehen in diesem Band zwar viele Grausamkeiten, aber sonst könnte man die Geschehnisse, die die Geschichte tatsächlich voranbringen, wohl auf weniger als 200 Seiten kürzen. "R4ge Inside" fasziniert und bietet zweifelsohne großartige Lesestunden, doch im Gedächtnis wird sie höchstens dank des vergossenen Blutes bleiben.
Auf den letzten Seiten hat Jeyn Roberts schließlich doch noch ein paar Überraschungen für ihre Leser parat, mit denen man wirklich nicht mehr gerechnet hätte. Diese betreffen allerdings vor allem die Charaktere und nicht die Geschichte selbst. Kaum hat man das Buch zugeschlagen, muss man sich eingestehen, dass man absolut keine Ahnung davon hat, was genau in dieser Dilogie geschehen ist. Es gab viel Gewalt und viel Blut - aber sonst? Was steckt hinter dem Bösen, das zwischen den Seiten lauert? Jeyn Roberts lässt ihre Leser im Dunkeln - im wahrsten Sinne des Wortes - und behält die Auflösung für sich. Was möglicherweise geheimnisvoll wirken soll, ist für den Leser eine bittere Enttäuschung. "R4ge Inside" lässt seine Fans lediglich mit blassen und unbefriedigenden Ansätzen zurück.
Zu den Perspektiven der Protagonisten, die man genau kennenlernen darf, gibt es noch einige Kapitel aus dem persönlichen Blickwinkel des Nichts. Diese mysteriöse Figur hat bereits im ersten Band mit der Dunkelheit zu kämpfen, die sich mehr und mehr in ihm ausbreitet. In "R4ge Inside" ist das Böse mächtiger und stärker geworden und kaum noch aufzuhalten. Aber wer steckt hinter dem Nichts, der zu einer tödlichen Gefahr für die gesamte Gruppe wird? So interessant und aufschlussreich Jeyn Roberts diese Kapitel auch gestaltet hat, überzeugen können sie nicht. Die Auflösung ist so offensichtlich, dass man die Faszination des Nichts vergisst und gar ein wenig enttäuscht wird.
Fazit:
"R4ge Inside", der zweite und abschließende Band der "D4rk Inside"-Dilogie von Jeyn Roberts, ist eine durchschnittliche Fortsetzung mit vielen Stärken, aber leider noch mehr Schwächen. Die Autorin setzt den Fokus der Geschichte nun viel stärker auf die Psyche ihrer Charaktere. Obwohl die Geschichte damit an Tiefe gewinnt, kann sie nicht über die Seiten hinaus begeistern. "R4ge Inside" ist in Sachen Psycho-Horror und Brutalität sicherlich ein Highlight im Jugendbuchbereich, aber die Geschichte als solche bleibt auf der Strecke. Die Handlung kommt kaum voran und kann nicht halten, was sie verspricht. Besonders für Fans des ersten Bandes, die sich nun endlich Antworten erhofft haben, ist dieser Abschluss eine bittere Enttäuschung. Für "R4ge Inside" vergebe ich schwache 3 Sterne.