Titel: Der Staub der Ahnen Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Anlässlich des Unfalltodes des kleinen Benito Rojas reist der Museumswärter Eusebio Ramirez nach mehr als zwanzigjähriger Abwesenheit zurück in sein kleines mexikanisches Heimatdorf. Eusebio möchte nicht nur der Mutter, Consuela, des toten Kindes Trost spenden, sondern sucht auch den Frieden mit der Familie Rojas, deren Sohn Victor, der Bruder Consuelas, einst sein bester Freund war, bis diese Freundschaft an einer unglücklichen Eheschließung Victors zerbrach.
In einem an Consuela gerichteten Brief möchte Eusebio die Toten der Familie dadurch ehren, dass er Episoden aus der Familiengeschichte der Rojas niederschreibt und so die Erinnerung wachhält, denn in seinem Glauben hören die Toten erst auf zu existieren und zerfallen endgültig zu Staub, wenn sie in Vergessenheit geraten.
Laut Felix Pestemer basiert das vorliegende Album auf seinem Bildband „Polvo – Tag der Toten“, der zuvor im Jahre 2009 im Selbstverlag erschien und der seinerseits seinen Ausgangspunkt in einem Stipendium in Mexiko in den Jahren 2006/2007 nahm. In Zusammenarbeit mit Editions de l'An 2 und dem Avant Verlag erschien 2011 die überarbeitete Fassung der Geschichte, die es 2012 auf die Nominierungsliste des Max-und-Moritz-Preis des Comic Salons in Erlangen schaffte.
In einer Aneinanderreihung kurzer Episoden, welche in drei unterschiedlichen Ebenen – der irdischen Vergangenheit und Gegenwart sowie im Totenreich - angesiedelt und die durch die Rahmenhandlung um Eusebios selbstgewählter Mission zusammengehalten werden, bringt uns der Künstler eine Ideenwelt näher, einen Umgang mit Tod und Sterben, der für uns West-und Nordeuropäer zumindest fremd wirkt. Indem er sich einer mexikanisch geprägten Bildsprache bedient, die bunten, lauten, z.T. fröhlichen Rituale rund um den Día de los Muertos, den Tag der Toten, der in der Zeit zwischen 31. Oktober und Allerseelen begangen wird, in seinen extrem narrativ angelegten Bildern collagenhaft zitiert, und die Toten in einem munteren Reigen in ihrer eigenen Welt auferstehen lässt, vermittelt Pestemer dem Leser zumindest eine Ahnung von einem fast schon heiteren, alternativen Umgang mit der eigenen Sterblichkeit und der geliebter Menschen.
Der leichte Eindruck des Werkes, das mit vergleichsweise wenig Text auskommt, resultiert entscheidend aus dem poetischen, weichen Artwork: Ausgangspunkt scheinen jeweils Bleistift- oder Kreidezeichnungen, zuweilen augenscheinlich ergänzt durch Kohle, evtl. auch Rötel; während die Vergangenheit in hauchzarten Sepiatönen monochrom gehalten ist, warten Gegenwart sowie Totenreich mit einer zuweilen extrem zarten und feinen Gouache- oder Aquarell-Koloration auf, die den Motiven und Szenen einen ephemeren Ausdruck verleiht.
Leser, die etwas über die rituellen, die historischen oder geografischen Hintergründe der Bilder erfahren wollen, werden in einem dreiseitigen Glossar fündig, in welchem der Autor ihm erklärungsbedürftig erscheinende Aspekte erläutert.
Fazit:
Ein anrührendes, tief bewegendes und poetisches „Comic“-Meisterwerk, das tatsächlich geeignet ist, dem Leser eine neue Weltsicht zu eröffnen.