Serie/Reihe: 100% Marvel #22 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Kidens Vater, ein Polizist, wurde vor ihren Augen erschossen als sie ein kleines Kind war; heute ist sie ein junges Mädchen, das ihr eher ärmliches Zuhause mit dem dealenden Bruder und der überforderten Mutter teilen muss. Für die Schule interessiert sie sich nur am Rande und lediglich einer einzigen Lehrerin, Cameron Palmer, bringt sie zurückhaltend Respekt entgegen. Ausgerechnet diese Lehrerin wird schwer verwundet als sich während einer Schießerei Kidens besondere Fähigkeit, die Zeit anhalten zu können, manifestiert.
Sechs Monate später: Palmer hat auf Grund psychischer Probleme den Schuldienst quittiert, während Kiden mittlerweile auf der Straße lebt und sich vom Müll der Wohlstandsgesellschaft ernährt. Eines Tages erscheint ihr der Geist des toten Vaters und drängt sie, sofort Kontakt mit der Ex-Lehrerin aufzunehmen. Nur aus diesem Grund gelingt es dem Mädchen, das Leben Palmers, die sich in der Badewanne die Pulsadern aufgeschnitten hat, zu retten.
Kaum ist die Frau aus dem Krankenhaus entlassen, sucht Kiden mit ihr ein Gespräch, was sich zunächst aber als schwierig erweist, da sich die Mutantin zum einen die Mitschuld an Camerons Problemen gibt, zum anderen, weil die Lehrerin keinen Wert auf einen Kontakt zu legen scheint. Dennoch schafft es das Mädchen mit Beharrlichkeit und Offenheit, Palmer schließlich doch als Freundin zu gewinnen.
Frieden finden die Beiden allerdings nicht, denn wieder weist der Vater seiner Tochter den Weg zu einer weiteren "verlorenen Seele": Laura Kinney -aka X-23-, geht für den Zuhälter Zebra-Daddy anschaffen, wobei ihr besonderes Talent, Adamantium-Klauen aus Händen und Füßen fahren zu lassen, sie gerade bei masochistisch veranlagten Freiern sehr beliebt macht. Als Kiden und Palmer Laura finden, kauert das Mädchen verstört neben der Leiche eines blutüberströmten Kunden. Ohne nachzudenken fliehen sie gemeinsam vom Tatort, um in Palmers Wohnung vorübergehend Unterschlupf zu suchen. Doch sie haben die Rechnung ohne den Zuhälter gemacht. Zebra-Daddy schickt seine Männer hinter den Frauen her, damit sie ihm sein Eigentum wiederbeschaffen. Dank einer Warnung des toten Cops können die Drei entkommen, sind nun allerdings gezwungen, sich ohne Obdach und finanzielle Ressourcen auf den Straßen der Metropole durchzuschlagen.
Kurze Zeit später führt der Geist Kiden und ihren neuen Gefährtinnen zu einer letzten hilfebedürftigen Mutantin: Tatiana, welche mit dem Fluch gestraft ist, sich in eine Chimäre der Tiere zu verwandeln, deren Blut sie berührt, ist auf der Flucht vor einem hysterischen Mob, der sie wegen ihrer Fähigkeiten lynchen will. Zwar können die Frauen das verängstigte Mädchen retten, jedoch droht ihnen allen von Zebra-Daddy neues Unheil. Der Zuhälter hat Killer engagiert, die die Sache endgültig zu einem blutigen Ende bringen sollen, um so ein Exempel zu statuieren. Außerdem heuert er einen jungen Schwarzen, Bobby Soul, an, dessen Gabe es ist, andere Personen durch seinen Astralleib in Besitz zu nehmen. Auch wenn ihn sein Gewissen angesichts der üblen Machenschaften des Zuhälters plagt, beteiligt sich Boby zunächst an der Jagd auf die Frauen, weil er glaubt, nur durch diesen Job seinem kleinen, behinderten Bruder ein lebenswertes Dasein finanzieren können. Erneut greift der der tote Polizist in das Geschehen ein, indem er Bobby schließlich davon überzeugt, Kiden, Tatiana, Laura und Mrs. Palmer während des brutalen Showdowns mit dem Zuhälter zur Seite zu stehen.
Obgleich sich die Produktion der NYX-Mini-Serie auf Grund interner Probleme über einen relativ langen Zeitraum hinzog, hinterlässt nicht nur das Artwork einen einheitlichen, kohärenten Eindruck. Dieses ist umso erstaunlicher, als tatsächlich mehrere Künstler an der Umsetzung des Projektes mitgewirkt haben. An vorderster Stelle wären hier neben dem Autor natürlich die Zeichner Middleton (NYX #1 - #4) und Teranishi (NYX #5 - #7) zu nennen.
