Titel: Star Trek VI: Das unentdeckte Land Eine Besprechung / Rezension von Andreas C. Lazar |
Der klingonische Kanzler wird auf dem Weg zu Friedensverhandlungen ermordet, und Captain Kirk und Dr. McCoy werden als vermeintliche Täter eingebuchtet. Jetzt ist es an Spock und den anderen, ihre Unschuld zu beweisen.
"Star Trek" ist, man kann es ohne Übertreibung sagen, ein Phänomen. Von den Anfängen als kleine Science-Fiction-Serie hat sich Gene Roddenberrys optimistische Zukunftsvision zu einem Multimilliarden-Dollar-Franchise entwickelt, das seit mehr als dreißig Jahren Filme und Serien (meist) hoher Qualität hervorgebracht hat. Fans in aller Welt verfolgen gebannt die Abenteuer ihrer Helden.
Zum 25-jährigen Jubiläum konnte Paramount da natürlich nicht untätig bleiben und spannte die bewährten Leistungsträger ein, um einen neuen Film zu entwickeln. Da mittlerweile die neue Serie mit Captain Picard und seiner Crew einige Popularität erlangt hatte, wollte man den Stab an die neue Generation weitergeben, zugleich aber die aktuellen Weltereignisse - den Zusammenbruch des Ostblocks - filmisch wiedergeben und dazu noch ein paar Gaststars einbinden. Mit dem vorliegenden Film ist es Nick Meyer auf bewundernswerte Weise gelungen, all diese Aspekte zu verbinden und einen in sich schlüssigen, spannenden und zeitaktuellen Film zu schaffen, der einen vollkommenen und rührenden Abschied für die alte Besatzung bildet.
Der zur Energieerzeugung benutzte klingonische Mond Praxis - Tschernobyl, ick hör Dir trapsen - explodiert infolge von Überbeanspruchung. Die nun ihrer Energiequelle beraubten Klingonen bitten um Friedensverhandlungen. In einer die gesamte Serie umfassenden, Kirks Charakter wie in einer Lupe bündelnden Sequenz wird er, jahrzehntelang erbitterter Feind aller Klingonen, fast gegen seinen Willen zu den Verhandlungen gerufen, denn, so ein altes vulkanisches Sprichwort, nur Nixon, ein Konservativer, konnte nach China gehen. Diesen Kniff kann man gar nicht genug loben, zeigt er doch, dass selbst aus den größten Widersachern am Ende Freunde werden können, dass selbst jemand, der durch seine Feinde seinen Sohn verloren hat, über seinen Schatten springen und die Hand zum Frieden reichen kann. Eine wahrhaft gelungene Charakterentwicklung, die Kirk am Ende noch mehr Größe verleiht.
Aber natürlich haben die Falken auf beiden Seiten etwas gegen Frieden und schicken deshalb einen getarnten Bird of Prey, um die Verhandlungen zu sabotieren. Dass die meisten Zuschauer völlig mit dem klingonischen Schiff und seiner Fähigkeit, "unsichtbar" zu werden, vertraut sind, liegt am erstaunlichen Umgang der Star Trek-Reihe mit seinen Raumschiffen. In fast jedem Film wurde mindestens ein neues Schiff ausführlich vorgestellt und in langen Aufnahmen bewundert - sei es die jeweils neueste Enterprise (auch der Flugzeugträger), sei es Khans Reliant der Miranda-Klasse, sei es das in Star Trek III: The Search for Spock zerstörte kleine Wissenschaftsschiff Grissom der Oberth-Klasse, sei es der von Kirk und seinen Freunden eroberte Bird of Prey Bounty. Jedesmal waren die Modelle dabei so ausgereift, detailreich und elegant, dass man sich gern an die vielen Raumschiffe erinnert (die Amerikaner tun das offenbar so gern, dass sie die NASA in einer gewaltigen Brief- und Telefonaktion zwangen, das erste Space Shuttle "Enterprise" zu nennen. Jahre später ist in der offiziellen Literatur das Space Shuttle Enterprise als einer der angeblichen Vorläufer des Raumschiffs Enterprise zu finden, und Captain Picard hat sogar ein kleines Modell davon in seiner Besprechungslounge stehen), auch wenn es immer noch nicht besonders plausibel ist, dass ausgerechnet die Brücke, der wichtigste Teil eines Schiffes, als exponierter Buckel in der Mitte der Untertassensektion sitzt.
