Titel: Blindwütig Eine Besprechung / Rezension von Thomas Backus |
Das Leben des Autors Cullen Greenwich (genannt Cubby) ist schön. Seine Bücher sind erfolgreich, seine Familie gesund. Seine überaus hübsche, intelligente und auf jede Weise charmante Frau hat ihm einen Sohn geschenkt, der zwar ein wenig verschroben, dafür aber geniemäßig begabt ist ... dieser Teil gerät bei Koontz immer ein wenig ins Kitschige:
Pennys Sinn für Humor ist auch der Hauptgrund, weshalb ich mich in sie verliebt habe, mehr als ihre Schönheit, ihr wacher Verstand und ihr gutes Herz. Würde sie je ihren Humor einbüßen, so müsste ich sie verlassen. Und dann würde ich mich umbringen, weil ich ohne sie nicht leben könnte.
Zu seiner Verteidigung: Selbst im Kitsch ist Koontz erstaunlich kreativ. Ich weiß zwar, dass diese über-heile Welt nur dazu da ist, in Dunkleheit zu versinken (wo das wahre Talent des Autors liegt), aber den einen oder anderen Schmunzler kann ich mir da nicht verkneifen.
Dass die Dunkelheit über allem lauert, dafür sorgen Andeutungen, die immer wieder in die Handlung eingestreut werden. Der Familie steht der Weltkrieg Waxx bevor.
Sherman Waxx ist ein Literaturkritiker, und offensichtlich kein guter. Cubby meint, dass er sein Buch gar nicht gelesen, und wenn doch, dann nicht verstanden hat. Außerdem bedient sich der Kritiker eines erbärmlichen literarischen Stils, der ihn zur Meinungsäußerung disqualifiziert.
Die übrigen Rezensionen sind gut, und jeder rät Cubby, auf keinen Fall auf die Kritik zu reagieren. Der Kritiker genießt offensichtlich einen schlechten Ruf, der darauf hinweist, dass er mehr als ein Exzentriker ist.
Natürlich lässt es Cubby nicht gut sein. Als er erfährt, dass Waxx regelmäßig in seinem Stammlokal isst, will er ihn sich nur mal anschauen. Um die Sache kurz zu machen: Das geht schief. Entsetzlich schief.
Was folgt, ist der Albtraum eines jeden Autoren. Der Kritiker taucht im Haus auf, schießt auf Familienangehörige, sprengt Häuser in die Luft ... und er scheint nicht allein zu sein.
Nach den über-genialen Frankenstein-Romanen sackt dieser hier ein wenig ab. Trotzdem ist Blindwütig ein guter Roman, der gekonnt mit Ängsten spielt, eine Verschwörungstheorie aufbaut und einige Szenen aufweist, die einfach grässlich (im positiven Sinn) sind. Denn Cubby ist nicht der erste Autor, der Waxx in die Finger fällt:
„Vielleicht haben Sie diese Theorie der Polizei gehört, dass Henry angeblich in einer Schwulenbar irgendwelche Männer angesprochen hat und dann mit ihnen mitgegangen ist, ohne zu erkennen, dass er in die Hände von Psychopathen gefallen war.“
... hatte man ihn mit einer ätzenden Säure geblendet und ihm mit chirurgischer Präzision die Hände amputiert.
Entfernt hatte man auch seine Zunge und seine Stimmbänder, vielleicht weil bekannt war, dass er eine Vorstellung von Malerei und Kultur eloquent gegen gewisse Kunstideologien verteidigte.
Nun verbrachte er sein Leben, ohne etwas zu sehen und schmecken zu können. Er konnte sich ohne Hilfsmittel nicht verständlich machen und hatte kein Ventil für sein Talent mehr. Tot war er nicht, aber vielleicht überlegte er sich an besonders schlimmen Tagen, selbst den letzten Schritt zu tun.
Ein Künstler, der kein Ventil für sein Talent mehr besitzt? Kann es einen schlimmeren Albtraum für einen kreativen Menschen geben? Okay, der Verlust all derer, die er leibt ... Waxx greift beides an. Keine guten Aussichten für den tollpatschigen Cubby. Allerdings hat seine mutige Frau Penny Schusswaffenerfahrung und sein genialer Sohn Milo baut ständig irgendwelche Dinge. Außerdem ist da noch der Familienhund Lassie, der in alle möglichen Schubladen und Schränke verschwinden kann, ohne dass man diese für sie öffnen muss...