Serie: Crossed, Band 1 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Mit 260 Seiten – im us-amerikanischen Original verteilt auf zehn Hefte – erweist sich das vorliegende Tradepaperback als vergleichsweise umfangreich; doch so stattlich die Anzahl der Seiten auch ist, der Inhalt lässt sich in wenigen Sätzen subsumieren, ohne dass signifikante Fragen offen bleiben.
Eine Epidemie, die die Opfer nicht nur mit einem bizarren, kreuzförmigen Wundmal im Gesicht zeichnet, sondern die sie in jeder Hinsicht vollkommen enthemmt und sie in Mörder, Folterer und Vergewaltiger ohne einen Funken von Gewissen verwandelt, greift weltweit um sich.
Um den Folgen der Seuche – respektive den bestialischen Mitmenschen – zu entkommen, macht sich in den USA eine kleine Gruppe Gesunder auf den langen Weg in das menschenleerere Alaska. Sie durchqueren – verfolgt von einigen Gezeichneten - einen Kontinent, der in Exzessen aus Mord, Plünderungen und sexueller Perversion ertrinkt, und je länger ihre Reise dauert, desto kleiner wird die Gruppe bis schließlich nur zwei aus der ehedem großen Schar die schneebedeckten Gipfel Alaskas erreichen.
Schlimmer geht's nimmer. Auch wenn auf den Backcover des TPB ein unbekannter Rezensent „Crossed“ mit Robert Kirkmans Meisterwerk „The Walking Dead“ in eine Reihe zu stellen wagt, haben die beiden Serien qualitativ kaum etwas gemein. Wo Kirkman seine in einer Grenzsituation agierenden Figuren und ihre moralische Dilemmata bis ins Detail ausarbeitet und nachvollziehbar macht, wartet Ennis mit hohlen Plattitüden und belanglosen Dialogen auf, wo Kirkmann die allgegenwärtige Gewalt nicht um ihrer selbst willen, sondern nur als Rahmenbedingung, quasi als Kristallisationspunkt menschlicher Abgründe zeigt, zelebriert Ennis eine plakative Form der Gewalt als reinen Selbstzweck. Ihm geht es ausschließlich nur um das Zeigen möglichst abartiger und blutiger Praktiken, Rituale und Exzesse; das ist zwar bisweilen von einem voyeuristischen Standpunkt aus recht amüsant und unterhaltsam – ja zum Teil sogar recht witzig -, generiert aber weder Spannung, noch emotionale Betroffenheit. Im Gegenteil, die durch und durch vorhersehbare, substanzlose Story wird trotz aller präsentierter Gewalt schnell ermüdend und langweilig, zumal es Ennis zu keinem Zeitpunkt gelingt, den besonderen Ansatz, dass eben Menschen und keine Zombies als Widersacher fungieren, auf den Punkt zu bringen und weiter zu verfolgen, sodass die Kranken aus „Crossed“ sind in der Tat kaum mehr als fickende Zombies sind.
Das Artwork Jacen Burrows, den der gewaltaffine Leser schon aus Ennis' Serie „Die Chroniken von Wormwood“ oder Moores „Neconomicon“ (dt. beide bei Panini) kennen dürfte, ist zwar in seiner Klarheit und Deutlichkeit „ganz nett“, aber dennoch nicht wirklich ausdrucksstark und visuelle eigenständig.
Fazit: Storyseitig ein Totalausfall! Eine vorhersehbare Handlung mit beliebigen Protagonisten, ein Autor der ausschließlich auf plakative Gewalt setzt sowie ein gutes aber nicht wirklich aufwühlendes Artwork machen „Crossed“ zu einem durch und durch enttäuschenden Comic.