Der zarte, filigrane Stil beider Künstler -Teranishis Duktus ist ein Hauch grober, unbändiger als der Middletons, seine Perspektiven sind etwas konventioneller, weniger frisch und die Farben seiner Beiträge einen Tick kräftiger- findet seine Entsprechung in den die Farbpalette dominierenden, kühlen Pastelltönen der um großen Realismus bemühten Zeichnungen. Um die Klarheit -fast ist man geneigt zu sagen, die Kälte- des Artworks zu betonen, wurde folgerichtig bei der Coloration weitgehend auf weiche, verwaschene Farbverläufe verzichtet. Stattdessen setzten die Künstler die Farben flächig nebeneinander.
Das hohe künstlerische Niveau insbesondere der middleton'schen Comics kommt in zwei weiteren Aspekten zum Ausdruck: erstens gelingt es dem Zeichner fast durchgängig, Körperhaltungen und Mimiken der Protagonisten situationsgerecht, realistisch und ausdrucksstark abzubilden -Teranishi arbeitet in dieser Beziehung etwas ungenauer-, während er zweitens bei der Anordnung der Panels und in der Darstellung des Handlungsablaufs oftmals eine sehr cineastische, dennoch unprätentiöse Herangehensweise an den Tag legt.
Doch ohne eine gute Story würde auch das beste Artwok im luftleeren Raum hängen. Erfreulicherweise gelingt es Joe Quesada, dem, seit er im Jahre 2000 zu Marvel’s "Editor-in-Chief" avancierte, zwangsläufig weniger Zeit für die Gestaltung eigener künstlerischer Projekte bleibt, mit NYX sein großes Können als Autor unter Beweis zu stellen.
Ohne aufdringlichen Pathos erzählt er die Geschichte junger Menschen, denen als Angehörige einer verarmten und verarmenden Mittelschicht das Leben in einer modernen amerikanische Großstadt, kaum Raum für Träume geschweige denn für Hoffnungen lässt, sondern eine brutale Wirklichkeit die Spielregeln im alltäglichen Kampf diktiert.
Quesadas langsames -jedoch nie langatmiges- Erzähltempo und die sukzessive, behutsame Einführung der einzelnen Charaktere geben dem Leser Gelegenheit, sich mit den desillusionierenden Lebensumständen der Protagonisten vertraut zu machen, sie jenseits aller Klischeehaftigkeit und Stereotypen als Synonym für das zu begreifen, was in der amerikanischen Gesellschaft -und zunehmend auch in unserer westeuropäischen- schief läuft: Drogen, Gewalt, Perspektivlosigkeit, Ausbeutung und -vor allem- der Verlust der Kindheit hinter Fassaden aus Glas, Sauberkeit und kaltem Schein. Ganz im Sinne dieses kritischen Ansatzes fungieren die Superkräfte der Teenager dann auch nicht als cooles Gimmick, sondern als eine Art Katalysator, welcher die immanenten Konflikte bloßlegt, sie auf die Spitze treibt, ohne dabei jedoch endgültiges Heil und Erlösung zu versprechen bzw. dem Leben von Kiden und ihren Freunden einen positiven Sinn zu verleihen.
Bemerkenswert an NYX ist, dass der leichte, ephemere Stil des Artworks und die schwere, düstere Story eine nahezu perfekte Symbiose dadurch eingehen, dass sie durch den augenscheinlich offenen Widerspruch den Leser erst zum Hinschauen und dann zum Hinterfragen animieren, um erst so ein -für Marvel-Verhältnisse- anspruchsvolles Gesamtkunstwerk zu definieren.
An der Aufmachung des 196-Seitigen Tradepaperbacks gibt es fast nichts auszusetzen: Faltcover aus festem, beschichteten Karton, mit Drucklack veredeltes Frontcover-Motiv, exzellente Leimung sowie hochwertiges, matt gestrichenes Papier lassen keine Wünsche offen. Lediglich die Qualität des Druckbildes ist auf einigen wenigen Seiten nicht ganz optimal. Dieses lässt sich im Wesentlichen auf die pastellenen, ins Graue spielenden und zum Teil sehr großflächigen Tuschzeichnungen zurückführen, welche im Vierfarb-Offsetdruck -einem Standardverfahren in Comic-Bereich- leicht mit einem Verlust an Brillanz und "Farb-Sättigung" wiedergegeben werden.
