Serie: Metronom, Band 1 |
In einem nicht näher bezeichneten totalitären Staat, in dem das Individuum in erster Linie als Kosten- und Produktionsfaktor gesehen wird, welcher sich ganz den durch eine Politiker-Elite definierten Zielen zu verschreiben hat, fristet Lynn Forester ein mehr oder weniger angepasstes Leben. Dieses Leben gerät außer Takt, als ihr Mann, der Astronaut Doug Forester während einer Raum-Mission spurlos verschwindet und man seine Gehaltszahlungen daraufhin einstellt.
Lynns Schwester Lauren, die eine hohe Position im Ministerium bekleidet, kann der jungen Frau immerhin insofern weiter helfen, als sie Information über Dougs Verschwinden liefert: während des Routineflugs im All kann es zu einem nicht näher bezeichneten Vorfall, in dessen Folge sich nun sämtliche Mitglieder der Crew in Quarantäne befinden, und man seitens der politischen Führung absolutes Stillschweigen befohlen hat.
Floreal Linman arbeitet als Journalist für die Zeitung "Vox Populi", welche einst durch seinen idealistischen Großvater gegründet wurde, mittlerweile aber zur herausragenden Stimme des Ministeriums mutiert ist. Trotz seines nonkonformistischen Wesens und seiner kritischen Berichterstattung wird der Journalist wegen seiner Familiengeschichte noch vom neuen Herausgeber geduldet, allerdings fallen die Reportagen und Artikel Linmans regelmäßig der ministerialen Zensur zum Opfer, sodass sein Einkommen kaum für den Lebensunterhalt reicht.
Lynns und Linmans Wege kreuzen sich zufällig im Wartesaal einer Behörde und nach einen kurzen Smalltalk bietet der Journalist der jungen Frau seine Hilfe an. Diese nimmt sie jedoch erst an, als sie später von ihrer Schwester vom Tod eines der Astronauten in der Quarantäne erfährt. Mit Hilfe eines Freundes gelingt es dem Reporter tatsächlich, Kontakt zu Doug aufzunehmen und von dem Astronauten die Geschichte ihre Weltraumreise zu erfahren, eine Geschichte, in der eine unbekannte Lebensform eine zentrale Rolle spielt.
Bevor er jedoch Lynn die komplette Story erzählen kann, wird der Journalist von der Staatsmacht in Person Kommissar Radcliffs aus dem Verkehr gezogen, da man Linman mit einem für subversiv befundenen Märchenbuch in Verbindung bringt, das ein Unbekannter dem Präsidenten des totalitären Staates per Post sandte.
Wer sich in der Comic-Kunst im Genre der Science Fiction umschaut, dem wird der Mangel an gehaltvollen gesellschaftskritischen Themen auffallen, denn aktuell wird der Markt von eher leichtgewichtigen Storys dominiert, mit denen Hard-SF-Konsumenten, Science-Fantasy-Anhänger, TV-Show- und Action-Junkies oder Superhelden-Fans bedient werden.
"Metronom" nun ist der Versuch eines erfahrenen Comic-Autors, eine SF-Dystopie zu entwerfen, in der die gesellschaftlichen Gegebenheiten mehr als nur Beiwerk sind und den Handlungsverlauf entscheidend bestimmen, auch wenn das Wesen des totalitären Regimes erzählerisch zunächst primär durch "Off-Texte" illustriert wird, gleichsam durch eine "Hintergrundmelodie", in der die notwendige Abstimmung über das Verbot von Selbstmord ausführlich propagandistisch makroökonomisch begründet wird.
Èric Corbeyrans erfindet zwar das Rad nicht neu, sodass ein kundiger Leser zahlreiche Motive aus belletristischen Klassikern wie "1984" oder "Fahrenheit 451" – um zwei der bekanntesten zu nennen – zu erkennen meint, aber durch die Einbindung der Raumfahrt und der mysteriösen Aliens setzt der Autor dennoch eigene Akzente.
Das detailreiche Artwork Gruns ist bestechend und geht mit der Story eine nahezu perfekte Synthese ein. Der Zeichenduktus ist vergleichsweise leicht und diffizil, die aquarellierende Koloration bedient sich pastellener Farben, wobei Sepia-Nuancen die Außenszenen und Blautöne das Drinnen dominieren.
Besonders erwähnenswert sind zwei bildinhaltliche Merkmale: zum einen orientiert sich der Zeichner insbesondere seinen grandiosen Außenszenen an der Ästhetik eines Albert Speers oder einer Leni Riefenstahl, zum zweiten zieht er eine relativ deutliche visuelle Grenze zwischen den nonkonformistischen Hauptprotagonisten – Linman, Lynn, Radcliff – und der konformistischen Masse, zu der auch Lynns Schwester gehört. Während erstere relativ modern durchgestylt sind und fast schon etwas Poserhaftes an sich haben, weisen die staatstragenden Figuren ein Äußeres auf, das an die "Heile Welt"-Darstellung der Werbefilme der 50er-Jah angelehnt ist.
Fazit: Ein gefällig erzählte, äußerst stimmig und stimmungsvoll visualisierte SF-Dystopie, die das Genre zwar nicht neu definiert, die sich aber insbesondere durch die Einbindung von Raumfahrt und Aliens von ihren großen, klassischen Literatur-Vorbildern unterscheidet. Da im Comic-Bereich klassische Social Science Fiction aktuell eher Mangelware ist, sollte jeder interessierte SF-Fan zugreifen.