Serie: The Boys, Band 2 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Der vorliegende Band von "The Boys" enthält - selbstverständlich in deutscher Übersetzung - die Ausgaben #7-14 der gleichnamigen DC/Wildstorm-Serie aus dem Jahre 2006.
In "Eingelocht" ermitteln die harten Jungs in der Schwulen-Szene, um den Mörder des jungen Stephen Rubinstein zu finden. Ganz oben auf der Liste der Verdächtigen steht Swingwing, welcher ein Verhältnis mit dem Opfer gehabt haben soll. Aber auch andere Helden stehen im Fokus der Boys, darunter Tek-Knight, dem eine ernsthafte Zwangsstörung einige Sorgen bereitet: Er muss seinen Schwengel in alles - wirklich alles - stecken, was groß genug dafür ist.
In der Gemengelage aus Homophobie, Verdächtigungen und offenen alten Rechnungen ist es nicht immer ganz einfach, den Überblick zu behalten, zumal Wee Hughie, der Neuling im Team, Probleme moralischer Natur mit Billy Butchers unwiderstehlichen Verhörtechniken hat.
Die zweite Geschichte, "Der glorreiche Fünfjahresplan", führt unsere Helden in das postkommunistische Russland. Sie sollen untersuchen, weshalb seit kurzem den dort ansässigen Super-Helden und -Schurken - im wörtlichen Sinne - die Köpfe explodieren. Für Butcher bedeutet diese Reise das Wiedersehen mit Liebeswurst, dem in vieler Hinsicht imposantesten Ex-Helden der Ex-Gruppe "Glorreicher Fünfjahresplan". Nach einigen Gläschen veredelter Bremsflüssigkeit und beinharter Ermittlungsarbeit kommen die Boys einer Verschwörung der Russen-Mafia-Führerin, Little Nina, auf die Spur, die mit Hilfe zahlreicher, durch Drogen neuerschaffener Schurken die Weltherrschaft an sich reißen will. Doch sie hat ihre Rechnung ohne Billy Butcher gemacht.
Spätestens seit seiner Arbeit an der grandiosen Vertigo-Serie "Preacher" sollte Garth Ennis dem Comic-Kenner als Garant für bitterböse, gewalttätige Storys, skurrile Charaktere und obszöne Details bekannt sein.
Auch in "Der glorreiche Fünfjahresplan" zieht Ennis so heftig vom Leder, dass dem Leser vor Staunen ob der aberwitzigen Ideen die Luft wegbleibt.
Wenn im allerersten Panel ein Superheld - Tek-Knight -, in martialischer Hi-Tech-Rüstung vor seinem Psychiater sitzend, sagt, "Doktor, ich muss einfach alles ficken ...", Hughie eben jenem Tek-Knight in die Höhle kackt, weil er dessen Hi-Tech-Klo nicht öffnen kann, wenn sich die Bedeutung des Helden-Namens "Liebeswurst" dem Leser dann offenbart, als dieser in Spandex-Hosen in den Raum stürmt, und später genau dieser Held bei der Razzia in einem Strip-Club außer Gefecht gesetzt ist, weil der Lotfußpunkt seines Schwerpunktes deutlich außerhalb seiner konvexen Auflagefläche liegt, wenn Little Nina sich quasi überall mit Dildos Freude verschafft, die fast so groß sind wie sie selbst, und schließlich auf sehr originelle Weise durch eines ihrer Spielzeuge den Tod findet, dann ist das zweifellos so unglaublich zotig, dass anspruchsvolle Leser mit klassisch-literarischer Anamnese oben die Nase rümpfen und weiter unten einen Ständer kriegen werden. Ich persönliche finde Ennis’ Ideen unglaublich erfrischend, originell und einfach nur saukomisch.
Im Gegensatz zu "Preacher" handelt es sich bei "The Boys" tatsächlich in erster Linie um eine Reflexion über das Thema "Super-Helden" und eine - zugegeben - sehr brachiale Demontage dieser Ikonen der Pop-Kultur. Wer als Leser miterlebt, wie der Butler Tek-Knights kündigt, weil ihm der Held, während er schlief, ins Ohr gespritzt hat, wird auch Batman in Zukunft mit anderen Augen sehen.
Endlich lässt Ennis seine Charaktere das explizit aussprechen, was man angesichts der Kostüme zahlreicher Vorzeige-Ikonen - wie Superman - schon immer ahnte, was man jedoch in Gegenwart eines Comic-Kenners kaum auszusprechen wagte, wenn dieser mal wieder über das uralte Motiv der Verkleidung und des Identitätswechsels dozierte: Wer solche Klamotten trägt, muss schwul, lesbisch oder ein Kinderficker sein.
Doch Ennis wäre nicht Ennis, würde er nicht auch aktuelle, gesellschaftliche Verwerfungen zumindest andeutungsweise in seine Story einbauen, so wie bspw. die Gefangenen in orangen Overalls mit schwarzen Kapuzen, mit denen sich die Boys das Air-Force-Flugzeug teilen; oder die Darstellung der Ars Vivendi jenseits des ehemals eisernen Vorhangs, bei der allerdings nicht immer deutlich wird, ob Ennis satirisch überzeichnet oder doch nur Klischees bedient. Letztlich ist das aber auch scheißegal.
Das klare, realistische und dunkle Artwork Robertsons ist im Großen und Ganzen wenig spektakulär, vermag jedoch Ennis’ Geschichte und Charaktere vollends zu tragen. Insbesondere Billy Butchers sardonisches Grinsen, das immer dann besonders breit wird, wenn er einem der Super-Heinis Gewalt antun darf, geht mir zu Herzen: sympathisch und gemein zugleich.
Bedauerlicherweise zeichnet für die letzten Seiten des zweiten Zyklus, "Der glorreiche Fünfjahresplan", Peter Snejbjerg verantwortlich. Dessen Stil ist insbesondere wegen der Darstellung der Gesichter mit den mangahaften Augen und der auch ansonsten eher detailarmen Zeichnungen ein unschöner, äußerst störender Bruch in der grafischen Umsetzung der Geschichte.
Fazit: beinhart, urkomisch, skurril, zynisch, politisch unkorrekt. Für jeden, der sich schon immer fragte, weshalb Comic-Helden Spandex-Hosen tragen.