Fazit: Eine etwas andere X-Men-Geschichte! Sowohl in Bezug auf das Artwork als auch in Hinblick auf die Handlung ein Leuchtfeuer im trüben Superhelden-Action- Mainstream-Nebel!
Sechs Monate später: Palmer hat auf Grund psychischer Probleme den Schuldienst quittiert, während Kiden mittlerweile auf der Straße lebt und sich vom Müll der Wohlstandsgesellschaft ernährt. Eines Tages erscheint ihr der Geist des toten Vaters und drängt sie, sofort Kontakt mit der Ex-Lehrerin aufzunehmen. Nur aus diesem Grund gelingt es dem Mädchen, das Leben Palmers, die sich in der Badewanne die Pulsadern aufgeschnitten hat, zu retten.
Kaum ist die Frau aus dem Krankenhaus entlassen, sucht Kiden mit ihr ein Gespräch, was sich zunächst aber als schwierig erweist, da sich die Mutantin zum einen die Mitschuld an Camerons Problemen gibt, zum anderen, weil die Lehrerin keinen Wert auf einen Kontakt zu legen scheint. Dennoch schafft es das Mädchen mit Beharrlichkeit und Offenheit, Palmer schließlich doch als Freundin zu gewinnen.
Frieden finden die Beiden allerdings nicht, denn wieder weist der Vater seiner Tochter den Weg zu einer weiteren "verlorenen Seele": Laura Kinney -aka X-23-, geht für den Zuhälter Zebra-Daddy anschaffen, wobei ihr besonderes Talent, Adamantium-Klauen aus Händen und Füßen fahren zu lassen, sie gerade bei masochistisch veranlagten Freiern sehr beliebt macht. Als Kiden und Palmer Laura finden, kauert das Mädchen verstört neben der Leiche eines blutüberströmten Kunden. Ohne nachzudenken fliehen sie gemeinsam vom Tatort, um in Palmers Wohnung vorübergehend Unterschlupf zu suchen. Doch sie haben die Rechnung ohne den Zuhälter gemacht. Zebra-Daddy schickt seine Männer hinter den Frauen her, damit sie ihm sein Eigentum wiederbeschaffen. Dank einer Warnung des toten Cops können die Drei entkommen, sind nun allerdings gezwungen, sich ohne Obdach und finanzielle Ressourcen auf den Straßen der Metropole durchzuschlagen.
Kurze Zeit später führt der Geist Kiden und ihren neuen Gefährtinnen zu einer letzten hilfebedürftigen Mutantin: Tatiana, welche mit dem Fluch gestraft ist, sich in eine Chimäre der Tiere zu verwandeln, deren Blut sie berührt, ist auf der Flucht vor einem hysterischen Mob, der sie wegen ihrer Fähigkeiten lynchen will. Zwar können die Frauen das verängstigte Mädchen retten, jedoch droht ihnen allen von Zebra-Daddy neues Unheil. Der Zuhälter hat Killer engagiert, die die Sache endgültig zu einem blutigen Ende bringen sollen, um so ein Exempel zu statuieren. Außerdem heuert er einen jungen Schwarzen, Bobby Soul, an, dessen Gabe es ist, andere Personen durch seinen Astralleib in Besitz zu nehmen. Auch wenn ihn sein Gewissen angesichts der üblen Machenschaften des Zuhälters plagt, beteiligt sich Boby zunächst an der Jagd auf die Frauen, weil er glaubt, nur durch diesen Job seinem kleinen, behinderten Bruder ein lebenswertes Dasein finanzieren können. Erneut greift der der tote Polizist in das Geschehen ein, indem er Bobby schließlich davon überzeugt, Kiden, Tatiana, Laura und Mrs. Palmer während des brutalen Showdowns mit dem Zuhälter zur Seite zu stehen.
Obgleich sich die Produktion der NYX-Mini-Serie auf Grund interner Probleme über einen relativ langen Zeitraum hinzog, hinterlässt nicht nur das Artwork einen einheitlichen, kohärenten Eindruck. Dieses ist umso erstaunlicher, als tatsächlich mehrere Künstler an der Umsetzung des Projektes mitgewirkt haben. An vorderster Stelle wären hier neben dem Autor natürlich die Zeichner Middleton (NYX #1 - #4) und Teranishi (NYX #5 - #7) zu nennen.
