Titel: Valley - Tal der Wächter Originaltitel: Heroes (2009) Autor: Jonathan Stroud Übersetzung: Katharina Orgaß und Gerald Jung Titelbild: Hanna Hörl Buch/Verlagsdaten: cbj Verlag (26.01.2009); 493 Seiten; 18,95 €; ISBN: 978-3-570-13493-1 (gebunden mit Schutzumschlag) Eine Rezension von Ida Eisele |
Hal Svenson ist als Zweitgeborener ohnehin das dritte Rad am Wagen. Noch dazu hat er nichts als Flausen im Kopf und treibt seine Eltern zur Verzweiflung. Vor allem aber will er sich nicht mit den althergebrachten Traditionen abfinden. Ein Leben lang eingeschlossen in einem Tal, das von sagenumwobenen, menschenfressenden Trolden umzingelt ist – das ist kein Leben für Hal. Gemeinsam mit der eigensinnigen Aud will er der engstirnigen Gesellschaft im Tal entkommen...
Das Buch vom Autor der Barthimäus-Saga ist ein Einzelband – leider, denn schon länger habe ich kein Buch mehr so verschlungen wie dieses.
Hal Svenson ist erfrischend: Er sieht nicht gut aus, weiß kein Schwert zu führen und hat auch sonst einen eher eingeschränkten Wissensschatz, hat er den elterlichen Hof doch noch nie verlassen. Er macht bisweilen Fehler und muss erkennen, dass er sich geirrt hat – und er hat wirklich ein Talent dafür, sich Feinde zu machen. Seine Welt besteht erst einmal aus eben jenem Hof und allem, was sich mit kurzem Fußmarsch erreichen kann. Wie eingeschränkt dieser Blickwinkel ist, lernen Hal und mit ihm der Leser erst mit der Zeit. Die anfänglich sehr begrenzten Informationen und Wahrnehmungen erweitern sich Stück für Stück, wenn Hal seine Reise ins Untertal am Meer unternimmt, um seinen Onkel zu rächen. In Erklärungen und Andeutungen breitet sich eine eingeschworene, harte Gesellschaft vor dem lesenden Auge aus, gewachsen aus den zwölf Familien der alten Helden, die das Tal einst aus den Klauen der Trolden befreiten. Wie wichtig alte Sagen für diese Menschen sind, ist offensichtlich, wird doch zu Beginn jeden Kapitels eine kurze Sage aus dem Leben Svens – Hals Ahnherren – erzählt. Und plötzlich, irgendwann auf den letzten hundert Seiten, bemerkt man plötzlich, dass bisher rein gar nichts übernatürliches geschehen ist, sondern sich nur in Sagen und den Überzeugungen der Protagonisten befindet. Insofern ist „Valley“ ein seltsam fantasy-freies Fantasybuch, was mir, wie gesagt, erst am Ende aufgefallen ist, als das Buch schon verschlungen war. Und nein, ganz wird man natürlich nicht um übernatürliche Elemente betrogen. Dennoch sind die Hauptkonflikte des Buches weitestgehend zwischenmenschlicher Natur, die allerdings in eine sagenhaften Kontext eingebettet sind und in angenehmem Tempo packend erzählt werden. Die Spannung wird eigentlich zu jedem Zeitpunkt der Geschichte hochgehalten. Zum einen durch die permanente Bedrohung durch die übernatürlichen Trolde, zum anderen aber durch die um vieles realere Gefahr durch Menschen von feindlichen Höfen.
Als zweiter wichtiger Charakter überzeugte mich auch Aud, die recht vielseitig daherkommt und sich auf ihre unangepasste Weise doch perfekt in die Welt des Tals einfügt. Die übrigen Charaktere, Hals Familie ebenso wie seine Feinde, erscheinen eher negativ – da aus Hals Perspektive geschildert. Trotzdem geben ihnen Andeutungen, überraschende Handlungen oder Worte eine lebendig machende Tiefe.
Das dargestellte, einfache Leben hat wenig mit ungenauen Vorstellungen von Mittelalterlichkeit und viel mit klar ausgearbeiteten Hintergründen zu tun. Die Welt ist hat etwas Wikingerhaftes an sich, doch zur See gefahren wird kaum, glaubt doch keiner der Talleute, dass es jenseits der Berge überhaupt irgendetwas geben könnte. Auch die Sprache ist diesem nordischen Setting angemessen, dazu flüssig und bildreich.
Insgesamt hat das Buch mich begeistert und ich kann es nur empfehlen.