Serie: H. P. Lovecrafts Bibliothek des Schreckens Eine Besprechung / Rezension von Erik Schreiber |
Vier CDs mit sechs Erzählungen des Altmeisters der Phantastik sorgen für stundenlangen Hörgenuss. Howard Philip Lovecraft, dessen Todestag sich in diesem Jahr zum siebzigsten Mal jährt, war ein Legendenschöpfer und Geschichtenschreiber, der Generationen von Lesern begeisterte. Unvergesslich ist in Verbindung mit seinem Namen der von ihm geschaffene Cthulhu-Mythus. Heutzutage erlebt er eine Art Wiedergeburt, wenn seine Erzählungen als Hörspiel wieder aufgelegt werden. Die von David Nathan gelesenen Erzählungen werden teilweise sehr stimmig mit Musik unterlegt, was sich vor allem bei der ersten Erzählung positiv bemerkbar macht. Ich hatte nie erwartet, einmal die "Musik des Erich Zann" so beeindruckend erzählt zu bekommen. Mir persönlich hätte etwas mehr Musik gefallen. Die kurzen Teilstücke passten gekonnt in den gelesenen Text, ein wenig mehr davon, auch leise im Hintergrund, hätte die unheimliche Stimmung gesteigert. An dieser Stelle auf den Autoren Howard Philip Lovecraft einzugehen würde bedeuten, Eulen nach Athen zu tragen. Daher möchte ich nur kurz auf das Hörbuch eingehen. Stattdessen sei noch einmal David Nathan erwähnt. Herr Nathan ist ein großartiger Schauspieler. Da muss ich mich ganz auf die Ankündigung des Verlages verlassen, denn er ist mir nicht als Schauspieler bekannt. Dafür aber um so mehr als ein spannender Erzähler. Wenn er die ersten Sätze spricht, ist man chancenlos. Man mag nicht mehr unterbrechen, bis er zum letzten Punkt der Erzählung kommt.
Die Musik des Erich Zann
Die Erzählung Lovecrafts ist sehr stimmungsvoll. Bis in kleinste Einzelheiten wird die Geschichte des Ich-Erzählers aus Paris erzählt. Er lebt im gleichen Haus wie der stumme Musiker Erich Zann. Die Musik des Geigers zieht ihn in seinen Bann ab dem Augenblick, da er sie zum ersten Mal vernahm. Er besucht den Musiker in dessen Zimmer um ihm zuzuhören. Dabei fällt ihm ein Fenster auf, das mit einem Vorhang zugezogen ist. Als er den Blick durch das Fenster werfen kann, sieht er nicht etwa die Umgebung, sondern einen düsteren und schaurigen Ausschnitt eines uns unbekannten Weltalls. David Nathan erzählt die Geschichte so, als ob der Zuhörer der eigentliche Ich-Erzähler sei. Es entsteht der befremdliche Eindruck, aus dem eigenen Tagebuch vorgelesen zu bekommen, wodurch der subtile Horror voll zum Tragen kommt.
In der Gruft
Georg Birch ist ein Alkoholiker und von Beruf Totengräber. Beim Auftrag, mehrere Leichen umzubetten und in eine Gruft zu überführen, widerfährt ihm ein Missgeschick. Die Tür der Gruft schlägt zu. Den einzig ihm verbleibenden Ausweg stellt ein Oberlicht dar. Das Oberlicht erreicht er jedoch nur, wenn er mehrere Särge übereinander stellt. Als er bei seiner Kletterei durch einen Sargdeckel bricht und eine Hand nach seinem Bein greift, wird er schlagartig nüchtern. Hervorragend geschrieben, mit unbeschreiblichem Grauen, vorgetragen mit professioneller Kunst, für mich das Glanzlicht der 4-CD-Sammlung.
Das Bild im Haus
Der Tempel
Jäger der Finsternis
Träume im Hexenhaus
Auch diese vier Erzählungen, von denen "Jäger der Finsternis" und "Träume im Hexenhaus" die längsten auf den vier CDs sind, wissen zu überzeugen. Letztere ist eine der seltenen Erzählungen, in denen Howard Philip Lovecraft eine weibliche Hauptfigur einsetzt. Alle Erzählungen sind fesselnd geschrieben und genauso fesselnd durch David Nathan vorgetragen. Seine Vortragskunst unheimlicher Texte, vor allem solcher von H. P. Lovecraft, seine vorgespielte Unsicherheit an ausgewählten Stellen und seine sprachliche Vielfalt sind die Dinge, die ich an ihm als Sprecher schätzen gelernt habe. Als kurze Ein- und Ausführung sowie in den kleinen Pausen findet sich passende Musik. An manchen Stellen, und gerade bei der "Musik des Erich Zann", hätte ich mir etwas mehr davon gewünscht. Und wenn es nur im Hintergrund gewesen wäre. In der Regel ist sie sehr zurückhaltend eingesetzt, wirkt nie störend, sondern dazugehörig.