Der zarte, filigrane Stil beider Künstler -Teranishis Duktus ist ein Hauch grober, unbändiger als der Middletons, seine Perspektiven sind etwas konventioneller, weniger frisch und die Farben seiner Beiträge einen Tick kräftiger- findet seine Entsprechung in den die Farbpalette dominierenden, kühlen Pastelltönen der um großen Realismus bemühten Zeichnungen. Um die Klarheit -fast ist man geneigt zu sagen, die Kälte- des Artworks zu betonen, wurde folgerichtig bei der Coloration weitgehend auf weiche, verwaschene Farbverläufe verzichtet. Stattdessen setzten die Künstler die Farben flächig nebeneinander.
Das hohe künstlerische Niveau insbesondere der middleton'schen Comics kommt in zwei weiteren Aspekten zum Ausdruck: erstens gelingt es dem Zeichner fast durchgängig, Körperhaltungen und Mimiken der Protagonisten situationsgerecht, realistisch und ausdrucksstark abzubilden -Teranishi arbeitet in dieser Beziehung etwas ungenauer-, während er zweitens bei der Anordnung der Panels und in der Darstellung des Handlungsablaufs oftmals eine sehr cineastische, dennoch unprätentiöse Herangehensweise an den Tag legt.
Doch ohne eine gute Story würde auch das beste Artwok im luftleeren Raum hängen. Erfreulicherweise gelingt es Joe Quesada, dem, seit er im Jahre 2000 zu Marvel’s "Editor-in-Chief" avancierte, zwangsläufig weniger Zeit für die Gestaltung eigener künstlerischer Projekte bleibt, mit NYX sein großes Können als Autor unter Beweis zu stellen.
Ohne aufdringlichen Pathos erzählt er die Geschichte junger Menschen, denen als Angehörige einer verarmten und verarmenden Mittelschicht das Leben in einer modernen amerikanische Großstadt, kaum Raum für Träume geschweige denn für Hoffnungen lässt, sondern eine brutale Wirklichkeit die Spielregeln im alltäglichen Kampf diktiert.
Quesadas langsames -jedoch nie langatmiges- Erzähltempo und die sukzessive, behutsame Einführung der einzelnen Charaktere geben dem Leser Gelegenheit, sich mit den desillusionierenden Lebensumständen der Protagonisten vertraut zu machen, sie jenseits aller Klischeehaftigkeit und Stereotypen als Synonym für das zu begreifen, was in der amerikanischen Gesellschaft -und zunehmend auch in unserer westeuropäischen- schief läuft: Drogen, Gewalt, Perspektivlosigkeit, Ausbeutung und -vor allem- der Verlust der Kindheit hinter Fassaden aus Glas, Sauberkeit und kaltem Schein. Ganz im Sinne dieses kritischen Ansatzes fungieren die Superkräfte der Teenager dann auch nicht als cooles Gimmick, sondern als eine Art Katalysator, welcher die immanenten Konflikte bloßlegt, sie auf die Spitze treibt, ohne dabei jedoch endgültiges Heil und Erlösung zu versprechen bzw. dem Leben von Kiden und ihren Freunden einen positiven Sinn zu verleihen.
Bemerkenswert an NYX ist, dass der leichte, ephemere Stil des Artworks und die schwere, düstere Story eine nahezu perfekte Symbiose dadurch eingehen, dass sie durch den augenscheinlich offenen Widerspruch den Leser erst zum Hinschauen und dann zum Hinterfragen animieren, um erst so ein -für Marvel-Verhältnisse- anspruchsvolles Gesamtkunstwerk zu definieren.
An der Aufmachung des 196-Seitigen Tradepaperbacks gibt es fast nichts auszusetzen: Faltcover aus festem, beschichteten Karton, mit Drucklack veredeltes Frontcover-Motiv, exzellente Leimung sowie hochwertiges, matt gestrichenes Papier lassen keine Wünsche offen. Lediglich die Qualität des Druckbildes ist auf einigen wenigen Seiten nicht ganz optimal. Dieses lässt sich im Wesentlichen auf die pastellenen, ins Graue spielenden und zum Teil sehr großflächigen Tuschzeichnungen zurückführen, welche im Vierfarb-Offsetdruck -einem Standardverfahren in Comic-Bereich- leicht mit einem Verlust an Brillanz und "Farb-Sättigung" wiedergegeben werden.
Fazit: Eine etwas andere X-Men-Geschichte! Sowohl in Bezug auf das Artwork als auch in Hinblick auf die Handlung ein Leuchtfeuer im trüben Superhelden-Action- Mainstream-Nebel!