Serie / Zyklus: ~ Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Im März 2006 erschien Googol in einer überarbeiteten Neuauflage, das Titelbild angepasst an das Titelbild des im April 2006 erschienenen Nachfolgers Googolplex. Es wurden einige Fehler ausgebügelt und das Buch damit flüssiger gehalten.
Im Jahr 2045 wird die Welt von großen Wirtschaftsunternehmen regiert, da die Politik versagte. Die entsprechenden Anzeichen dafür bietet heute schon die Wirklichkeit . Da gibt es deutsche Kanzler, deren Ehrenwort vor Gericht mehr gilt als das Recht, oder Kanzler, die während ihrer Dienstzeit noch Pläne einfädeln, um mit dem Geld der Steuerzahler Bürgschaften für Firmen zu übernehmen, denen sie nach verlorener Wahl vorstehen. Erste Ansätze dieser Literatur gab es bereits Ende der 70er Jahre im letzten Jahrhundert. Sie wurde als Cyberpunk-Sub-SF-Kultur bekannt und findet heute noch ihre Entsprechung im Shadowrun. H. D. Klein greift diese Thematik sehr gekonnt auf. Durch entsprechende Gesetze wurden aus Angestellten Bürger der Konzerne, die dadurch wiederum so etwas wie globale Staatengebilde wurden. Konsequenterweise erweiterten die Konzerne, allen voran die deutsch-europäische Space-Cargo, ihren Einfluss in den Weltraum und die weiteren Planeten des Sonnensystems.
Der Raumschiffkapitän John Nurmien wird vom Autor aufgebaut als eine Figur, die die besten Verbindungen in die Führungsebene des Konzerns hat und damit die abenteuerlicheren und gewinnbringenderen Aufträge erhält. Dementsprechend erhält Nurmien einen sehr speziellen Auftrag: Er soll ein anfliegendes Objekt ansteuern, das von außerhalb des Sonnensystems in das Innere eindringt. Erste Messungen ergaben, dass das anfliegende Objekt eine gigantische Pyramide darstellt, die eine Höhe von elf Kilometern besitzt. Die Fachwelt ist sehr schnell von diesem Objekt begeistert, der Konzern will aber die Meldung nicht freigeben, sondern zusehen, als erster dort anzukommen. Der Konzernleitung ist eines gewiss: der Ruhm für die Entdeckung. Gleichzeitig ist sie aber bemüht, die auftretende Konkurrenz aus dem Weg zu räumen. Um den Wettlauf zu gewinnen, erhält John Nurmien ein Experimentalraumschiff, dessen Antrieb von einem gewissen Schmidtbauer entwickelt wurde. Der Konzern setzt auf eine neue Antriebstechnologie, einen Neutrino-Treiber, der vor dem Raumschiff einen Ereignis-Horizont aufbaut und so Sprünge über enorme Distanzen erlaubt. An dieser Stelle sei, einmal von John Nurmien abgesehen, darauf hingewiesen, dass Hans Dieter Klein sehr viele deutsche Namen verwendet und endlich von dieser elenden Amerikanisierung abkommt. Er scheint damit als einer der wenigen deutschen Autoren in der Lage zu sein, das Nachkriegstrauma abzuschütteln, nur was amerikanisch ist, ist gut.
Der neue Antrieb verschafft Nurmien einen kleinen, aber wichtigen Vorsprung. Denn bis hin zum Vatikan ist die Konkurrenz auf den Beinen. Mit seiner gemischten Crew, der auch eine Telepathin namens Halbmond angehört, seine Exfrau, ein Biologe und ein Mathematiker, will er den Erstkontakt herstellen. Die Schwierigkeiten, die der Autor der Crew in den Weg legt, beginnen bereits mit dem Start. Das macht die `Space-Opera’, die er uns anbietet, auch glaubwürdiger. Zumindest im Vergleich zu manch anderer Sternenexpedition. Trotzdem steuert er die Nostradamus, so heißt das Schiff, unbeirrt der Pyramide entgegen, nur um festzustellen, dass es nicht nur ein Pyramidenraumschiff gibt. Die eigentliche Überraschung spart sich der Autor für die Crew, und damit die Leser, bis fast zum Schluss auf.
Eine so gewaltige SF wie das vorliegende Googol gab es vorher nicht in Deutschland. Endlich werden die Verlage mutiger und erkennen, auch deutsche Autoren sind gut. Damit kann sich H. D. Klein durchaus in eine Reihe mit Hans Dominik, Bernd Kellermann und anderen einreihen, die bereits vor dem Zweiten Weltkrieg Millionenumsätze erreichten. Googol und das später folgende Googolplex kann man in vier Bücher einteilen. Wobei die ersten drei zusammengefasst mehr als 1000 Seiten bieten. Im ersten Buch beschreibt er vor allem die Welt von übermorgen, und so erfahren wir alles über die neue Erde, die neue Regierungsform etc. Im zweiten Buch begleiten wir die Reisegruppe zu den Außenbezirken des Sonnensystems. Nurmien muss auf dem Weg zum außerirdischen Artefakt von allen Seiten Hiebe einstecken: vom Konzern, von der Konkurrenz, von der eigenen Crew. Es ist der für mich interessanteste Teil. Zwar gibt es innerhalb dieses Teiles jede Menge Probleme, doch die können eines nach dem anderen abgearbeitet werden.
Im dritten Teil geht es schließlich um die Pyramide selbst. Die Pyramide scheint Aufzeichnungen zufolge in einem 500-jährigen Turnus wiederzukehren. An dem Objekt sind neben verschiedenen Konzernen besonders die Kirche und obskure Gruppen interessiert, die skrupellos ihre Interessen durchsetzen wollen. Das, was hier geschieht, wird dreißig Jahre später als Googolplex weiter beschrieben werden. Der amerikanische Captain, eher eine Karikatur, wird fast gottgleich, da er auf das Wissen der Pyramide zurückgreifen kann.
Das vierte Buch beschreibt nun den erneuten Besuch der Pyramide. Jahrzehntelang wurde der fast nicht alternde John Nurmien von der Außenwelt abgeschirmt. Im ersten Teil des zweiten Bandes wird berichtet, was in den Jahren geschah und warum John abgeschirmt auf einer Insel sitzen muss. Interessant wird dann die Flucht von der bestbewachten Insel der Welt. Dagegen scheint Alcatraz ein Wochenendhaus zu sein. Die Erzählung steigert sich in einen Wettkampf, ein SF-Abenteuer, dessen Spannungsbogen mir bis zum (vorläufigen) Schluss zugesagt hat. Ich stellte mir am Schluss beider Bände die Frage, was ich nun gelesen habe. Ist es eine Interpretation von 2001 oder eher von 2010? Findet sich Hans Dominik mit Wettflug der Nationen hier ebenso vertreten?