Jedenfalls kann der Bird of Prey getarnt schießen und stiftet damit gehörig Verwirrung. Der klingonische Kanzler (ein Gorbatschow-Verschnitt) kommt um, und Kirk und McCoy landen als angebliche Täter in einer Strafkolonie, obwohl sie von Colonel Worf verteidigt werden, einem Vorfahren des Lt. Worf aus der neuen Serie. Beide werden übrigens von Michael Dorn gespielt, der damit auch den personellen Übergang mitgestaltet. Interessant ist hierbei das unterschiedliche Make-Up beider Worfs, das die seltsame Wandlung der Klingonenmaske im Laufe der Jahre wohl evolutionär plausibilisieren soll. Von den braun geschminkten Tataren mit glatter Stirn aus der Originalserie über die mit einer leichten Furche ausgestatteten Klingonen aus den Filmen bis zu den Kriegern mit riesigen Stirnhöckern aus der neuen Serie ist es ein weiter entwicklungsgeschichtlicher Weg - eigentlich zu weit für achtzig kurze Jahre. Deswegen reden die Klingonen ja auch nicht darüber (in Wahrheit gab es früher nur kein Geld, um die angeblich schon immer geplanten Höckermasken zu realisieren).
Nun müssen Spock und die verbliebenen Crewmitglieder, gesetzt, gekonnt und harmonisch spielend, den wahren Mördern auf die Schliche kommen, was Nicholas Meyer in toll gefilmten, hochspannenden und musikalisch packenden Szenen zeigt. Auch die Charakterinteraktionen kommen nicht zu kurz (Spocks Mentor-Beziehung zu Valeris!), und alle noch losen Fäden aus den vorangegangenen Filmen werden humorig wieder aufgenommen. So zeigt Scotty, wie gut er die neue Enterprise wirklich kennt, und so kriegt Sulu endlich sein lang ersehntes Kommando. Das ist natürlich nichts anderes als der Kapitänssitz der Excelsior, die damit einen wiederholten Gastauftritt absolviert. Dieses wunderschöne, schlanke Schiff läuft der Enterprise fast den Rang ab - nicht nur die Brücke (eine der umgestalteten Next Generation-Kulissen) sieht schöner und detaillierter aus, sondern auch die Waffensysteme sind besser, Christian Slater ist als Cameo an Bord, und die Excelsior-Tassen übertrifft ohnehin kein noch so dicker Kirk.
Apropos Kirk: Während seine Freunde versuchen, seine Unschuld zu beweisen, sitzt er in einer Strafkolonie auf einem Eisplaneten fest, und manche diesbezügliche Klischees (ein Kampf mit dem stärksten Insassen, "Hier ist noch nie jemand ausgebrochen"-Sprüche...) kann sich auch Nick Meyer nicht verkneifen, aber er präsentiert sie wenigstens atmosphärisch und mit guten Leistungen von Kelley und Shatner. Dazu trägt auch das somalische Model Iman bei, das mit gelungenen Morphing-Effekten eine durchtriebene Gestaltwandlerin spielt und Kirk fast an der Flucht hindert.
Aber natürlich nur fast, denn zum Schluss kommt es zum Endkampf zwischen Kirk und dem bösen General Chang, der von Christopher Plummer mit passenden Shakespeare-Zitaten ("im klingonischen Original") toll gegeben wird. Wuchtige Effekte und gut geschnittene und choreographierte Schußwechsel machen diesen Kampf so interessant, spannend und überraschend wie den in Star Trek: The Wrath of Khan.
Am Ende bleibt Meyer dank seiner dichten Regieführung und dem hohen Tempo des Films sogar noch Zeit für einen wehmütigen Abgesang der alten Besatzung, eine Erinnerung an vergangene Abenteuer und die symbolische Weitergabe der Staffel an kommende Generationen. Die Enterprise und die Excelsior fliegen gemeinsam in den Sonnenuntergang (oder wie immer man das im All nennt), und zurück bleibt das Gefühl eines vollendeten, sanften Abschieds, der den Weg für Neues ebnet, und das Wissen, wieder einen hervorragend geradzahligen Star-Trek-Film gesehen zu haben.
4 von 5 Sternen