Serie: Storm, Band 6 Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
Die Armada aus Raumschiffen der Azurier, die auf die Erde zu hält, wird von den terranischen Streitkräften schneller vernichtend geschlagen als ein Lamm „Hurz!“ schreien kann. Doch die Bedrohung durch die blauhäutigen Fremden ist nicht gebannt, solange sie auf dem Mond Stützpunkte besitzen. Daher macht sich eine Flotte der Menschen flugs auf zum Erdtrabanten, um das Problem final zu lösen ... und ab hier wird es unübersichtlich:
Der Krieg wogt hin und her, wird aber schließlich durch den azurischen General Solon, der erneut zweimal die Seiten wechselt, zu Gunsten der Menschen entschieden, so dass im Folgenden dem friedlichem Zusammenleben beider Spezies auf der Erde nichts mehr im Wege steht.
Nun erst findet man auch die Zeit, sich näher mit einem kleinen azurischen Mädchen namens Bitak zu beschäftigen, das man in den Beryllium-Minen des Mondes während der Kämpfe gefunden hat und das gegen die dort herrschende tödliche Neutronenstrahlung gefeit zu sein scheint. Schnell stellt sich heraus, dass Bitak über außergewöhnliche telekinetische Fähigkeiten verfügt, die sie in einem Moment der Langweile dazu nutzt, ein Raumschiff mit Storm und Rothaar an Bord zu entführen und es unabsichtlich in die Hände von azurischen Piraten zu spielen, welche aus ihrem Versteck im Asteroidengürtel regelmäßig terranische Schiffe überfallen. Doch das ist erst der Anfang neuer Abenteuer, die Storm an die Grenzen des bekannten Universums leiten, ihn auf seltsame Kreaturen treffen lassen und ihm einmal mehr vor Augen führen, dass auch unter Menschen skrupellose Verräter ihre perfiden Pläne schmieden.
Mein Großes Spaghetti-Monster! Welcher Irrsinn hat von Matena Besitz ergriffen, dass er eine solch hanebüchene SF-Geschichte entwirft, gegen die sich jede triviale Pulp-Story wie Hochliteratur ausnimmt und die dem Comic-Äquivalent von „Plan 9 from Outer Space“ gleichkommt:
Rufen wir uns kurz das Ausgangsszenario in Erinnerung: Die technisch haushoch überlegenen Azurier hatten die gesamte überlebende Menschheit intellektuell auf das Niveau von etwas größeren Küchenschaben konditioniert, für die selbst ein Toaster ein großes Mysterium darstellte.
Ein paar Monate (!) später steht fröhliches Planeten-Sightseeing - Mond, Venus, Asteroidengürtel und darüber hinaus - auf dem Programm der aus den Ruinen ihrer Zivilisation phoenix-like emporgestiegenen Terraner, hat sich ein globaler Widerstand formiert, der von Raumschiffen bis Strahlenwaffen alles aufbietet, was dem SF-Fan lieb und teuer ist, während die Azurier gleichzeitig das taktische und strategische Verständnis von altem Schiffszwieback an den Tag legen. Also bitte! Dieser Grundplot ist nicht nur heute unglaublich dämlich, er war es auch schon vor 30 Jahren, als der erste Teil der Geschichte im Eppo-Magazin erschien.
Doch selbst wenn man aus unerfindlichen Gründen bereit ist - z.B. nach dem Besuch eines Coffeeshops -, sich auf den Plot der Geschichte einzulassen, wird man nicht glücklicher. Wie im Zeitraffer ziehen Handlungselemente an einem vorbei, springt der Autor hektisch von einem Ort und einem Moment zum nächsten, lässt die Geschichte in Sub- bzw. Nebenplots zerfasern und zaubert immer wieder neue Bedrohungen, Feinde und Freunde aus seinem viel zu großen Hut. Dass die Geschichte angesichts des schieren Ideen- und Fakten-Overkills nicht länger durch Dialoge transportiert werden kann, sondern zum Erläutern der exzessiven Verwendung „Narrative Boxes“ zwingend erfordert, versteht sich ebenso von selbst wie die Tatsache, dass sämtliche Figuren - von Bitak und Solon über die Piraten bis hin zu Storm und Rothaar - zu statischen, trivialen, einfachst gestrickten Popanzen verkommen. Auch kann naturgemäß in einer Geschichte, in der die Elemente nicht ineinander greifen, in der kaum Verlässlichkeit herrscht, der Leser also auch keine Erwartungen bezüglich des weiteren Geschehens hegen kann, keinerlei kontinuierliche Spannung aufkommen.
Immerhin ist das Artwork Lawrences nach wie vor exzellent, selbst wenn speziell die vorliegende Geschichte dem Künstler wenig Gelegenheit bietet, großartige Panoramen zu entwerfen. Die wenigen Bilder jedoch, in denen die Umgebung im Fokus steht, sind ein ums andere Mal großartige, expressive Farb- und Formenexplosionen. Doch zum ersten Mal innerhalb der Storm-Reihe reicht selbst Lawrences Können nicht aus, das Album insgesamt zu retten.
Redaktionell zeichnet sich auch dieser Band der Collectors Edition durch zahlreiche, kommentierte Bilder und Skizzen aus Lawrences Werkstatt, einen informativen, mehrseitigen Textbeitrag sowie einen separat beigefügten Druck im DinA4-Format aus.
Fazit: Seidenpapierdünne Protagonisten sowie eine hektische, sich vor platter Action überschlagende SF-Story voller Logik-Löcher lassen auf Seite 52 nichts als Erleichterung darüber zurück, dass man es überstanden hat. Nicht einmal Lawrences grandioses Artwork vermag „Das Geheimnis der Neutronenstrahlen“ zu retten.