Titel: Azureus & Pygmalion Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Der junge Scout Azureus ist im Dorf unterwegs, um nach Informationen zu suchen, die andere übersehen. Dabei ist der Begriff Scout nicht ganz zutreffend ist. Übersetzt ist das ein Pfadfinder und Azureus sucht gerade nicht auf alten Pfaden, sondern weitab davon. Das, was hier als Dorf bezeichnet wird, nennt man in der unserigen Zeit Internet. Dabei trifft der Spruch Die Welt ist ein Dorf gerade beim Internet zu. Wem ist es noch nicht passiert, dass man plötzlich von jemandem hört oder liest, den man lange Zeit nicht gesehen hat? Im vorliegenden Roman gelingt es Marcus Hammerschmitt, diesen Zustand sehr gut zu schildern. Wohl gab es Stellen, an denen ich etwas irritiert war. Marcus’ Ideen sind jedoch gelungen. Einen Troll im Internet zu erschaffen ist recht einfach. Ihn dann aber als eine eigenständige künstliche Intelligenz zu beschreiben ist schon etwas Besonderes. Dieser Troll hängt sich an die Fersen von Azureus, um ihn immer dann zu beschützen, wenn sich dieser im Dorf bewegt.
Dummerweise verliert Azureus erst einmal seinen Job und wird auch noch entführt. Die Entführer verlangen von ihm, im Dorf ein ganz spezielles Buch aufzuspüren. Das hört sich erst einmal nicht so schwierig an. Jedoch wird Azureus’ persönliche Lage immer prekärer, weil plötzlich mehrere Seiten hinter ihm und dem Buch her sind. Personen wie José als Arbeitgeber, der Azureus ziemlich schnell feuert, wie der Böhmische Bischof (mit seinen Untergebenen Adalbert, Alfons, Anton etc.), der ihn engagieren will, wie der Troll Pygmalion, der Magier Zygmund und andere mehr sorgen für Abwechslung, die den Leser das Buch erst aus der Hand legen lassen, wenn die letzte Seite umgeblättert wurde.
Azureus & Pygmalion ist aufgemacht wie eine sogenannte Queste. Auf Deutsch könnte man sagen: eine abenteuerliche Forschungsreise. Damit trifft man das Datentauchen im Internet ganz gut. Um etwas zu finden, kommt es immer darauf an, in welcher Kombination man welche Begriffe verwendet. Der Leser muss allerdings nichts finden - das übernimmt der jugendliche Held in famoser Weise. Nach Irrungen und Wirrungen findet sich die Lösung der Queste, aber nicht unbedingt so, wie der Leser das gern gesehen hätte.
Marcus Hammerschmitt macht aus dem Buch mehr als eine Geschichte, die in der Wirklichkeit spielt und gleichzeitig ein Pendant in der zweiten Wirklichkeit besitzt. Bei ihm überlappen sich beide Bereiche und manchmal erweckt er den Eindruck, dass die Welten ihre Rollen tauschen. Wir haben den rebellisch wirkenden Azureus, der sich als Heranwachsender in der Welt der Erwachsenen zurechtfinden muss. Seine Probleme sind meist nicht hausgemacht, sondern werden von außen an ihn herangetragen. Dennoch versucht er gerade diese Erwachsenen-Probleme mit der ihm eigenen Art eines Jugendlichen zu lösen, der nicht in den Zwängen der Erwachsenenwelt gefangen ist. Gerade dies macht die Figur umso liebenswerter. In seiner Person verschwimmen die Grenzen zwischen Alt und Jung, Wirklichkeit und Netz-Wirklichkeit, Magie und Technik.
Doch der Autor schreibt nicht nur oberflächliche Unterhaltungsliteratur. Bei der Namensgebung z. B. gibt er sich besondere Mühe. Wer mehr über die Wortspielereien wissen möchte, für den habe ich drei aufgelistet:
Azureus = freier BitTorrent-Client, in Java geschrieben und für alle Plattformen geeignet (Filesharing Protokoll), eignet sich für die schnelle Verteilung von Datenmengen.
Pygmalion = kyprischer König aus der griechischen Mythologie.
Antoni Zygmund = amerikanischer Mathematiker.