Titel: Der Pakt Eine Besprechung / Rezension von Frank Drehmel |
„Hat jemand daran gedacht, sie mit Intelligenz auszustatten?"
„Die ist angeboren, denn sie ist ein Mädchen!"
„Echt?!"
„Das betrifft dich nicht, Aphrodite!"
Wer sich da über das Schicksal der kleinen Atalante unterhält, dem Baby, das König Iasos in der Wildnis aussetzen lässt, weil es das falsche Geschlecht hat, sind die drei Göttinnen Hekate, Artemis und Aphrodite, die dem Neugeborenen wundersame Fähigkeiten und einen magischen Dolch mit auf den Lebensweg geben.
Ihre ersten Lebensjahre verbringt das Kind bei den Wesen des Heiligen Waldes von Pelion, bei den Faunen und Nymphen, den Zentauren, den Minotauren und all den sprechenden Tieren; und auch wenn der Forst das eine oder andere dunkle Geheimnis birgt, so ist er doch ein paradiesischer Ort, den die kleine Atalante und ihre faunischer Freund Pyros erkunden. Die Idylle endet, als Jäger aus der Außenwelt die Ziehmutter Atalantes töten und das Mädchen verschleppen.
Einige Jahre später: das Kind ist dank Aphrodites Gabe zu einer wunderschönen, selbstbewussten Frau herangewachsen, die sich im athletischen Wettkampf mit den Männern ihres Alters messen kann. Dementsprechend ambitioniert sind ihre Zukunftspläne: gemeinsam mit Iason, der gerade im Hafen sein Schiff, die Argo, zu bauen beginnt, will sie zunächst nach Kolchis, das goldene Vlies erringen, um später den Amazonen beizutreten.
Doch das Schicksal hat andere Pläne: unter der Ladung des Holzhändlers Sargon findet Atalante einen kleinen Käfig, darin gefangen ihr alter Kinderfreund Pyros. Und der Kleine weiß von einem großen Unglück zu berichten, das über den Heiligen Wald gekommen ist und infolge dessen der Zentaur Chiron, der alte Mentor und Lehrer Iasons in Gefangenschaft seiner Amok laufenden Brüder geraten ist. Als Iason zu Rettung des Freundes aufbrechen will, mischt sich die Göttin Hekate unerkannt ein, um den Helden an seine Pflicht zum Bau der Argo zu erinnern, sodass es alleine an Atalante ist, den Zentaur zu retten und dem Heiligen Wald den Frieden zu bringen.
In Serien wie „Cañari", „Ishanti" oder „Luuna" offenbart Didier Crisse in erzählerischer wie grafischer Hinsicht ein Faible für selbstbewusste, starke „Kindfrauen". Auch „Atalante" reiht sich nahtlos in diesen Kontext ein, sowohl was die fast schon ikonische künstlerische Gestaltung der Hauptfigur betrifft, als auch ihre Rolle innerhalb der märchenhaft-mythischen Handlung. Die Geschichte selbst ist gleichermaßen abenteuerlich wie federleicht und weist ob ihres unaufgeregten Umgangs mit griechisch-römischer Mythologie einen zauberhaften Charme auf, zu dem die durchweg sympathischen Figuren sowie die unterhaltsam, humorvollen und gefälligen Dialoge ihren Teil beitragen.
Crisses kraftvoll kolorierte Zeichnungen strotzen mit ihren weichen, schwungvollen Linien, ihrer Klarheit und ihren stimmungsvollen Details vor drallen, prallen Leben, vor Magie und abenteuerlicher Atmosphäre.
Ein umfangreicher Anhang mit zahlreichen großformatigen und kommentierten Figurenstudien rundet dieses durch und durch positive Comic-Album ab.